Giro d'Italia vor dem Start: Traum in Rosa und Gelb
Wer sollte den Giro d'Italia gewinnen, wenn nicht Tadej Pogačar? Die Herausforderung für den slowenischen Radprofi ist der Plan dahinter.
Selten schien eine Rundfahrt schon vor ihrem Beginn so klar an einen Sieger vergeben wie dieser Giro d’Italia an Tadej Pogačar. Zu Lance Armstrongs Zeiten hoffte man noch auf Jan Ullrich. Auch Eddy Merckx hatte seine Herausforderer, hießen sie nun Raymond Poulidor, Felice Gimondi oder Joop Zoetemelk – die letzteren beiden selbst Tour-de-France-Sieger und Weltmeister. Gegner von vergleichbarer Klasse hat Pogačar bei diesem Giro nicht.
Geraint Thomas, letztes Jahr Giro-Zweiter und Tour-de-France-Sieger 2018, schreibt zwar den ersten Platz nicht komplett ab und betonte als fairer Sportsmann, „die Herausforderung annehmen“ zu wollen. Der Waliser machte aber auch klar, dass Pogačars überragende Favoritenstellung einen Vorteil hat: „Jeder erwartet, dass Pogačar gewinnt. Von uns hingegen wird nichts erwartet. Da herrscht also kein Druck.“
Romain Bardet, Tour-Zweiter 2016 und zum dritten Mal beim Giro dabei, strebt lediglich „einen guten Platz im Gesamtklassement“ an. Vor allem will der Franzose für sich „ein gutes Rennen fahren“ und dann sehen, was herauskommt. So ähnlich klingt auch Thomas. „Ich will mein Ding machen, die ganze Zeit über stabil und stark bleiben“, sagte er.
Wie es im Floskel geprägten Spitzensport üblich ist, kommen vom Slowenen Pogačar fast identisch klingende Phrasen: stabil bleiben, stark bleiben, das Potential abrufen. Der Unterschied ist nur: Bei Pogačar findet alles ein Level höher statt.
Starke Helfer
Bei dessen Rennstall UAE muss wegen der Favoritenrolle des Kapitäns auch das Team Extraschichten einlegen, muss vor allen Dingen das Rennen kontrollieren. „Genau dafür haben wir das Team ausgesucht. Wir haben die Verantwortung und die nehmen wir an“, betonte Sportdirektor Matxin Fernández. Starke Kletterer wie der Pole Rafal Majka und der Österreicher Felix Großschartner, bergfeste Allrounder wie der Däne Mikkel Bjerg und der Norweger Vegard Stake Laengen sowie Pogačars Landsmann Domen Novak, der bei Lüttich – Bastogne – Lüttich glänzte, sind nominiert. Hinzu kommt eine kleine Sprintabteilung um den ebenfalls bedingt bergfesten Kolumbianer Sebastián Molano.
Weil die beiden Auftaktetappen am Wochenende in und um Turin bereits mit Bergen gespickt sind, könnte Pogačar schon hier das rosa Trikot zufallen. Ganz im Sinne des Teams wäre das aber nicht. „Wir sind nicht besessen von der Idee, das Trikot die ganze Zeit über zu haben. Der Plan ist, Energie zu sparen für die schwere letzte Woche“, erklärte Fernández.
Vor allem aber soll nicht das ganz große Ziel in Gefahr geraten. „Wir wollen beim Giro nicht die Tour de France komplizieren“, wies Fernández auf den Plan hinter dem Plan hin, eben das Double aus Giro und Tour. Die richtige Balance aus Krafteinsatz und Ressourcenschonung ist also gefragt.
Pogačar selbst weiß das alles auch. Was ihn so sympathisch macht, ist aber, dass er all diese Komplexitäten wieder vergessen machen kann und sich einfach in den Sportler verwandelt, der Lust auf Rennen hat. „Ich kann es gar nicht erwarten, dass es endlich losgeht. Italien ist eines der Länder, in denen ich am liebsten fahre. Ich war hier oft als Amateur unterwegs. Italienischer Radsport hat mich geprägt, und ich mag auch die Kultur und natürlich das Essen“, sagte er.
Das allerdings ist nicht immer Pasta. Während des Rennens muss sich Pogačar vor allem von Gels und Energieriegeln ernähren. Und da haben seine Ernährungsberater ebenfalls das Level erhöht. „Von ursprünglich 60 Gramm Kohlenhydraten pro Belastungsstunde sind wir in den vergangenen Jahren zu 90 Gramm pro Stunde übergegangen und empfehlen jetzt 120 bis 130 Gramm“, erzählte UAEs Nutritionspezialist Gorka Prieto dem Branchendienst Cyclingnews. Zum Siegen gehört also auch ganz gewaltiges Verdauen. Auch das ist ein Aspekt bei der dreiwöchigen Rundfahrt, die nach 3.400,8 km am 26. Mai bei den Kaiserforen in Rom zu Ende geht.
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