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Greta Thunberg kommerziell ausgenutztAktivistin als Werbefigur

Ein schwedischer Geschäftsmann wirbt Investoren mit dem Namen von Greta Thunberg. Sie selbst oder ihre Familie wurden wohl nicht gefragt.

Nicht vergessen: Greta Thunberg hat vor allem eine Botschaft – „Rettet das Klima!“ Foto: dpa

Stockholm taz | Klimaaktivistin Greta Thunberg bringt Geld ein: Ein schwedischer Geschäftsmann, der für sich in Anspruch nimmt, sie „entdeckt“ zu haben, zog mit ihrem Namen Investoren für ein Startup an. Umgerechnet rund eine Million Euro an neuem Aktienkapital kamen zusammen. „Wir haben nichts davon gewusst“, betonen Greta Thunbergs Eltern.

Wie mit dem Namen der 16-jährigen Schwedin offenbar erfolgreich Geschäfte gemacht werden, enthüllt die Stockholmer Tageszeitung Svenska Dagbladet in ihrer Sonntagsausgabe.

„Das weltweit größte soziale Netzwerk für Klimaaktion“ zu schaffen ist die Ambition von Ingmar Rentzhog. Im September 2017 hatte er die Aktiengesellschaft „We don’t have time“ gegründet. Auf seinem Linkedin-Account formuliert Rentzhog das Ziel, eine Plattform aufzubauen „auf der sich Millionen von Mitgliedern zusammentun, um Druck auf Leader, Politiker und Unternehmen auszuüben, um für das Klima zu agieren“. Gegenüber einer Finanzzeitschrift entwickelte er die Vision eines Netzwerks mit 100 Millionen Usern, das Ganze finanziert durch Anzeigen „klimafreundlicher Unternehmen, die bewusste Kunden ansprechen wollen“.

Rentzhog, der 2004 ein Finanzmarkt-Kommunikationsbüro gegründet und jahrelang geleitet hatte, ist Mitglied des „Climate Reality“-Projekts des ehemaligen US-Vizepräsidenten Al Gore und Vorstandsmitglied eines schwedischen Think Tank für „nachhaltige Entwicklung“. Im vergangenen Jahr wurde er von einer schwedischen Umweltzeitschrift zum „Umweltbeeinflusser des Jahres“ ernannt.

Beispiel für Erfolg und Durchschlagskraft

Kurz nachdem Greta Thunberg am Morgen des 20. August 2018 vor dem schwedischen Reichstag mit ihrem Pappschild „Schulstreik für das Klima“ Platz genommen und erstmals ihren freitäglichen Klimastreik begonnen hatte, war Rentzhog in Begleitung eines Fotografen dort aufgetaucht, hatte Bilder und ein Video aufgenommen und kurz darauf auf seiner Facebook- und Instagram-Seite veröffentlicht. Ein Video mit englischsprachigem Text stellte er am gleichen Tag auf dem Youtube-Kanal von „We don’t have time“ ein. Er habe zufällig von dieser Aktion erfahren, betont er – und dann auch Medien darüber unterrichtet.

Auf die Frage von Svenska Dagbladet, ob er der Meinung sei, Thunberg entdeckt zu haben, antwortet Rentzhog: „Ja, so war es. Ich habe dann guten Kontakt mit Greta und ihrer Familie bekommen. Ich habe Greta dann auch mit einer Menge geholfen und dazu auch mein Kontaktnetzwerk verwendet.“

Am 24. November teilte „We don’t have time“ mit, dass Thunberg nun einen Platz als Ratgeberin im Vorstand der Stiftung eingenommen habe, die die Marke der gleichnamigen Aktiengesellschaft entwickeln solle. Drei Tage später präsentierte diese AG einen 120-seitigen Prospekt mit dem Ziel, Investoren zu finden, die neues Aktienkapital zeichnen sollten. Die Social Media-Plattform solle am 22. April lanciert werden. Das Ziel des Unternehmens sei es binnen drei Jahren profitabel zu werden.

In diesem Prospekt taucht elfmal der Name Greta Thunberg auf – als Beispiel für Erfolg und Durchschlagskraft der Firma. Beispielsweise heißt es: „Das Unternehmen trug zu einer erfolgreichen Kampagne zur Steigerung des Klimabewusstseins bei, indem es in seinen eigenen Social-Media-Kanälen den Schulstreik der Klimaaktivistin Greta Thunberg einem internationalen Publikum vorstellte.“

Warum man das getan habe? „Wir sind eine Plattform mit großer globaler Reichweite und wir haben Greta geholfen, mit ihrer Botschaft gehört zu werden. Das zeigt, dass wir Reichweite haben – und in die haben die Leute wohl investiert. Das ist nichts, worüber wir uns schämen müssen.“ Und wussten Greta und ihre Eltern davon? In diesen konkreten Prozess selbst seien die Eltern nicht eingebunden gewesen, sagt Rentzhog: „Sie haben es aber gesehen, nachdem der Prospekt öffentlich wurde. Sie hatten es nicht kommentiert.“

„Marionette“ in der Hand einer PR-Maschinerie

Thunbergs Eltern betonen im Gegensatz dazu, nichts von der Aktion gewusst zu haben. Rentzhog habe sie nicht darüber informiert, dass der Name ihrer Tochter in einem Prospekt über finanzielle Investitionen auftauche. Sie hätten diesen Prospekt auch nie gesehen. So wie sie es verstanden hätten, sei „We don’t have time“ eine ideelle Stiftung, die zwar auch einen kommerziellen Ableger habe, mit dem Greta aber überhaupt nichts zu tun haben sollte.

Svante Thunberg, Gretas Vater betont gegenüber Svenska Dagbladet, man sei sich der Kritik bewusst, die behaupte, Greta sei nur eine Marionette in der Hand einer PR-Maschinerie. Gerade deshalb sei es „unglücklich, wenn sie da kommerziell ausgenutzt wurde“: „Aber sie wusste nichts davon. Niemand von uns wusste davon. Niemand steht hinter Greta als Greta selbst.“

Anfang vergangener Woche teilte „We don’t have time“ in einer Pressemeldung (.pdf-Download) mit, dass Greta Thunberg ihren Platz als Ratgeberin des Stiftungsvorstands verlassen habe. Die Begründung: Sie sei nun „eine der gefragtesten Menschen auf der Welt geworden“ und habe für diese Tätigkeit „keine Zeit mehr“. Sie glaube aber weiterhin an „We Don’t Have Time“ und „We Don’t Have Time“ werde sie auch in Zukunft unterstützen. Vater Thunberg kommentiert: „Sie hat keine Verbindung mehr dazu. Sie will nicht mit irgendeiner Organisation in Verbindung gebracht werden. Ob ideell oder nicht. Sie will ganz frei sein.“

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10 Kommentare

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  • Bloß Eines könne diejenigen sich jetzt vollmundig über den phösen Kapitalisten Ingmar Rentzhog moralisch Empörenden nicht erklären, nämlich wie eine CO2-Reduktion jemals international gegen all die ihrerseits gut organisierten wirtschaftlichen und politischen Einzelinteressen der Konzerne, Länder, Investoren und Arbeitnehmer durchgesetzt werden soll, ohne selbst ein einflußreiches internationales soziales Netzwerk zu organisieren mit ähnlichem Einfluß in der Liga von Facebook oder Twitter, welches dann natürliches ebenfalls innerhalb der kapitalistischen Strukturen als gewinnorientiertes Unternehmen organisiert sein muß. Vielen ist offenbar wichtiger, dem medialen Kitsch-Bild der reinen Kinderaktivistin nachzuhängen als daß mittels eines sozialen Netzwerkes effektiver Druck aufgebaut werden kann damit sich in bei den Emissionen der realen industriellen Produktionsabläufen etwas verändert.

  • & Däh - wie passend - Zisch -



    Mailtütenfrisch -

    “Wieviel Prozent der Primärenergie werden mittlerweile für Internet



    und "Soziale Netzwerke" verbraucht?







    Ökonomie und Ökologie versöhnen



    und über Strompreise stöhnen...







    Ich wiederhol mal mein Gedicht,



    dass bei übermäßigem Verzicht



    die Weltwirtschaft zusammenbricht.







    Wer wenig isst, verliert Gewicht



    und andre Menschen hungern nicht.



    Klappt Umverteilung oder nicht?







    Greta is greater“

    Yes.

  • Seltsame Zeiten in denen Memes so viel wichtiger sind als bereits lange bekannte Argumente. Das hat etwas völlig zufälliges (oder völlig gesteuertes) in der Aufmerksamkeitsökonomie. Allemal aber nichts rationales.

    Nichts was Greta sagt ist neu, und es ist auch nicht so, dass sie einen genialen Masterplan zur Umsetzung ihrer Ideen hat, geschweige den dass man den Eindruck hat, dass sie die Konsequenzen ihrer Maximalforderung wirklich übersehen kann.

    Sie ist ein Teenager, der die Welt retten will. Ein Merkmal der Jugend ist es nicht zu Kompromissen zu neigen und radikales zu fordern - man ist halt neu im Spiel. Ist ja nicht so, dass es das nicht öfters zu diversen Themen gibt, sie hat halt nun das selbst amplifizierende Spotlight des „Netzaktivismus“ erhalten und es ist das Problem aller Galionsfiguren, dass sie von Kadern aller couleur ausgenutzt werden, die an ihrer Bekanntheit saugen wie Vampire das Blut ihrer Opfer.

    Das geht ein paar Tage, dann zieht die Internet-Karawane weiter zum nächsten Aufreger oder zum nächsten Meme und Greta kann wieder Freitags am Unterricht teilnehmen.

    Denn die Aufmerksamkeitsspanne der Netzfans und -Kritiker ist stark begrenzt. Es passt immer nur ein Thema seriell hinein, dass dann die ganze Aufmerksamkeit fesselt. Der nächste Aufreger verdrängt den letzten, komplett. Wie bei einem Goldfisch.

    Das macht das ganze Meme-Business in der Makroperspektive eher unpolitisch und wenig nachhaltig, aber einen Sieger gibt es immer: Die Medien, die Aufmerksamkeit im Kapitalismus in ökonomischen Gewinn umwandeln. Meme-wechsel sind auch für sie notwendig um ständig Umsatz zu generieren.

  • Ein sehr guter und wichtiger Artikel zu der Schülerin Greta Thunberg von Reinhard Wolff, danke dafür.

    Ich hoffe dass sich das endlich einmal alle Anhänger der eigennützigen politischen Geschwätzigkeit hinter die Ohren schreiben, "Sie will nicht mit irgendeiner Organisation in Verbindung gebracht werden, ob ideelle oder nicht. Sie will ganz frei sein".

    Die selbsternannten Gurus der Umwelt-, Sozial-, Arbeit-, Kultur- und Bildungspolitik entpuppen sich allzu oft als schnöde Rosinenpicker des der eigennützigen sozialen und politischen Eitelkeit dienenden perfiden Schmutzfinkentum. Sie gab es zu allen Zeiten und sie verseuchen bis heute unsere Parlamente und behindern unsere demokratischen Weiterentwicklungen zu einer auf das Gemeinwohl bezogenen Denk- und Handlungsweise, sonst wäre unsere Welt eine andere und die unerträglichen Heucheleien um Greta Thunberg hätten erst gar nicht stattgefunden.

    Dabei dürfte es eigentlich für alle Eltern kein Problem sein, die Welt mit den Augen der Kinder zu sehen und in ihrem Interesse für die Zukunft auch dem entsprechend so zu handeln.

    Wenn wir also die Sternenkinder nicht im Regen stehen lassen wollen, sollten wir uns mit den Freitagsstreiks der Schülerinnen solidarisieren und Freitagsstreiks der Eltern organisieren und wenn das immer noch nichts in den Tempeln der Unbelehrbaren und Uneinsichtigen bewegt, müssen wir eben Freitags-Generalstreiks organisieren, solange bis das Jahrzehnte lange gegen die Wand beten und reden ein Ende hat.

    Wenn wir also wirklich und wahrhaftig alles politisch und Menschen mögliche für die Zukunft unserer Kinder tun wollen, sollten wir sofort damit beginnen, die Welt mit den Augen der Kinder zu sehen.

    Wir haben als Erwachsene wirklich allen Grund uns für unser kollektives eigensüchtiges rücksichtsloses den Planeten zerstörendes Verhalten vor den Augen der Kinder unseres Planeten in Grund und Boden zu schämen und Abbitte vor dem Leben der Schöpfung zu leisten deren Leben wir vorsätzlich zerstören.

  • Auch der kampf gegen das böse braucht kapital.



    Der zweck heiligt doch wohl dieses mittel.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Demokrat:

      Nö.

      • @76530 (Profil gelöscht):

        Ohne kapital kommt frau aber nicht nach bali, warschau oder sonstwo.

    • @Demokrat:

      Tut er nicht.

  • Gut, wenn jetzt auch die Jugendlichen der Schulstreik-Bewegung erkennen, dass sie im Kapitalismus leben.

  • Was für ein Idiot. Gut gemeint (im Sinne des Ziels) ist nicht gut gemacht - dabei hätte er bei korrektem Umgang durchaus beiden Anliegen nutzen können.



    Vermutlich war ihm klar, dass sich "Klein Greta" nicht für seine Zwecke vor den Karren spannen lässt.