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Gläubigerschutz für Lausitz-BundesländerGreenpeace fürchtet Drückebergerei bei Braunkohle-Tagebau

Die Nachsorge für Lausitzer Tagebaue wird teuer. Greenpeace warnt davor, sich auf den zuständigen Konzern zu verlassen, und fordert Gläubigerschutz.

Aus Tagebauen wieder ansehnliche Orte zu machen ist teuer. Hier in Jänschwalde in der Lausitz wird gerade mal der Anfang gemacht Foto: Lisi Niesner/Reuters

Berlin taz | Mit der durch den Kohleausstieg beschlossenen Stilllegung von Tagebauen können die dort entstandenen Mondlandschaften neu genutzt werden. Wer sich ein Bild einer solchen rekultivierten Landschaft machen will, kann einen Ausflug zum Cottbusser Ostsee oder rheinländischen Südrevier machen. Die Flutung der Gruben sowie Begrünung mit Wäldern haben hier Naherholungsgebiete entstehen lassen.

Dasselbe soll auch dem Abbaugebiet in der Lausitz blühen, wenn 2038 das letzte Kohlekraftwerk vom Netz geht. Allein: Die zuständige Lausitz Energie AG (LEAG) droht womöglich, die Finanzierung der umfangreichen Maßnahmen auf die Bundesländer Sachsen und Brandenburg abzuwälzen.

Das zumindest wirft Greenpeace dem Konzern vor und fordert deshalb von den Bundesländern, schnellstmöglich Gläubigerschutz zu beantragen. Die Maßnahme kann Länder vor Verlusten schützen, sollte sich die LEAG tatsächlich als nicht zahlungsfähig erweisen.

Das sächsische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Klimaschutz sieht keinen Anlass für Beunruhigung. „Bis heute hat das Unternehmen sowohl seine laufenden Wiedernutzbarmachungsverpflichtungen als auch seine Einzahlungen in die Vorsorgegesellschaften vollständig erbracht“, sagt der zuständige Pressereferent, Marco Henkel.

Uneinigkeit über Kosten für Rekultivierung

Anders schätzt Greenpeace die Lage ein. Lange sei gar nicht bekannt gewesen, was die LEAG insgesamt zurückzulegen plant. Öffentlich einsehbar ist zwar eine Vorsorgevereinbarung zwischen der LEAG und dem Bundesland Sachsen, das darin enthaltene Ansparkonzept zu Bezifferung der exakten Summe ist jedoch nicht zugänglich. Selbst meldete sich das Unternehmen zuletzt 2019 in einer Pressemitteilung zu Wort, in der es mitteilte bis 2033 – fünf Jahre vor Kohleausstieg – 770 Millionen Euro ansparen zu wollen.

Der taz berichtet der zuständige Greenpeace-Referent, Karsten Smid, von Papieren, die der NGO nun erstmal vorlägen. Daraus gehe hervor, dass die LEAG Kosten in Höhe von 4,5 Milliarden Euro für die Rekultivierung der Lausitz veranschlage. Das sei allerdings die untere Grenze, sagt Smid.

Realistischer sei eine Summe zwischen fünf und zehn Milliarden Euro. Und: Nicht einmal um die Bereitstellung von 4,5 Milliarden Euro habe sich die LEAG ausreichend gesorgt. Greenpeace geht davon aus, dass die LEAG bislang gerade einmal 500 Millionen Euro eingezahlt habe. Der Konzern selbst äußerte sich zu den Vorwürfen auf Anfragen der taz nicht.

Das sächsische Ministerium wiederum hält die Schätzungen von Greenpeace für zu hoch. Das belegten auch die 12 Milliarden Euro, mit denen zwischen 1991 und 2023 die gesamte Braunkohlesanierung in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg finanziert worden sei. „Allein für Sachsen sprechen wir hier von 42 Tagebauten“, sagt Ministeriumssprecher Henkel.

Abwälzung der Kosten durch Umstrukturierung

Die Vorwürfe von Greenpeace gehen noch weiter. Ein von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft G. Flascha GmbH erstelltes Werthaltigkeitsgutachten für die LEAG sei ein „Gefälligkeitsgutachten“, so Smid. In einem Werthaltigkeitsgutachten werden die Vermögenswerte eines Unternehmens ermittelt und so der Wert des Unternehmens geschätzt.

Das Gutachten der G. Flascha GmbH beinhalte aber nur die eher wenig profitablen Unternehmensteile, die die LEAG nicht ausgegliedert hat. Auf dem Papier sehe es auf diese Weise so aus, als könne die LEAG es sich nicht leisten, sich um die Beseitigung der von ihr verursachten Schäden zu kümmern.

Zu befürchten sei, dass am Ende die Länder für die Folgen des Braunkohleabbaus aufkommen müssten, meint Smid. Aus diesem Grund sei höchste Eile geboten, mit dem Antrag auf Gläubigerschutz vorzubeugen. Eine Stellungnahme des Landes Brandenburg liegt bis Redaktionsschluss nicht vor.

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1 Kommentar

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  • "Gewinne privatisieren, Kosten sozialisieren"



    Eigentlich ein dummer Spruch von ganz Roten, doch hier könnte er ins Schwarze treffen.