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Griechenland und die Flüchtlinge„Keine Lösung ohne die Türkei“

Nach dem EU-Sondergipfel vom Sonntag verwahrt sich Athen gegen den Vorwurf, es tue zu wenig in der Flüchtlingskrise.

Nicht einer Meinung: Merkel und Tsipras am Sonntag auf dem EU-Sondergipfel in Brüssel. Foto: reuters

Athen taz | Athen meldet schon wieder Rekordzahlen: Allein in den vergangenen fünf Tagen seien knapp 50.000 Menschen über die Türkei nach Griechenland gekommen, so viele wie nie zuvor, erklärte die Internationale Organisation für Migration (IOM) am Montag. Vermutliche Gründe: der aufflammende Kampf um die Stadt Aleppo in Syrien und der gefürchtete Herbsteinbruch im Norden der Ägäis.

Aus griechischer Sicht gibt es noch einen Grund: dass die Türkei sich weigert, ihr „Rücknahmeabkommen“ mit der Europäischen Union umzusetzen. Im Dezember 2013 hatte der damalige Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğandiesen Vertrag mit Brüssel unterzeichnet und dadurch die Verpflichtung übernommen, alle Flüchtlinge wieder aufzunehmen, die über türkisches Territorium in die EU gelangen.

Von einem „Meilenstein“ war damals die Rede. Im Gegenzug stellte die EU-Kommission Gespräche über eine Lockerung der Visumspflicht für türkische Staatsangehörige in Aussicht. Da diese Gespräche noch keine Ergebnisse gebracht haben, weigert sich die Türkei, ihre Verpflichtungen von 2013 zu erfüllen. Hinter vorgehaltener Hand heißt es oft in Athen, Ankara benutze die Flüchtlinge als Druckmittel in Richtung Brüssel.

Nicht zuletzt deshalb erinnerte Regierungschef Alexis Tsipras beim jüngsten EU-Treffen zur Flüchtlingskrise an die übliche Floskel, es gebe „keine Lösung ohne die Türkei“. Das heißt jedoch nicht, dass der Linkspremier irgendeiner Lösung unter Berücksichtigung der Türkei zustimmt.

Insbesondere der Vorschlag, die griechische Küstenwache sollte gemeinsam mit der türkischen in der Ägäis patrouillieren, stößt in Athen auf keine Gegenliebe. Offen zeigt man sich dagegen für den Einsatz einer europäischen Küstenwache unter Beteiligung der EU-Grenzschutzagentur Frontex. Unterstützung für das Projekt signalisierte auch Frankreichs Präsident François Hollande bei seinem jüngsten Besuch in Athen.

Juncker mit strenger Miene

Nach dem Treffen zur Flüchtlingskrise am vergangenen Sonntag in Brüssel zeigte sich Tsipras zufrieden, weil es ihm angeblich gelungen sei, „unlogische Ansätze“ zur Krisenbewältigung zurückzuweisen. Das betrifft etwa die Forderung, in Athen ein Lager für bis zu 50.000 Flüchtlinge zu errichten. Allerdings hat sich Griechenland schon längst verpflichtet, im ganzen Land mehrere „Hotspots“ zu eröffnen, in denen ankommende Flüchtlinge identifiziert werden.

Mitte Oktober wurde auf der Insel Lesbos der erste Hotspot auf griechischem Boden eingerichtet, der allerdings noch nicht voll funktionsfähig ist. Bis Ende 2015 sollte Griechenland in der Lage sein, 30.000 Flüchtlinge in Hotspots unterzubringen, mahnte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker nochmals mit strenger Miene am Sonntagabend.

Für griechische Medien war das Ergebnis des EU-Treffens zur Flüchtlingskrise ohnehin programmiert: Deutschland habe (wieder einmal) seine Position durchgesetzt, berichtete der führende Athener TV-Sender Mega. Die Äußerung des kroatischen Ministerpräsidenten Zoran Milanović, es sei unverständlich, dass Griechenland und die Türkei ihre Grenze nicht besser kontrollierten, kommentierte der Sender mit den Worten: Manche Länder verstehen nicht, was los ist in der Ägäis. Oder sie tun einfach so, als würden sie es nicht verstehen.

Noch drastischer fällt die Kritik am nationalkonservativen ungarischen Premier Viktor Orbán aus, der auf EU-Gipfeln immer wieder behauptet, Griechenland sei nicht in der Lage, seine Grenzen zu sichern und zu verteidigen. Von „Provokationen“ aus Budapest berichten die griechischen Medien – und fragen: Will uns Orbán im Ernst vorschlagen, dass wir auf Flüchtlinge schießen?

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3 Kommentare

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  • Eins muss man Orban lassen, er spricht Klartext: Die Griechen sollen ihre Grenze "Verteidigen". Genau, Boote abdrängen, zurück an dir türkische Küste schleppen - da nimmt man 'Kolateralschäden' nicht krumm - sprich Ertrunkene Männer, Frauen und Kinder. Und Erschossen wird auch, Beispiel bulgarische Grenze. Bei uns übt man sich noch in verbaler Zurückhaltung. Hier wettern Politiker gegen den Bruch von EU-Verträgen durch EU-Staaten. Gemeint ist Dublin II, da wurden diese Länder erpresst, Flüchtlinge bei sich wegzusperren. Die Lebensbedingungen waren uns satten Nordeuropäern lange egal. Aber irgendwann wollten Griechen, Italiener und Malteser nicht mehr die Drecksarbeit für uns erledigen und ließen die Flüchtlinge ziehen. So einfach ist das mit 'gültigen Verträgen' - andere nennen es Erpressung und das kennen vor allem die Griechen zur genüge.

    • @Philippe Ressing:

      Nun ja, Orban spricht exakt das aus, was schon seit Tagen auch die deutsche Regierung durchsetzen möchte - nur soll dies möglichst keiner merken. Deshalb werden die Schritte in diese Richtung mit dem Abbrennen von jeder Menge Nebelkerzen verschleiert. Im Kern geht es für Merkel & Co. darum, den Flüchtlingsstrom mit allen Mitteln zu stoppen und sich gleichzeitig weiterhin als die "flüchtlingsfreundlichste" Regierung der Welt dazustellen.

  • Alle die Griechenland kritisieren haben wohl vergessen, dass sich Schäuble diesen Sommer das letzte griechische Hemd unter den Nagel gerissen hat......