Golf ist ein Hochrisikosport: Hole-in-one in den Kopf
Körpertreffer, zerstörte Brillen und Autos: Golfen kann verheerende Folgen haben. Die Sportart ist tückisch, da hilft keine Versicherung.
Ich kann’s jetzt.“ (Kürzester bekannter Golfwitz)
Golf ist hochgefährlich. In südlichen Weltengegenden ist ein herumliegender, gebogener Ast auf dem Platz nicht immer einer. Sondern eine Schlange, die auf solche golferischen Stockfehler sehr giftig reagieren kann. Fürchterlich enden können überall Gewitter, wenn Golfer mit ihren verlockenden Stahlstangen lustwandeln. Mehrere Blitztote gibt es weltweit jedes Jahr.
Andere crashen ihre Elektrocarts, manchmal sogar mit Umkippen, schlagen dem Nebenmann mit der Keule versehentlich ein blutiges Hole-in-one in den Hinterkopf, lassen Brillen zerbersten oder plumpsen gleich selbst in einen Tümpel. Das Schadenfreude-Portal YouTube hat solche Unglücke reichhaltig dokumentiert.
Feinde fürs Leben sind Golfball und Automobil. Schon Vorbeifahrten an Golfplätzen bergen Risiken. Bei Bamberg wurde einmal neben einer Golfanlage die Windschutzscheibe eines Krankenwagens mittig von einer Pockenkugel zertrümmert. In Neuss begehrte ein Autofahrer vom Golfclub Hummelbachaue Schadenersatz, weil sein Wagen bei der Vorbeifahrt angeblich einen ballbedingten Blechschaden erlitt.
235 Meter sind es zur Driving Range, argumentierte der Klub, das schafft so schnell niemand. Oder war es Longhitter Martin Kaymer, der hier immer trainiert? Auf Fußballplätzen können schon geworfene Golfbälle blutige Folgen haben. Oliver Kahn weiß das (Freiburg, anno 2000).
Demoliertes Blech
Autos an Golfplätzen zu parken, ist grober Leichtsinn. Ich kann’s jetzt? Von wegen: Wenn homo schwingens fehlzielt, ist keine Hecke dicht und kein Fangnetz hoch genug, dass ein Ball nicht mal die Chance ergriffe, Blech oder Scheibe zu demolieren. Die Haftpflicht hilft (in den meisten Fällen).
Bis zu 300 Kilometer pro Stunde schafft die 45-Gramm-Kugel beim Start. Das hat einige zerstörerische Potenz. Bei Profiturnieren drängen sich die Menschen in enger V-Formation an den Abschlag. Immer wieder wird ein Zuschauer noch in 250 Meter Entfernung blutig geschossen. Bälle kümmern sich wenig um die Meinung des Oberlandesgerichts Hamm: „Der Golfsport gehört zu den parallelen Sportarten, bei denen jeder Teilnehmer auf die volle Regeleinhaltung vertrauen darf.“ Einer in meinem Klub bekam einmal den Ball an den Kopf und fiel angeknockt so reflexfrei zu Boden, dass, wie er behauptete, seine Fortpflanzungsorgane Schaden nahmen. Er forderte Schadenersatz wegen Impotenz. Mit Golf hat er auch aufgehört.
Und da sind spektakuläre Glücksgefahren. Wer im Turnier mit einem Schlag einlocht, ist champagnerpflichtig. Sagt Golfers Ehrenkodex. Das kann bei 150 TeilnehmerInnen schnell 1.000 Euro kosten. Die Wahrscheinlichkeit für ein solches Hole-in-one liegt bei etwa 1:15.000. Klingt ungefährlich. Die absoluten Zahlen machen einen schon nachdenklicher: Pro Jahr werden bei Turnieren allein auf deutschen Plätzen mehr als 400 One-Hit-Wonder geschafft. Auf aller Wohl!
Ganz gelegentlich gibt es auch im Hobbygolf einen spektakulärem Hole-in-one-Preis, etwa ein protziges 50.000-Euro-Auto. Der Gewinner darf sich freuen – auf Debatten mit dem Finanzamt: steuerpflichtige Sondereinnahme? Mitspielerbewirtung absetzbar? Und auf den neuen Briefkopf, wo fürderhin „Golf Professional“ geschrieben stehen darf. Denn wer einen Preis über 750 Euro Wert annimmt, hat seinen Amateurstatus verloren und zählt automatisch zu den Profis. Ja, Golf ist tückisch. Dagegen hilft keine Versicherung.
Aus dem ABC der Vorurteile – heute E wie Entwicklungsland. Lange galt Deutschland als golferisch hinterher, als zweitklassig und Nebenschauplatz. Einstmals zu Recht: 1980 gab es noch keine 50.000 Keulenschwinger. Wahr ist heute: Die jüngste Statistik des europäischen Verbands für 2019 führt Germany on top: In keinem anderen Land unseres Kontinents gibt es mehr GolferInnen: 642.677. Erst auf den Plätzen folgen Entwicklungsländer wie England und andere.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Im Gespräch Gretchen Dutschke-Klotz
„Jesus hat wirklich sozialistische Sachen gesagt“