piwik no script img

Graffiti für Integration„Das ist daneben, was du da bringst“

Ray de la Cruz bringt Flüchtlingskindern das Sprayen bei, um ihren Zusammenhalt zu stärken. Mit dem Projekt ist er auf viele Vorurteile gestoßen.

Bis die Nachwuchssprayer so kunstvoll sprühen, wird es dauern Foto: dpa
Andrea Maestro
Interview von Andrea Maestro

taz: Herr de la Cruz, warum bringen Sie Flüchtlingskindern das Sprayen bei?

Ray de la Cruz: Die Idee dahinter war, mit ein bisschen Farbe Abwechslung in ihren grauen Alltag zu bringen und das Warten auf den Asylbescheid zu erleichtern. Auch wenn die Kinder noch nicht gut Deutsch sprechen, mit Farbe können sie sich ausdrücken.

Was können die Kinder daraus lernen?

Zusammenarbeit. Hier kommen unterschiedliche Nationalitäten zusammen. Beim Sprühen werden Syrer, Iraner, Iraker, Afghanen und Tunesier eine Einheit.

Bild: Privat
Im Interview: Ray de la Cruz

38, sprayt hauptberuflich, aber nicht für jeden: Einem Thor-Steinar-Laden hat er eine Abfuhr erteilt.

In welchem Rahmen findet die Aktion statt?

Wir sprühen mit Kindern in einer Erstaufnahmeunterkunft in Kirchdorf Süd. Das Rote Kreuz stellt uns Wände zur Verfügung. Ich und Kollegen, die auch Graffiti machen, wollen den Kindern alle zwei Wochen verschiedene Elemente beibringen. Einer zeigt ihnen Buchstaben, ein anderer die Arbeit mit Schablonen. Sie sollen etwas Kreatives zu tun haben und nicht nur im Zelt chillen oder vor dem Bildschirm in der Aula. Sind Sie mit dem Projekt schon einmal auf Vorurteile gestoßen?

Ja, ich habe im Vorfeld viele Nachrichten von Freunden und Bekannten erhalten. Einige haben mich enttäuscht. So nach dem Motto, warum ich Scheinasylanten helfe. Da habe ich gesagt: „Hör zu, das ist daneben, was du da bringst. Es ist reiner Zufall, wo du geboren wurdest.“ Es gibt natürlich auch immer Leute, die fragen, warum man Kindern überhaupt Graffiti beibringt. Die verbinden das aber meistens mit Schmierereien auf der Straße und nicht mit Street-Art.

Was sagen Sie den Kindern über illegales Sprayen?

Das es nicht lohnt. Ich rate meinen Schülern davon ab. Vor 20 Jahren war das ein Kavaliersdelikt, heute wird es als Vandalismus hart verfolgt.

Was für Motive sprühen denn die Kinder?

Sie malen die Motive, die ihnen gerade einfallen. Ich möchte sie nicht beeinflussen. Am Ende kombiniere ich die Teile so, dass es ein Gesamtbild ergibt.

Wie sind Sie zum Sprayen gekommen?

Mein Vater hat mir aus New York eine CD von Grandmaster Flash mitgebracht. Im Booklet waren Graffiti. Das hat mich beeindruckt, weil ich so etwas in Hamburg noch nie gesehen hatte – Buchstaben, die aussehen wie Hubba-Bubba-Blasen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Nichts gegen Fernsehjournalistinnen, die auf der medialen Plattform ihres Arbeitgebers zuwandererfreundliche Kommentare abgeben. Obwohl vermutlich nicht wenige der Zuschauer eben jenes Arbeitgebers "besorgte Bürger" sein dürften, sobald in ihrer Nachbarschaft die Neueröffnung einer Erstaufnahmeeinrichtung droht. Aber das, was Ray de la Cruz angeblich getan hat, kommt meiner Ansicht nach einem echten "Aufstand der Anständigen" dann doch noch etwas näher.

     

    Den Mund aufzumachen, Haltung zu zeigen und Fremdenfeinden entgegentreten, wenn diese Fremdenfeinde bis eben noch "Freunde und Bekannte" waren, auf die man sich im Zweifelsfall verlassen wollte, ist nämlich nicht ganz leicht. Vor allem dann nicht, wenn man nicht beim ZDF Karriere gemacht hat, sondern an der "Basis" der Gesellschaft lebt.

     

    Würden mehr Leute ihren Freunden, Bekannten, Arbeitskollegen oder Familienmitgliedern ins Gesicht sagen: "Hör zu, das ist daneben, was du da bringst. Es ist reiner Zufall, wo du geboren wurdest", bräuchten sich die Massenmedien gar nichts mehr einzubilden auf ihre angebliche Vorbildrolle in Sachen Selbstverständlichkeit. Dann könnten sie die Imagepflege da betreiben, wo sie wirklich wichtig wäre: Beim Programm nämlich.