Grenzänderungen auf dem West-Balkan: Angst vor neuen Konflikten
Diskussionen über einen Gebietsaustausch zwischen Serbien und Kosovo sorgen für Verunsicherung. Solch ein Schritt wäre in russischem Interesse.
Der Intellektuelle Shkelzen Maliqi ist ein ruhiger und überlegter Mann. Doch angesichts der Diskussion über Grenzveränderungen und den Austausch von Territorien zwischen Serbien und Kosovo, blitzt so etwas wie der alte Geist bei ihm auf. Wenn sich die einfachen Menschen fragten, ob es wieder Krieg geben könne, blieben auch Intellektuelle wie er davon nicht unberührt.
„Die ganze Diskussion überrascht uns nicht“, sagt er in einem Café nahe des Regierungsviertels von Pristina. „Wir, die alten Dissidenten in Kosovo und Serbien, haben von dieser Diskussion vor zwei Jahren erfahren.“ Zunächst seien es Gesprächskreise gewesen, dann informelle Gespräche mit Diplomaten beider Seiten und internationalen Diplomaten. Ziel sei es gewesen, Auswege aus der verfahrenen Lage in Serbien und Kosovo zu finden.
Dadurch würden die Konflikte zwischen den beiden Seiten entschärft, Serbien und Kosovo könnten leichter in die EU aufgenommen werden, hofften die Befürworter, sagt Shkelzen. Vor allem Serbien dränge auf die EU-Mitgliedschaft, Kosovo zunächst auf die Abschaffung der Visapflicht und die Aufnahme des Landes in die UNO.
Unerfüllte Hoffnungen
Bisher hat die EU auf die Beibehaltung der Nachkriegsordnung auf dem Westbalkan geachtet. Nach den Kriegen der 90er Jahre wurden die administrativen Grenzen Ex-Jugoslawiens nicht angetastet. Die Hoffnungen serbischer und kroatischer nationalistischer Extremisten auf eine Gründung von Großserbien und Großkroatien erfüllten sich nicht.
Die EU und die USA drängten darauf, multinationale Gesellschaften wie in Montenegro, Mazedonien sowie in Bosnien und Herzegowina zu stabilisieren. Grenzziehungen entlang ethnischer Linien würden auf dem Balkan nur zu Instabilität und neuen Unruhen führen, bekräftigte kürzlich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel.
Der politische Analytiker Albinot Maluko weist auf die internationale Diskussion hin. Seit Monaten würden im Hintergrund Fäden gezogen, die pro-serbische Lobby in Brüssel täte alles, um ihre Position durchzusetzen, betont er. „Das ist ein gefährliches Spiel, und könnte in Montenegro, Mazedonien sowie vor allem in Bosnien und Herzegowina zu Konflikten führen.“
Ein Befürworter einer Grenzveränderung ist der österreichische Diplomat und ehemalige Hohe Repräsentant in Bosnien und Herzegowina, Wolfgang Petritsch. Er soll journalistischen Recherchen zufolge Mitarbeiter einer von einem Russen gegründeten Anwaltskanzlei in Wien sein, das von der serbischen Regierung gesponsert wird. Russland unterstützt die serbischen Ambitionen auf dem Balkan. Grenzänderungen auf dem Balkan wären mit Blick auf die Ukraine in russischem Interesse.
Russlandfreundliche FPÖ
Auch in den USA habe sich unter Präsident Donald Trump eine Positionsänderung ergeben, sagt Shkelzen Maliqi. Die bisher gegen Grenzveränderungen auftretenden Amerikaner seien offenbar umgeschwenkt. „Nach dem Treffen Trump-Putin in Helsinki im Juli sprachen sich auch Amerikaner für diese Linie aus.“ Während Österreich den Vorsitz in der EU hält und die russlandfreundliche FPÖ das Außenministerium stellt, würden offenbar Weichen in Richtung Grenzänderung gestellt.
Österreich hatte vor wenigen Tagen die Präsidenten beider Länder eingeladen. Hashim Thaçi ließ erkennen, dass er sich nicht gegen eine solche Regelung stellen würde. Gleichzeitig kündigte Aleksandar Vučić an, er würde am 8. September die „größte Rede seines Lebens“ halten.
In einem offenen Brief an die Spitzen der EU haben die Ex-Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina, gegen Petritsch und die österreichische Politik Stellung bezogen. Carl Bildt, Paddy Ashdown und Christian Schwarz-Schilling warnten vor einer neuen Grenzziehung in Südosteuropa.
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