Gewalt in Ägypten: Mehrere Tote bei Protest gegen Mursi
Hunderttausende gingen gegen Präsident Mursi auf die Straße. Dabei fielen Schüsse, es gab Tote und hunderte Verletzte. Der Hauptsitz der Muslimbrüder wurde angegriffen.
KAIRO dpa/ap | „Verschwinde!“ riefen die Menschen in Kairo ihrem Staatschef entgegen und zeigtem ihm die rote Karte: Hunderttausende Ägypter haben bei landesweiten Massenprotesten Präsident Mohammed Mursi zum Rücktritt aufgefordert. Mindestens sieben Menschen seien getötet worden. Mehr als 600 Menschen seien verletzt worden, berichtete die Zeitung Al-Ahram unter Berufung auf das Gesundheitsministerium. Andere Quellen berichten von mindestens 10 Toten und etwa 400 Verletzten.
Einige hundert Demonstranten griffen in der Nacht zum Montag die Kairoer Zentrale von Mursis Muslimbruderschaft mit Brandsätzen und Steinen an. Am Eingangstor des von einer Mauer umgebenen Anwesens brannte es zeitweise. Anhänger der Bruderschaft schossen auf die Angreifer. Aktivisten zufolge wurden hierbei allein fünf Menschen getötet und 60 verletzt.
In der südlichen Provinz Assiut eröffneten nach Angaben der Sicherheitsbehörden bewaffnete Unbekannte auf einem Motorrad das Feuer auf protestierende Aktivisten. Dabei seien drei Menschen getötet und mindestens acht verletzt worden. Ein Demonstrant starb laut lokalen Medienberichten in der ebenfalls südlichen Stadt Bani Sueif bei Zusammenstößen zwischen Unterstützern und Gegnern Mursis. In Fayum sei ein 18-Jähriger ums Leben gekommen. Bei einem Angriff auf die Zentrale der Muslimbruderschaft in Kairo seien zwei Menschen getötet worden.
Bei den zentralen Kundgebungen auf dem Kairoer Tahrir-Platz und vor dem Präsidentenpalast blieben hingegen die befürchteten Konfrontationen zwischen den rivalisierenden Lagern aus. Bis tief zum frühen Montagmorgen harrten dort zahlreiche Menschen aus. Oppositionsaktivisten kündigten an, so lange demonstrieren zu wollen, bis Mursi zurücktrete. Ähnliche Szenen hatten sich im Arabischen Frühling 2011 bei den Protesten gegen den damaligen Machthaber Husni Mubarak abgespielt.
Solidarität mit Mursi
Wenige Kilometer vom Amtssitz Mursis entfernt versammelten sich im Kairoer Vorort Nasr-City Zehntausende Anhänger der islamistischen Parteien, um ihre Solidarität mit Mursi zu bekunden. Einige von ihnen trugen Stöcke und Helme bei sich.
In der Hafenstadt Alexandria, in Port Said und in der Tempelstadt Luxor gingen ebenfalls tausende Menschen auf die Straßen. In Alexandria klagten mehrere Demonstranten über Vergiftungserscheinungen, nachdem sie von Unbekannten am Straßenrand umsonst Flaschen mit Wasser und Limonade erhalten hatten.
Einer der Demonstranten, die zum Präsidentensitz Ittihadija zogen, bekräftigte den Willen, Mursi wie einst Mubarak zum Rücktritt zu zwingen: „Für Mubarak waren nur 18 Tage nötig, und er hatte die Sicherheitsbehörden, den Geheimdienst und einen großen Teil der Ägypter hinter sich“, sagte Amr Taufik. Mursi „wird nicht so lange dauern. Wir wollen ihn weg haben und wir sind bereit, den Preis dafür zu zahlen.“
22 Millionen Unterschriften
Die Massenproteste markieren das Ende einer Unterschriftenkampagne, mit der die Protestbewegung den Staatschef zum Rücktritt zwingen will. Seit Anfang Mai sammelten die Initiatoren von „Tamarud“ (Rebellion) nach eigenen Angaben mehr als 22 Millionen Unterschriften gegen den Präsidenten.
Die Opposition wirft Mursi vor, er handele nicht wie ein Präsident für alle Ägypter, sondern sei vor allem daran interessiert, die Macht der Muslimbruderschaft auszubauen. Die massiven wirtschaftlichen und sozialen Probleme des Landes habe er nicht gelöst. Deshalb habe er seine Legitimität verloren und müsse abtreten.
Für die Muslimbrüder, als deren Kandidat Mursi gewählt worden war, kommen Neuwahlen nicht infrage. Ein Sprecher des Staatsoberhaupts rief die Protestbewegung bei einer Pressekonferenz zum Dialog auf. Der Berater der Muslimbruderschaft, Gehad al-Haddad, sagte, die Opposition müsse akzeptieren, dass Mursi durch faire und freie Wahlen ins Amt gekommen sei. Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa betonte er, die Anhänger Mursis würden nichts tun, solange die Demonstrationen friedlich blieben. Allerdings fügte er hinzu: „Die Mauern des Präsidentenpalasts sind eine rote Linie.“
Viele Ägypter gingen aus Angst vor gewalttätigen Ausschreitungen weder zu den Protesten noch zur Arbeit. Tausende Ausländer hatten das Land bereits am Samstag verlassen. In den vergangenen Tagen hatte es mehrfach gewaltsame Zusammenstöße zwischen Anhängern und Gegnern der Islamisten gegeben. Dabei starben sieben Menschen – unter ihnen ein US-Bürger.
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