piwik no script img

Grenzen zu Österreich und TschechienFast ganz dicht

An manchen Grenzen führen BundesbeamtInnen Kontrollen durch. Wegen Corona darf nur rein, wer systemrelevant ist oder wegen humanitärer Notfälle reist.

Grenzkontrolle in Kiefersfelden: Wer darf rein, wer nicht? Foto: Matthias Balk/dpa

Kieferfelden taz | Die Polizistin mit der FFP2-Maske über Mund und Nase und der Warnkelle in der Hand beugt sich zu dem Autofahrer. Der hat die Fensterscheibe heruntergelassen. „Servus, wo geht’s hin?“ „Heim nach Ebersberg“, sagt er, das liegt im Münchner Umland. Er sei für nur eine Stunde auf der anderen Seite der Grenze gewesen, in Tirol. Den negativen Coronatest weist er vor – die geforderte Einreiseanmeldung hat er allerdings nicht. Die braucht man aber, auch wenn man von Bayern aus an der Grenzstation Kiefersfelden nur kurz auf die andere Seite gesprungen ist, etwa ins benachbarte Kufstein. Die Beamtin von der Bundespolizei erklärt dem Mann, dass er vorne rechts unter das weiße Zelt fahren soll, dort könne er den Antrag online stellen.

Es gibt wieder Grenzkontrollen in Deutschland, seit Beginn dieser Woche, wegen der Verbreitung des zum Teil mutierten Coronavirus. Und es gibt Einreisesperren mit einigen wenigen Ausnahmen. Überwacht werden die Grenzen zwischen Bayern und dem österreichischen Tirol sowie die Grenzen zu Tschechien. In Tirol ist der Inzidenzwert mit 77 am Dienstag im Vergleich zu anderen österreichischen Bundesländern zwar relativ niedrig. Doch breitet sich dort vor allem die neue, hoch ansteckende südafrikanische Covid-Mutation aus. Tschechien wiederum hatte am Dienstag eine weiterhin enorm hohe Inzidenz von 509. Beide gelten momentan als Virusmutationsgebiete.

Rainer Scharf, Sprecher der Bundespolizei Rosenheim, führt über die Kontrollstelle. „Massive Staus hatten wir bisher nicht“, sagt er. Die zwei Spuren der aus Österreich kommenden Autobahn sind geteilt – die linke für Lkw, die rechte für Pkw. „Die jeweiligen Beamten im Dienst entscheiden, wer kontrolliert wird“, erläutert Scharf. Lastwagen aus Deutschland werden meist durchgewunken. Viele haben die Papiere – den Coronatest und die Einreiseanmeldung in der Hand und halten sie durch die Scheibe hoch. Wie etwa jene Brummi-Fahrerin aus Ungarn, auf deren Lkw groß der Schriftzug „Bestia negra“ prangt – „schwarzes Biest“.

Der Fahrer eines mächtigen Lastwagens aus Litauen hat keine Anmeldung. Stoisch sitzt er auf seinem Platz in der Fahrerkabine. Der Fall kann dauern. Sprecher Scharf macht klar, um was es jetzt geht: „Wir reden nicht darüber, was etwa triftige Gründe sind.“ Nach Deutschland einreisen dürfe nur, wer dort lebt oder wer wegen dringender humanitärer Fälle hinüber müsse, wie die Geburt eines eigenen Kindes. Außerdem der Lkw-Güterverkehr und Leute, die als „systemrelevant“ gelten. Dazu zählen etwa Gesundheitspersonal, KindergartenerzieherInnen oder Beschäftigte, die für die Energieversorgung oder den Verkehr zuständig sind. „Es geht um alle, die für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung benötigt werden“, sagt Scharf.

„Das ist nicht systemrelevant“

Gerade an der Grenze zu Tschechien klagen viele Unternehmen, dass sie ohne tschechisches Personal den Betrieb nicht aufrechterhalten können. Oft wird da rund um die Uhr in Schicht gearbeitet.

Die Organisation der Einreise soll vereinfacht werden. Noch an diesem Montag war geplant, dass die Landratsämter bis Mittwoch in einer Hauruckaktion den Firmen und Beschäftigten offizielle Bescheinigungen darüber ausstellen, ob sie „systemrelevant“ sind oder nicht. Wer diese Bescheinigung und den Test hat, darf über die Grenze nach Deutschland – alle anderen nicht. Die Ausstellung solcher Bescheinigungen ließ sich aber nicht so schnell umsetzen, nun soll es die Papiere ab Freitag geben.

Autos kommen mit Menschen aus Krefeld, aus Italien, aus Polen. Sie haben ihre Papiere dabei. Eine Gruppe von drei Leuten wird trotzdem abgewiesen – sie drei wollten beruflich etwas besorgen, sagen sie. „Das ist nicht systemrelevant“, meint Polizeisprecher Scharf.

Wer die Autobahn gar nicht verlässt und von Kiefersfelden über das sogenannte Deutsche Eck dann auf der A8 weiter zum österreichischen Salzburg möchte, hat hingegen keine Probleme. Man fährt praktisch von Österreich nach Österreich und benutzt dafür eine deutsche Autobahn. Solche FahrerInnen werden durchgelassen.

Nachbarschaftliche Verstimmungen

20 bis 30 PolizistInnen sind in Kiefersfelden immer im Dienst, rund um die Uhr, sieben Tage in der Woche. Das Testzentrum direkt an der Grenzstelle ist eine Baracke, betrieben vom Roten Kreuz. An diesem Tag sind auch erstmals BundeswehrsoldatInnen zur Unterstützung gekommen. D

er jüngste Streit zwischen Österreich und speziell dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) ist hier gerade kein Thema. Doch nachbarschaftliche Verstimmungen kommen immer wieder hoch. Tiroler PolitikerInnen hatten die Grenzkontrollen lautstark kritisiert. Bayern tobt, wenn die Tiroler Seite Lkw nur in Blockabfertigung über die Grenze lassen und somit riesige Staus verursachen, die sich weit ins bayerische Inntal ziehen. Jetzt aber ist die A 93 am Vormittag unter der Woche viel leerer als sonst.

Man könnte meinen, dass sich unter pendelnden AutofahrerInnen die neuen Regeln herumgesprochen hätten. Nicht so bei einer Frau aus Basel in einem schwarzen Range Rover. Sie hat keinen Test und kein Papier, zeigt dafür ihren Pass und Führerschein. Dringend müsse sie nun weiter nach München, ein Geschäftstermin. Doch diskutieren oder genervt aufstöhnen nützt hier nichts. Die BeamtInnen wissen, dass die Frau an diesem Tag wohl kaum mehr nach München kommt. Anders als kürzlich ein Bestattungsunternehmer. Der hatte eine Leiche im Auto, die in Deutschland ihre letzte Ruhe finden sollte. Er durfte passieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!