Griechenlands Ministerpräsident bei Putin: Kein Geld, aber warme Worte
Bei Tsipras' Moskau-Besuch betonen beide Seiten die Gemeinsamkeiten. Politische und wirtschaftliche Folgen bleiben unkonkret.
MOSKAU taz | Bevor es am Mittwoch zu Präsident Wladimir Putin ging, legte der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras am Mahnmal des unbekannten Soldaten einen Kranz nieder. Die gemeinsame Erinnerung an Nationalsozialismus und Hitlerdeutschland ist eine neues Moment, das die Beziehungen zwischen Athen und Moskau zusätzlich stärken helfen soll.
Wladimir Putin empfing den griechischen Gast in glänzender Laune. Mit von der Partie war in der ersten Gesprächsrunde nur noch Russlands Außenminister Sergei Lawrow. Der Besuch des griechischen Regierungschefs erfolge im richtigen Moment, meinte Putin: Das Osterfest der orthodoxen Christen stehe an diesem Wochenende bevor, das Russen und Griechen schließlich durch gemeinsame „geistige Wurzeln“ verbände.
Nicht ganz klar war, ob der Kremlchef mit dem passenden Zeitpunkt nicht noch auf etwas anderes abhob: den Vorabend der Rückzahlung einer griechischen Tranche an den Internationalen Währungsfonds. Letztlich klopft Griechenland in Moskau an, um wirtschaftliche Erleichterungen zu erhalten.
In der anschließenden Pressekonferenz, die sich um mehr als eine Stunde verzögerte, wurden die sensiblen Themen Finanzhilfe und Teilaufhebung des russischen Embargos gegen Importe aus Griechenland nicht direkt angesprochen. Da von der griechischen Seite die Frage nach Krediten nicht gestellt wurde, werden auch keine Gelder fließen. Etwas anderes seien russische Investitionen in gemeinsamen Projekten. In deren Rahmen, hieß es, könne eine Kreditierung vorgenommen werden. Das sei aber an gemeinsame Projekte gebunden.
Es handele sich nicht um Hilfen, sondern Kooperationen, meinte Putin, und eigentlich müssten doch auch die Europäer daran interessiert sein, dass die Griechen ihre Schulden zurückzahlen könnten. Welche Vorhaben die Kooperation umfasst, ließ der Kremlchef offen. Im Vorfeld war von russischen Beteiligungen am Hafen von Thessaloniki die Rede gewesen. Interesse hatte Russland auch an der griechischen Gasgesellschaft Depa angemeldet.
„Keine Kolonie“
Alexis Tsipras betonte, dass Griechenland seine Verpflichtungen gegenüber der EU erfülle. Als souveräner Staat habe es aber das Recht, auch eine eigene Außenpolitik zu verfolgen. „Wir sind keine Kolonie, sondern nur ein Staat mit finanziellen Problemen“, sagte er.
Zuvor hatte sich schon der russische Außenminister Sergei Lawrow über die vermeintlich antirussische Front beklagt: „Immer mehr Länder werden sich bewusst, wie kontraproduktiv die Sanktionen gegen Russland sind“, meinte Lawrow. Am Donnerstag soll Tsipras mit dem russischen Regierungschef Dmitri Medwedjew die mögliche Aufhebung des russischen Lebensmittelembargos erörtern.
Beide Seiten unterzeichneten einen gemeinsamen Aktionsplan für 2015 und 2016. Beide werden 2016 in ihren Ländern ein Jahr des jeweiligen Partners abhalten. Darüber hinaus sei auch noch über den Bau der Gaspipeline Turkish Stream gesprochen worden, der eigentlich auf Eis liegt. Griechenland erhielte damit die Möglichkeit, in Europa die Rolle eines Energieverteilers zu übernehmen, was zusätzliche Arbeitsplätze schaffen würde, meinte Putin.
Für Tsipras kam das Treffen mit Wladimir Putin einem „Neustart in den Beziehungen zwischen beiden Ländern“ gleich. Auf den ersten Blick hat der griechische Ministerpräsident zumindest die griechischen Wähler durch entschiedenes Auftreten in Moskau beruhigen können.
Die EU hat aber nach diesem Auftritt keinen Grund, beunruhigt zu sein. Denn rundum zufrieden schien Wladimir Putin am Ende nicht gewesen zu sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren