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Grenzstreit zwischen Kosovo und SerbienPrishtina gibt nach

Kosovarische Polizeieinheiten ziehen von zwei Checkpoints wieder ab. Dennoch bleibt die Kontrolle der Serbengebiete im Norden des Kosovo das erklärte Ziel der Regierung.

Wer kontrolliert die Zölle an den serbisch-kosovarischen Grenzübergängen? Bild: reuters

SPLIT taz | Eine Eskalation der Gewalt im Norden des Kosovo könnte erst einmal abgewendet worden sein: Am Montag hatte die albanische Kosovopolizei die bisher von Serben kontrollierten Grenzübergänge Jarinje und Brnjak im Handstreich übernehmen wollen. Die serbische Bevölkerung in diesem kosovarischen Grenzgebiet zu Serbien reagierte mit Blockaden der Straßenverbindungen.

Am Dienstagnachmittag wurde nach Vermittlung durch den Kommandanten der internationalen KFOR-Truppen, Erhard Bühler, die kosovoalbanische Polizeitruppe erst einmal zurückgezogen.

Doch damit ist der Konflikt keineswegs gelöst. Die Nerven zwischen den Regierungen Kosovos und Serbiens und zwischen der albanischen Mehrheitsbevölkerung des Kosovos und der serbischen Minderheit liegen weiter blank. Am Mittwoch vergangener Woche entzündete sich der Konflikt an der Frage der Kontrolle über die Zölle. Die kosovarische Regierung ist empört darüber, dass Serbien die kosovarischen Zollstempel nicht anerkennt. Kosovo kann damit keine Waren nach Serbien exportieren oder Serbien als Transitland nutzen. Im Gegenzug beschloss die Regierung in Prishtina, serbische Waren nicht mehr ins Land zu lassen.

Während dieses Verbot an anderen Grenzübergängen durchgesetzt wurde, lief der Handel über die beiden genannten Übergänge in Nordkosovo wie bisher, es bildeten sich allerdings Lkw-Staus an den Checkpoints, die weiter im Landesinneren durch Albaner kontrolliert werden. Die Grenzübergänge Jarinje und Brnjak verbinden Serbien mit den Serbengebieten im Kosovo.

Schwarze Geschäfte aller Art

Auch nach der Unabhängigkeitserklärung im Februar 2008 war es der europäischen Rechtsstaatsmission Eulex und den anderen internationalen Organisationen nicht gelungen, der Kosovoregierung zu helfen, die Souveränität des Staates an den eigentlichen Staatsgrenzen durchzusetzen. Obwohl auch internationale Polizisten an diesen Grenzposten stationiert sind, änderte sich an der Lage nichts, viele Waren gelangten zollfrei in die Serbengebiete.

Für den neuen Staat gingen somit erhebliche Einnahmen verloren. Und das von Serben kontrollierte Gebiet Nordkosovo wurde zudem zum Platz für schwarze Geschäfte aller Art. Vor allem Benzin- und Zigarettenschmuggel in die Albanergebiete bringen hohe Gewinne.

Dem wollte am Montagabend die Regierung in Prishtina einen Riegel vorschieben, indem sie Spezialpolizisten an die beiden Grenzstationen schickte. Doch die serbisch-dominierten Behörden in der Region reagierten schnell und versuchten mit Lastwagen ihrerseits die Straßen für die albanische Kosovopolizei zu blockieren, was ihr auch an einem der Grenzübergänge gelang.

Die KFOR und die Vertreter anderer internationaler Organisationen bemühten sich gestern, die Wogen zu glätten. Auch wenn die Kosovo-Spezialpolizei wieder von den Grenzen abgezogen wird, so bleibt es doch das Ziel der Kosovoregierung, die Serbengebiete im Norden des Landes zu kontrollieren. Serbien dagegen will von einer Regelung des Waren- und Zollverkehrs nichts wissen.

Auf Druck der EU war es Anfang dieses Jahres endlich gelungen, beide Seiten zu Verhandlungen über Erleichterungen im Waren- und Personenverkehr und andere Fragen zu bewegen. Die jüngsten Ereignisse stellen diese Verhandlungen jedoch wieder in Frage. Politische Analytiker in Prishtina vermuten, Serbien wolle so schnell wie möglich in die EU aufgenommen werden, ohne das Kosovoproblem vorher zu lösen. Der EU-Integrationskommissar Stefan Füle erklärte aber schon am Montag, Serbien müsse jedoch ernsthaft mit Kosovo verhandeln, um den EU-Beitrittskandidatenstatus zu erhalten.

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3 Kommentare

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  • GR
    Gerhard Reiter

    Dem absurden Gebilde des heutigen Kosovo in irgendeiner Form ernsthafte staatsrechtliche und demokratische Bemmühungen, Fähigkeiten und Befugnisse zuzugestehen zeugt von blanker Unkenntnis der historischen Grundlagen des westlichen Balkans und der aktuellen Lage im Kosovo und einer somit der taz unwürdigen Einschätzung des aktuellen Zwischenfalls.

    Ein Blick auf den Bericht des UN-Sonderberichterstatters Dick Marty zeigt deutlich mit welch mafiösen und menschenverachtenden Abschaum von "Politikern" sich unsere westlichen Staatsoberhäupter verbündet haben um eigene Interessen auf dem Balkan zu verfolgen.

    Solche pro-albanische Rhetorik ist man ansonsten in den letzten 20 Jahren eher aus den Kommentaren und Einschätzungen der FAZ gewöhnt. Vielleicht hat sich der Autor da bei der Abgabe seines Artikels an die falsche Zeitung gewandt. "t" und "f" liegen auf der Tastatur so nahe bei einander wie true und false bei den Einschätzungen eines Journalisten der weder Serbien noch das Gebiet des Amselfeldes jemals betreten hat.

  • R
    robby

    Es kann nur einen Grund geben, die Thaci zu diesem brandgefährlichen Abenteuer verleitet hat:

     

    Thaci will von seinen eigenen Problemen ablenken und da insbesondere von dem Ermittlungen wegen des Organhandelverdachts.

     

    Auf diesen Mann wartet Den Haag. Die internatinale Gemeinschaft muss nur den Mut finden durchzugreifen.

  • R
    robby

    Es ist aber auch so, dass der Kosovo die Vorgabe eines multiethnischen Staates nicht umsetzt und die Minderheiten, insbesondere die Serben, auf viele Weisen subtil und mit ständigen Nadelstichen unterdrückt.

    Meine Erfahrung in Mitrovica, wo ich zwei Jahre gearbeitet habe, hat gezeigt, dass sich die Albaner jetzt gegenüber den Serben genauso aufführt, wie dies die Serben in der Vorkriegsphase mit den Albanern gemacht haben.

     

    Der kosovarische Staat nimmt Rache für die jahrzehntelange Unterdrückung. Das ist sowohl der Linie der Kosovarischen Regierung wie auch die Volkesmeinung.