Groko-Maßnahmen gegen Rechtsextreme: Ziemlich spät und vage
Das geplante Präventionsprogramm der Bundesregierung ist ein Fortschritt. Doch die langfristige Finanzierung ist noch unklar.
D ie Große Koalition hat sich lange mit viel Inbrunst gegenseitig blockiert. Die Liste der Gesetze in der Warteschlange wurde immer länger. Die SPD will ein Gesetz gegen Ausbeutung in der Fleischindustrie und Unternehmen global für die Arbeitsbedingungen ihrer Lieferanten in Haftung nehmen. Sie will mehr Frauen in Konzernvorständen und Projekte gegen Rechtsextremismus fördern. Die Gesetze liegen teilweise schon lange auf dem Tisch. Aber die Union blockt.
Weil alle gebannt auf die Coronamaßnahmen schauen, ist dieser politische Stillstand kaum aufgefallen. Es ist auch nicht das erste Mal, dass sich zwei Regierungsparteien ein knappes Jahr vor der Bundestagswahl das Schwarze unter den Fingernägeln nicht gönnen. Das wirkt immer kleinkariert. Gerade bei einer Regierung, in der Pragmatismus die sinnstiftende Überschrift ersetzt, verstört diese Unfähigkeit, Kompromisse zu finden.
Der Knoten löst sich gerade, ein bisschen. Die Union hat, eher symbolisch, bei der Frauenquote in Vorständen nachgegeben. Bei den Maßnahmen gegen Rechtsextremismus ist das Bild etwas heller. Geplant ist viel Richtiges. Der Begriff Rasse wird aus dem Grundgesetz verschwinden. Künftig sollen antisemitische und rassistische Hetze und die Erstellung von Feindeslisten strafbar sein.
Auch um Rechtsextremismus im Netz, lange verschlafen, will man sich fortan mehr kümmern und mehr Geld für Prävention lockermachen. Von dem törichten Dogma der Union, dass Rechts- und Linksextremismus gleich schlimm sein sollen, ist in diesem Katalog erfreulicherweise nichts zu spüren. Dass sieben Ministerien an den Maßnahmen beteiligt sind, signalisiert, dass die Regierung Rassismus und Rechtsextremismus nicht als special interest, sondern als Aufgabe für alle begreift. Das ist ein Fortschritt. Die SPD feiert das Ganze schon als Meilenstein.
SPD jubelt zu früh
Also alles bestens? Ein Milliarde Euro klingt nach viel, soll aber für vier Jahre reichen. Und ein zentraler Punkt ist noch immer unklar. Eigentlich soll das Demokratieförderungsgesetz dafür sorgen, dass Projekte endlich verlässlich gefördert werden – und nicht alle paar Jahre wieder vor dem Aus stehen.
Gegen diese Verstetigung hat sich die Union jahrelang gesträubt. Der Jubel der SPD, dass dieses Hindernis endlich beiseitegeräumt ist, kommt etwas zu früh. Denn federführend bei dem Gesetz ist CSU-Innenminister Horst Seehofer. Und der will tun, was die Union so gut kann: bremsen. Das ist nach den Taten des NSU und dem Mord an Walter Lübcke, nach Halle und Hanau, vorsichtig gesagt, keine angemessene Haltung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe