Großbritannien feiert 70 Jahre Queen: „Was? In ihrem Alter?“
Was wissen und denken eigentlich Schulkinder in London über die 96-jährige Queen, deren 70. Thronjubiläum ansteht? Die taz hat nachgefragt.
Delilah in der vordersten Reihe meldet sich: „Damit sie Touristen anlockt und damit sie sich für gute Zwecke einsetzt.“ Außerdem, weiß sie, ist die Königin der Kopf der anglikanischen Kirche. Peggy, die weiter hinten sitzt, ist sich sicher, dass die Queen Schirmherrin von verschiedenen Wohlfahrtsvereinen ist und ihnen Geld gibt, und dass sie Ansprachen hält. „Ja genau, wie die Weihnachtsrede“, ruft die zwölfjährige Rose dazwischen, während Uma und Lemon anmerken, dass die Queen auf einem goldenen Stuhl thront.
Doch plötzlich kommt die Gruppe ins Stocken. „Wer ist Harry?“ wurde als Frage gestellt. Mack, aus der zweiten Reihe, gesteht, dass er das nicht weiß. Ziporah klärt alle auf: „Das ist der Bruder von William, dem zukünftigen König und Sohn von Prinz Charles und Prinzessin Diana.“
In den nächsten Minuten geben die Kinder ihr Wissen über die Queen zum Besten: Die „alte Oma“ mag Pferde und hat Corgihunde und fährt zur Jagd mit Ross und Hunden nach Balmoral in Schottland. Und einiges sagen die Kinder, was nicht stimmt: etwa, dass ihre Eltern der reichen Queen 20 Prozent Steuern zahlen müssen.
Fühlen die Schüler:innen sich durch die Queen vertreten?
Die taz hat diese Gruppe von 14 Schüler:innen anlässlich des 70. Thronjubiläums der Queen zusammengebracht, um herauszufinden, was eine willkürlich gewählte Gruppe Kinder über diese weiß.
Ganz Großbritannien ist dieser Tage mit Union Jacks geschmückt, dazu gibt es in den kommenden Tagen Militärparaden, Feiern, Leuchtfeuer, Konzerte sowie Straßen- und Gartenfeiern. In der Schule erzählt Delilah, dass sie ihre Freundinnen zu einer Jubilee-Übernachtung eingeladen hat, weil da, wo sie wohnt, ein tolles Straßenfest stattfinden soll.
Man könnte meinen, dass dieses Land dem Bann der Queen und Royals weiterhin und vollkommen verfallen zu sein scheint. Laut einer Meinungsumfrage stehen allerdings bloß 60 Prozent aller Brit:innen solide hinter der Monarchie. Was ist das für eine Königin, diese Queen? Fühlen sich die Kinder durch die Queen vertreten?
Nein, sie symbolisiert höchstens das Land als Ganzes, weiß die Gruppe. Was Livia besonders interessiert, ist, dass sie gehört hat, dass die heutige Königin nicht mehr so viel Macht hätte wie ihre Vorfahren. Lorenzo bestätigt das: „Ja früher, da haben Könige im Zeitalter der Entdeckungsreisen Schiffe kommandiert.“ Auf direkte Frage bestätigen alle im Klassenzimmer, dass der Premierminister mehr zu sagen hat als die Queen, die selber keine politische Meinung äußern dürfe. Aber „die Queen könnte, wenn sie wollte, trotzdem Boris Johnson feuern“, berichtet Lorenzo.
Und wer ist eigentlich Prinz Charles' Frau?
Sind die Queen und die Monarchie denn etwas Gutes? „Ja, weil sie half im Krieg, da war sie Automechanikerin und hat Autos repariert“, meldet sich Rose und fügt hinzu, dass andere Familienmitglieder der königlichen Familie „nicht so viel Gutes tun“.
Während die Gruppe klar Prinz Charles als Thronfolger der Queen identifiziert – das wird eintreten, wissen die Kinder, nach einigen Trauertagen, wo es keine Schule gibt und alle Journalist:innen schwarz tragen müssen –, rätseln sie über seine Frau. Ist das die Herzogin von Wales oder die Herzogin von Cambridge, und wie heißt sie noch mal mit Vornamen?
Schließlich fällt es Ziporah ein: „Camilla, die Herzogin von Cornwall.“ Doch ob Camilla, wenn Prinz Charles König wird, selber auch eine Königin sein wird, sorgt wieder für rege Diskussion.
Und als dann in einer Nebenbemerkung herauskommt, dass die Königin das Oberhaupt des britischen Heeres ist, ist zumindest Lorenzo vollkommen platt. „Was? In ihrem Alter? Hey, ehrlich, sollten das nicht lieber Leute machen, die zum Kämpfen ausgebildet sind?“
Weiterhin ein Thema in vielen Schulfächern: Die Royals
Zoe Baker, Erziehungs- und Fortbildungsleiterin der britischen Bürgerlehrvereinigung (Association for Citizenship Teaching), erklärt, dass das Thema der Royals im Schulunterricht in vielen Fächern vorkommt, etwa Geschichte, Englisch oder Religion. Mögen bei kleineren Kindern noch sinnliche Themen wie Thron oder Kronjuwelen zur Veranschaulichung dienen, sei in der 11. Klasse für die Mittlere Reife detaillierteres Wissen gefragt, etwa die Unterschiede zwischen einer absoluten Monarchie und einer konstitutionellen Monarchie, warum andere Länder Monarchien abgeschafft haben, oder die Bedeutung der britischen Krone im Commonwealth im Zusammenhang mit der Geschichte des Empire und der Entkolonialisierung.
Die meisten wüssten einiges über die Royals, meist aus den Medien, sagt Baker – aber der Unterricht über die Queen sorge immer wieder für Überraschungen. „Viele Kinder sind sich beispielsweise überhaupt nicht bewusst, dass sie Untertanen der Königin sind.“
Sie nennt den Trubel um das Jubiläum als idealen Moment, um mit Kindern über Derartiges zu sprechen. „Für Kinder sind Erklärungen und das Verstehen von Zusammenhängen wichtiger als das Schwenken von Fähnchen“, sagt die Pädagogin. „Es geht darum, die Veränderungen innerhalb der langen Regierungszeit der Queen zu verstehen sowie die vielen verschiedenen Gesetze, die unter ihr entstanden sind, und die Zahl der verschiedenen PremierministerInnen, die ihr dienten.“
In der Schule in Islington findet Peggy aber noch etwas anderes wichtig: „Wegen der Queen haben wir eine Ausrede, eine Party zu feiern.“ Und soll es auch in Zukunft eine Königin geben? Diese Frage beantwortet die Gruppe mit einem eindeutigen Ja. „Wir können ja die Queen nicht einfach aus den Palast jagen“, bemerkt Delilah.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich