Graffiti-Festival in Benin: Wo Amazonen und Ufos landen

Der Kunst des Graffiti gelten in afrikanischen Ländern vermehrt Festivals. In Benin laufen die Bilder über 660 Meter einer Hafenmauer.

Ein Maler beugt sich über Eimer, hinter ihm eine blaue Wand mit Figuren und ein Gerüst zum Arbeiten

Diesmal ist genug Farbe da: Arbeit an der Hafenmauer beim Festival Effet Graff in Cotonou, Benin Foto: Katrin Gänsler

COTONOU taz | Das, was typisch für Benin ist, lässt sich auf dem Wandbild von Drusille Fagnibo schon gut erkennen: eine Ananas, Baumwolle, die Statue von König Glèlè – er ist einer der bekanntesten Herrscher des einstigen Königreichs Dahomey gewesen – und ein großes, beladenes Containerschiff. Weiter ausarbeiten wird die 32-jährige Künstlerin noch die Porträts zweier junger Menschen. Damit verbindet sie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ihres Heimatlandes – ein knapp 13 Millionen Ein­woh­ne­r*in­nen zählender Staat in Westafrika. Zu sehen ist die Arbeit künftig mitten in der Wirtschaftsmetropole Cotonou an der 660 Meter langen Hafenmauer.

Die Malereien rechts und links zeigen Raumschiffe, Ufos, Szenen einer völlig digitalisierten Gesellschaft, aber auch Porträts, die an die Amazonen, die Kriegerinnen aus dem Königreich Dahomey, erinnern. Einige sind längst fertig, von anderen lassen sich bisher nur Teile erkennen.

Sie entstehen seit Mitte April im Rahmen der achten Ausgabe des Festivals Effet Graff, an dem 26 Streetart-Künstler*innen aus West- und Nordafrika sowie Europa teilnehmen. „Das neue Benin“ ist sein Motto. Seit 2013 organisiert es der Verein Assart.

Während das Festival in den Anfangsjahren kaum wahrgenommen wurde und die damaligen Graffitis längst verblasst sind, erhielt es im vergangenen Jahr internationale Beachtung. Ge­arbeitet wurde entlang einer 940 Meter langen Mauer, hinter der sich das Gelände der Eisenbahn Benins befindet. Sie erhielt den Namen „Mauer des kulturellen Erbes von Benin“ und gilt als das längste zusammenhängende Graffiti in Afrika.

Zunehmende Anerkennung

In Westafrika ist vor allem Senegals Hauptstadt Dakar für Graffitikunst bekannt, wo mit Festigraff ebenfalls noch bis Ende Mai ein internationales Festival veranstaltet wird. Auch Togo verzeichnet eine wachsende Szene an Graffitikünstler*innen. In Nigerias Megacity Lagos hat die aus Großbritannien stammende Künstlerin Polly Alakija im Jahr 2017 unterhalb der Falomo Bridge ein bekanntes Kunstwerk zum 50-jährigen Bestehen des Bundesstaates Lagos geschaffen.

Tatsächlich werden Graffiti in der Region zunehmend als Kunst und nicht wie früher oft als Vandalismus wahrgenommen. „Es gibt einen Respekt für diese Kunstform“, sagt Jacques-Hermos Gbenahou, Direktor des Festivals. Grund dafür sei auch, dass beispielsweise aus Ghana und Togo Künst­le­r*in­nen stammen, die international bekannt sind und Unterstützung von Firmen erhalten.

Mit der Hafenmauer arbeiten die Teil­neh­me­r*in­nen von Effet Graff mitten in der Stadt an einer überaus prominenten Stelle. Der Hafen erwirtschaftet rund 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und gilt als „Lunge von Cotonou“. Schräg gegenüber liegt der Präsidentenpalast. Die Regierung von Patrice Talon, der seit 2016 Staatschef ist, unterstützt das Festival. Die Stiftung seiner Frau Claudine finanzierte die Arbeitsmittel.

Bei vorherigen Ausgaben sei die Beschaffung der Farbe die größte Herausforderung gewesen, sagt Gbenahou. Künst­le­r*in­nen mussten immer wieder auf Nachschub warten, und ihre Werke konnten anschließend nicht ausreichend gegen die Witterung geschützt werden.

Was sie fühlen und denken

Gerade Straßenkunst gilt oft als politisch und gesellschaftskritisch. In Lateinamerika verpackten bereits ab den 1920er Jahren die sogenannten Mu­ra­lis­t*in­nen ihre Botschaften in Mauerkunst. Aktuell weltbekannt und verehrt ist Banksy, der unter anderem den Umgang mit Flüchtlingen kritisiert. Dass staatliche Unterstützung in Cotonou die Kritikfreudigkeit nimmt, davon geht Léa Awunou Roufaï, Direktorin der Nationalgalerie, nicht aus. „Künstler mogeln nicht.“ Stattdessen würden sie ausdrücken, was sie fühlen und denken.

Zu den Zielen gehört, die Hafenmauer zum Freiluftmuseum zu verwandeln und Kunst allen zugänglich zu machen. Die Neugierde ist tatsächlich groß, und immer wieder bleiben Fuß­gän­ge­r*in­nen stehen. Wer im Hafen arbeitet, kann seit Wochen beobachten, wie sich die riesige weiße Mauer langsam verändert.

Die wenigen Museen, die es bisher in Benin gibt, präsentieren vor allem Artefakte aus der Vergangenheit des Landes, etwa Masken oder Figuren aus Stein und Lehm, die mit der alten Religion Voodoo in Verbindung stehen. Die Nationalgalerie befindet sich noch im Aufbau. Zeitgenössische Kunst wird bisher fast ausschließlich in privat organisierten Ausstellungen gezeigt. Besucht werden diese häufig von Europäer*innen, die im Land leben, und einer kleinen Gruppe von Kunstinteressierten. Obwohl der Eintritt meist kostenlos ist, finden sich keine neuen Zielgruppen.

Kunst als Möglichkeit

„Das Festival macht sichtbar, dass beninische Künstler Talent haben“, sagt Drusille Fagnibo. Gespräche mit Pas­san­t*in­nen seien sehr motivierend. Daraus können spätere Kooperationen entstehen, etwa mit Unternehmen, die eine Wandmalerei oder ein Graffito für ihr Betriebsgelände möchten. Eltern würde das wiederum zeigen, dass sich Kunst zu einem Berufszweig entwickelt. Mittlerweile gibt es mehrere Schulen, die eine Ausbildung anbieten. Von einigen Studierenden erhält Fagnibo abends Unterstützung. Sie nehmen als Hel­fe­r*in­nen teil und führen kleine Malarbeiten aus.

Trotzdem ist der Einstieg in die Kunstszene lange schwierig gewesen, gerade für Frauen. Auch Effet Graff habe nur drei Teilnehmerinnen, kritisiert Drusille Fagnibo und hofft, dass sich das in den nächsten Jahren ändert. Generell hätten es Frauen in Benin bisher schwerer, in die recht verschlossenen und männerdominierten Kunstzirkel zu kommen. Mit Romuald Hazoumè, Tchif und Julien Sinzogan sind auch vor allem Männer international bekannt.

Am Anfang ihrer Karriere – Drusille Fagnibo besuchte die weiterführende Schule für Kunst in der Stadt Calavi und machte in Brasilien eine Ausbildung zur Industriedesignerin – hat sich Fagnibo nicht bereit gefühlt, in diesen Wettbewerb zu treten. Auch hat sie oft mitbekommen, dass Frauen ihre Ausbildung abbrechen. „Das ändert sich nun“, sagt Fagnibo und hofft auf eine neue Generation beninischer Künstlerinnen.

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