Giftgasangriffe im Syrien-Krieg: Drei Vorfälle konnten geklärt werden
Zweimal hat die syrische Armee Chlorgas verwendet, einmal der „Islamische Staat“ Sarin. Die jüngsten Angriffe sind ungeklärt.
Die OPCW ist seit Oktober 2013 zuständig. Da war Syrien der internationalen C-Waffenverbotskonvention beigetreten, nach gemeinsamen Druck von USA und Russland. Zuvor hatte es am 21. August 2013 bei verheerenden Chemiewaffenangriffen auf fünf damals von Rebellen gehaltene Vororte der Hauptstadt Damaskus nach bis heute differierenden Angaben zwischen 359 und 1.429 Tote gegeben. Die OPWC fand zahlreiche Indizien für eine Täterschaft der Regierungsstreitkräfte, aber keinen endgültigen Beweis.
In der Folge deklarierte die Regierung unter dem Druck von Moskau und Washington 1.300 Tonnen Chemiewaffen, die dann bis Ende April 2014 aus Syrien abgezogen und vernichtet wurden. Dennoch gab es eine Reihe von weiteren Angriffen mit Chemikalien. In den meisten Fällen wurde nach allen bislang vorliegenden Indizien hochkonzentriertes, industrielles Chlorgas eingesetzt. Chlorgas gehört zwar nicht zu den unter der Chemiewaffenkonvention verbotenten Substanzen. Daher sind Produktion und Besitz dieser unter anderem für die Plastikherstellung benötigten Substanz auch Syrien ohne Einschränkung erlaubt.
Allerdings greift Chlorgas bereits in geringer Konzentration die Atemwege an. Ab 10 Milligramm pro Kubikmeter Luft (ppm) kommt es zu schweren Lungenschäden. Bei 100 ppm wirkt es tödlich. Im Ersten Weltkrieg wurde Chlorgas zeitweise als Kampfgas eingesetzt – bis mit Senfgas und Sarin „wirksamere“ Stoffe zur Verfügung standen.
Von allen Angriffen seit August 2013 konnten bislang nur drei von der OPCW abschließend geklärt werden: demnach setzten die syrischen Regierungsstreitkräfte in der Provinz Idlib im April 2014 und im März 2015 zweimal hochkonzentriertes Chlorgas ein. Der „Islamische Staat“ attackierte im August 2015 in der Provinz Aleppo Rebellenmilizen mit Senfgas.
Sollte sich der Verdacht bestätigen, dass bei den jüngsten Angriffen nicht Chlorgas sondern Sarin eingesetzt wurde, könnte das darauf hindeuten, dass die syrische Regierung im Herbst 2013 ihre damaligen Chemiewaffenbestände nicht vollständig deklariert und für den Abtransport freigegeben hatte.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen