piwik no script img

Griechenlandberichterstattung der „Bild“Nationalistisch und einseitig

Die „Bild“-Zeitung hetzt seit Jahren gegen Griechenland. Da hilft auch die neue Charme-Offensive nichts.

Ausschnitt der Titelseite der „Bild“-Zeitung am Montag. Tabelle: Titelseite „Bild“-Zeitung

Kai Diekmann war vor drei Wochen mit zwei Kollegen in Griechenland, um rauszukriegen, wie Athen „tickt". Der Chefredakteur der Bild-Zeitung hat Journalisten und Politiker getroffen und euphorisch getwittert. Bei Youtube kann man ein kurzes Videotagebuch seiner Reise sehen: Diekmann wird im Auto durch Athen gefahren und sagt: „Ich finde es immer ganz gut, sich vor Ort ein Bild zu machen, gerade wenn man so massiv und so laut in eine Debatte eingreift, wie wir das tun.“

Nach fünf Jahren Griechenhetze erklärt Diekmann das Thema zur Chefsache – und startete pünktlich zum Berlin-Besuch des griechischen Premierministers Alexis Tsipras am Montag eine Charmeoffensive: „50 Gründe, warum uns die Griechen lieb und teuer sind“, titelte das Boulevardblatt und spiegelte das Ganze auf dem unteren Teil der Seite auf Griechisch. Unter den 50 Gründen waren dann griechischer Joghurt (mit zehn Prozent Fett), Ouzo und „Asterix in Athen“.

Am Dienstag berichtet die Zeitung auffallend nüchtern über den Tsipras-Besuch. „Blazer trifft Lässig-Sakko, Madame Pünktlich trifft Mr. Cool!“, steht im Aufmacherstück auf der Politikseite. Madame Pünktlich ist Angela Merkel, Mr. Cool der griechische Premier. Darunter dann die Analyse: „Zu oft schon hat die neue Regierung in Athen getrickst und geschlampt. Gedroht und beschwichtigt, ohne Reformen umzusetzen.“ Diese Sprache ist längst Normalität geworden in der Griechenland-Berichterstattung der Bild.

Für keine Schlagzeile zu schade

Seit Beginn der Griechenlandkrise war sich die Zeitung für kaum eine Überschrift zu schade. „Warum zahlen wir den Griechen ihre Luxus-Renten?“, „So gut haben es Rentner in Griechenland“, „Verkauft doch eure Inseln, ihr Pleite-Griechen... und die Akropolis gleich mit!“ Der Bildblog hat sie alle aufgelistet. Der Unterton ist immer der gleiche: Wir, die hart arbeitenden, sparenden Deutschen blasen unser Geld für die verschwenderischen, raffgierigen Griechen in den Wind.

Schon 2010 haben die Medienwissenschaftler Hans-Jürgen Arlt und Wolfgang Storz die Griechenlandberichterstattung der Bild untersucht. Ihr Fazit: Bild ignoriere die Zusammenhänge, lasse die wichtigen inhaltlichen Aspekte systematisch im Vagen und beziehe nur die Perspektive der deutschen Steuerzahler. Es fehle an Differenzierung, Einordnung und Hintergrund.

Das zeigt sich am deutlichsten in der Sprache. Die „Pleite-Griechen“ ist in der Bild mittlerweile so etwas wie ein Schlachtruf geworden. Statt von einer Staatspleite zu schreiben, macht die Bild ein ganzes Volk verantwortlich. Der griechische Finanzminister Varoufakis ist „Griechenlands Radikalo-Naked-Bike-Rider“, der „Radikalo Grieche“ oder der „Griechen Raffke“. Nach der Jauch-Sendung in der vergangenen Woche war er der „Lügen-Grieche“ und „Mister Stinkefinger“.

Nationalistische Argumente

Nun steht die Bild-Zeitung mit ihrer einseitigen Griechenland-Berichterstattung nicht allein da. Der Spiegel nannte Tsipras nach seiner Wahl im Januar einen „Geisterfahrer“, für die Frankfurter Allgemeine Zeitung sind Griechenlands Regierende „Halbstarke“. Dahinter stehen oft nationalistische Argumentationen und unfaire Vorverurteilungen. An die Hetze der Bild-Zeitung kommen sie aber nicht heran.

Die Bild-Zeitung fährt regelrechte Kampagnen gegen Griechenland. Als die Abgeordneten des Bundestags vor knapp vier Wochen über die Verlängerung der Finanzhilfen abstimmten, startete Bild eine Selfie-Aktion. Leser und Leserinnen sollten sich mit der Titelseite „Nein! Keine weiteren Milliarden für gierige Griechen“ fotografieren. Diekmann meldete Rekord-Teilnehmerzahlen, der Deutsche Journalistenverbund kritisierte die Aktion.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Das Springer-Schwesterblatt WELT macht natürlich mit und vermeldet fröhlich Falschmeldungen:

    http://www.bildblog.de/63487/auf-7992-milliarden-mehr-oder-weniger-kommt-es-bei-griechenland-auch-nicht-mehr-an/

     

    Das dumme ist, dass die Medien in Wettkampf um Nachrichten dann auch die Falschmeldungen und Hetz-Artikel von BILD und WELT sofort übernehmen, weil sie immer panische Angst haben, sie würden eine Meldung verpassen. Das hat dann dazu geführt, dass die Falschmeldung von der WELT von allen übernommen wurde. Sogar unser lokaler Radiosender hat sich erblödet, die falsche Zahl sofort in die halbstündlichen Nachrichten zu übernehmen (ist ja immer toll, gegen die Griechen zu hetzen). Eine Aufklärung, dass die Angaben der WELT falsch waren wurde übrigens nie gesendet! - Heißt also: Alle Radiohörer glauben bis heute, die Meldung wäre wahr und die Griechen zu faul und zu blöd, 800 Milliarden einzusammeln.

  • Die BILD ist ein rechtspopulistisches Blatt mit einer eindeutigen Agenda. Sie ersetzt damit die in unserem Land kaum wahrnehmbaren rechtspopulistischen Parteien.

     

    Im hier schon zitierten BILDblog findet sich ein lesenswertes Interview: http://www.bildblog.de/63377/die-von-der-bild-sind-ja-nicht-doof-aber-eben-schlechte-menschen/

  • Die 'BLÖD' hat immer die gleiche Strategie verfolgt. Daran ändert der wechselnde Bartwuchs eines Diekmann nichts. Missliebige, seien es Länder, Bevölkerungsgruppen oder Minderheiten werden zum Abschuss freigegeben. Damit werden Ressentiments bedient. Gleichzeitig versucht das Blatt, das seit Jahren mit Leserschwund kämpft, durch Skandalisierung die Auflage zu steigern. Und dabei ist den Redakteuren fast jedes Mittel recht. Auch hat man immer versucht, Einfluss auf Regierungen auszuüben. Dieses Ziel verfolgt der Verlag, seit Axel-Springer Anfang der 60er das Bilderblatt gründete. Dumm sind diejenigen, die als Linke, Grüne oder Feministin für die BLÖD schreiben. Sie sind nur ein billiges Alibi für die alltägliche Hetze.

  • der Journalismus ist dafür da, dass Missverhältnisse aufgezeigt werden.

    Wenn in Griechenland mit ein halb so hohen BIP wie in Deutschland, Pensionen im Schnitt höher sind, dann kann man sich wohl zurecht fragen, ob dieses Land nicht auf Kosten der EU-Bürger einrichten und leben will. Es gibt von dieser populistischen Regierung ,außer verbale Untergriffe, keinerlei Ansätze

    für tragbare Reformen.

  • Es ist ein Wunder, daß die BILD-Zeitung den griechischen Ministerpräsidenten nicht mit seinem Grinsen und eingescannten Dracula-Zähnen auf dem Titelblatt postet.

  • Dieses Alptraumblatt hätte von mir noch den ersten Cent zu bekommen.

     

    Aus völliger Abneigung heraus formuliert:

    Allein die Schlagzeilen und Teaser, die man aktuell bezüglich der Griechenland-Hetze dieses Blattes aus anderen Medien erfährt, sind gelinde gesagt unerträglich.

     

    Das sich sowas tatsächlich auch nur ein einziger Mensch (überhaupt noch) zur Lektüre kauft ist schon traurig genug.

     

    Man muss schon ein ziemlich charakterloser Geselle sein, um - wie "Bild"-Chefrektum Diekmann - auch nur eine Woche lang ein derart grauenvolles Demagogie-Konstrukt moralisch zu verantworten zu können.

  • Die Kampagne findet nicht nur in der BILD statt, sondern auch in der WELT.

    Springer konnte auf dem Rücken der Griechen ein paar Jahre lang das brachliegende deutsche Herrenmenschen-Gen triggern. Selbstverständlich haben die sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen.

  • Die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF sind keinen Deut besser. Das submentale Niveau ist dasselbe - nur die Verpackung ist respektabler. Herr Schäuble darf fast immer das letzte Wort behalten - wenn nicht er, dann Kauder etc. Siehe auch "NZZ wirft Jauch "übelsten Kampagnenjournalismus" vor, www.heise.de/tp/artikel/44/44468/1.html

  • Warum nehmen Sie dieses populistische Käseblatt überhaupt noch ernst?!

    Die BILD gehört boykottiert und ignoriert!

    • @Michael Koch:

      Weil die Realität nun mal leider so aussieht, dass die Bild die auflagenstärkste Deutsche Tageszeitung ist und von weiten Teilen der Bevölkerung nicht boykottiert wird.

       

      Bild ist leider eins der Probleme die nicht weggehen, wenn man sie ignoriert.