Größter Sportartikelhersteller in China: Mit Patriotismus zur Weltmarke
Einst galt Anta Sports als uncool. Nun aber profitiert der Ausstatter des IOC und des chinesischen Teams von Chinas Boykott westlicher Konkurrenten.
Gegründet wurde Anta Sport Anfang der 1990er Jahre an der Südostküste der Provinz Fujian, quasi direkt gegenüber dem Inselstaat Taiwan. Anta galt lange als Billig-Marke und selbst unter den heimischen Brands nur als zweite Wahl. Wer es sich leisten konnte, trug Adidas und Nike. Und wenn es schon eine chinesische Marke sein musste, dann immerhin Li Ning – jener Sportausrüster, der vom gleichnamigen Ex-Turner und Goldmedaillengewinner der Olympischen Spiele 1984 gegründet wurde.
Die rund 10.000 Läden von Anta Sports waren vor allem in den Provinzstädten angesiedelt, wo sie mit konkurrenzfähigen Preisen lockten. Das Design wirkte jedoch altbacken, die Qualität höchst mittelmäßig und dem Zeitgeist stets ein paar Jahre hinterher. Die Firma schrammte immer halb am Bankrott vorbei.
Doch der Aufstieg von Anta begann in den letzten Jahren und er führte zunächst übers Ausland: Die Chinesen gewannen mehrere NBA-Basketballer als Testimonials, darunter Rajon Ronda und Klay Thompson. Dies sorgte für einen immensen Image-Boost innerhalb der chinesischen Jugend, bei der die Ballsportart überaus beliebt ist.
Sogenannter Baumwollskandal
Das Image der angestaubten Marke Anta hat geradezu eine 180-Grad-Wendung hingelegt, die eng mit den politischen Entwicklungen und dem zunehmenden Nationalismus in der Volksrepublik verknüpft ist. Ein Rückblick: Im letzten Frühjahr sind ein gutes halbes Dutzend westlicher Modefirmen über den sogenannten Baumwollskandal gestolpert. Sowohl Nike, Adidas als auch H&M hatten zuvor als Teil der Schweizer „Better Cotton Initiative“ ihre Baumwoll-Produktion in Xinjiang eingestellt, da sie aufgrund der dortigen Menschenrechtsverletzungen gegen die Uiguren keine vertretbaren Arbeitsbedingungen sicherstellen können. Daraufhin kam es zu Boykottaufrufen unter Chinas Influencern, die von den staatlichen Propaganda-Medien angefeuert wurden. Innerhalb weniger Tage mieden die Chinesen sämtliche Marken, die sie zuvor noch stolz am Leib trugen.
Doch was des einen Leid ist, war des anderen Freud: Keine Marke hat so sehr von dem Skandal profitiert wie Anta Sports. Die Marke positionierte sich umgehend als loyal patriotisch, in dem es stolz proklamierte, weiterhin Baumwolle aus der Region Xinjiang zu beziehen. Zugleich quittierte man die „Better Cotton Initiative“, die sich für fairere Arbeitsbedingungen einsetzt
Die zunehmend nationalistischen Konsumenten Chinas goutierten dies mit fleißigen Einkäufen: Während die Gewinne von Puma, Adidas und Nike in China allesamt im zweistelligen Bereich eingebrochen sind, postulierte Anta im ersten Halbjahr 2021 ein Plus von 56 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Unlängst wurde Anta Sports zum Aushängeschild der Ende der 1990er Jahre geborenen „Generation Z“. „Guochao“ nennt sich das Aufleben der heimischen Marken. Und Anta ist die patriotischste von allen: Auf etlichen ihrer Kleidungsstücke lassen sie die rote China-Flagge prangen. Noch vor wenigen Jahren hätte die Jugend dies als „uncool“ verschmäht, mittlerweile jedoch gilt das Zurschaustellen von Patriotismus als das genaue Gegenteil.
Den bisher größten Coup haben die Chinesen im März letzten Jahres angekündigt: eine Kooperation mit der chinesischstämmigen US-Amerikanerin Eileen Gu, die im „Freestyle Ski“ als vielversprechende Goldanwärterin für die Volksrepublik antreten wird. Die 18-Jährige ist Chinas einziger Wintersport-Superstar. Dass sie Anta trägt, hat dem Unternehmen nicht nur Hunderttausende neue Follower auf sozialen Medien gebracht, sondern möglicherweise auch eine Tür in den internationalen Markt beschert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken