Gewinneinbruch bei der Deutschen Bahn: Streiks und weniger Fahrgäste
Unwetter und die Lokführer-Streiks haben der Deutschen Bahn zugesetzt. Nun plant der Staatskonzern einen Umbau.
Angesichts der anhaltenden Ertragsschwäche und Problemen in mehreren Geschäftsfeldern hatte der Bahnchef bereits am Montag einen Konzernumbau angekündigt. Ziel ist es, das bundeseigene Unternehmen effizienter, wettbewerbsfähiger und profitabler zu machen.
Die Bahn schloss einen Stellenabbau nicht aus. Seine konkreten Vorstellungen wolle er am 16. Dezember dem Aufsichtsrat vorlegen, kündigte Grube in Berlin an. „Wir werden jetzt die Ärmel aufkrempeln.“ Kritik, er reagiere zu spät, wies der Konzernchef zurück. Die Bahn ist mit rund 196.000 Beschäftigten einer der größten Arbeitgeber in Deutschland. Im Ausland hat sie gut 100.000 Mitarbeiter.
Im ersten Halbjahr sank das Ergebnis nach Steuern von 642 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum auf 391 Millionen Euro, ein Minus von gut 39 Prozent. Das operative Ergebnis verringerte sich um fast ein Fünftel auf 890 Millionen Euro. Der Umsatz erhöhte sich von Januar bis Juni um 1,3 Prozent auf 20 Milliarden Euro.
500 Milliarden Euro Schaden
„Die Streiks haben unseren Kunden viel Geduld abverlangt“. Die Ausstände hätten die Mitarbeiter zudem viel Kraft gekostet, dem Unternehmen seien wichtige Einnahmen entgangen, sagte Grube. Er bezifferte den wirtschaftlichen Schaden in den Jahren 2014 und 2015 auf insgesamt rund 500 Millionen Euro. Der lange Tarifkonflikt mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer ist mittlerweile gelöst.
Finanzchef Richard Lutz korrigierte die Jahresprognose des Konzerns nach unten. Das operative Ergebnis (Ebit) werde bei mindestens zwei Milliarden Euro liegen, damit mindestens 200 Millionen Euro niedriger als noch im März geplant. Im Vorjahr hatte es 2,1 Milliarden Euro betragen. Unterm Strich wird für 2015 nun ein Gewinn von ungefähr einer Milliarde Euro angepeilt – etwa so viel wie 2014. Im März waren noch mindestens 1,1 Milliarde Euro erwartet worden
Die Ertragslage der Bahn ist seit längerem angespannt. Von mittelfristigen Wachstumszielen musste sich Grube bereits verabschieden. Die Schulden des Staatskonzerns sind seit Jahresbeginn um 1,4 Milliarden Euro auf 17,6 Milliarden Euro gestiegen.
Konkurrenz durch Fernbusse
Die Zahl der Reisenden bei der Deutschen Bahn im Personenverkehr in Deutschland ging nach jahrelangen Zuwächsen im ersten Halbjahr um 1,6 Prozent zurück. Die Bahn-Spitze führte auch das auf die Streiks und Unwetter zurück. Generell aber hat die Bahn vor allem im Fernverkehr wegen der Konkurrenz der Fernbusse und des niedrigen Spritpreises für Autos zu kämpfen. Der gesunkene Dieselpreis macht auch der Güterbahn zu schaffen, weil er Lastwagenfahrten billiger macht.
Im Fernverkehr brach das operative Ergebnis um mehr als die Hälfte auf nur noch 58 Millionen Euro ein. Im Schienengüterverkehr schrieb der Konzern rote Zahlen mit einem Minus von 74 Millionen Euro. Viele Kunden hatten der Bahn wegen der Streiks den Rücken gekehrt. Die Güterbahn DB Schenker Rail ist allerdings schon seit längerem ein Sorgenkind. Der Vorstandschef der Gütersparte, Alexander Hedderich, verlässt den Konzern Ende August.
Um gegenzusteuern, hatte der Aufsichtsrat auf Vorschlag Grubes am Montag einen Sechs-Punkte-Plan zum Umbau des Konzerns vorgelegt. Der Teilkonzern DB Mobility Logistics wird aufgelöst; er war für den einst geplanten Börsengang geschaffen worden. Rund 5000 Mitarbeiter aus der Zentrale will Grube in eine Servicetochter verschieben. Eine Teilprivatisierung der Gütersparte DB Schenker und der profitablen europäischen Bustochter Arriva ist möglich, wobei die Bahn die Mehrheit und die unternehmerische Führung behalten will. Die Zahl der Vorstandsmitglieder wird von acht auf sechs verringert.
10 Millionen für Vorstandsabfindungen
Die Neuausrichtung gehe in die richtige Richtung, bemerkte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Der Verkehrclub Deutschland forderte indes, der Bund müsse sich selbst stärker für den Bahnverkehr einsetzen und etwa durch Ausschreibungen auch im Fernverkehr für Wettbewerb sorgen. Die Grünen warfen der Bahn vor, ihre internen Baustellen Jahre zu spät anzugehen.
Neu in der Führungsriege ist ab 1. August der frühere Kanzleramtschef Ronald Pofalla. Infrastruktur-Vorstand Volker Kefer wird zusätzlich Vize-Konzernchef. Allein in ihrer Zentrale will die Bahn außerdem bis zum Jahr 2020 rund 700 Millionen Euro einsparen.
Zunächst muss sie jedoch frühzeitig ausscheidenden Vorständen 10 Millionen Euro an Abfindungen überweisen, wie Grube einräumte. Das Bundesfrauenministerium nannte es „mehr als bedauerlich, dass die Deutsche Bahn es versäumt hat, wieder eine Frau in ihren Vorstand zu berufen.“
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