Kommentar Proteste in Ägypten: Eine Wahl ist kein Freibrief
Mursi trifft Entscheidungen nach Gutsherrenart und ist nicht Präsident aller Ägypter. Die Wut darüber ist groß. Und ein glimpfliches Ende der Aufruhr ist zweifelhaft.
gyptens Präsident Mohammed Mursi und der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan haben eines gemeinsam: Sie glauben, Demokratie sei, wenn das Volk alle vier Jahre wählen darf. Zwischendurch herrschen sie.
Ihre demokratische Wahl dient ihnen dabei als Freibrief für Entscheidungen nach Gutsherrenart, Repressionen gegen Andersdenkende und brutale Gewalt. Mursi sieht sich in erster Linie als Interessenvertreter der Muslimbruderschaft. Allen Beteuerungen zum Trotz ist er nicht Präsident aller Ägypter geworden.
Die Enttäuschung darüber ist umso größer, weil sich viele nun um die Früchte einer Revolution betrogen fühlen, bei der die Muslimbruderschaft nur im Strom mitgeschwommen ist.
Hinzu kommt die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage, die schon unter dem Regime des gestürzten Hosni Mubarak für die breite Masse der Bevölkerung nicht gerade rosig war.
ist Autorin der taz.
Die gewaltigen Demonstrationen der vergangenen Tage haben der neuen ägyptischen Regierung unmissverständlich klargemacht, wie groß die Wut im Lande ist. Einsicht ist jedoch nicht zu erwarten. Die Mursi-Regierung erklärt die Proteste mit Verschwörungstheorien und Einflüssen aus dem Ausland. Sie lässt die eigenen Anhänger aufmarschieren. Kein Wunder, dass sich viele an Mubarak erinnert fühlen.
Ob der Aufruhr jedoch ein so glimpfliches Ende findet wie am 11. Februar 2011, als Mubarak nach nur 18 Tagen Protesten abtreten musste, scheint zweifelhaft. Die Islamisten haben zu lange darauf gewartet, an die Macht zu kommen. Und auch ein Teil ihrer Gegner sind keine Demokraten und agieren mit Gewalt. Aus den Reihen der Demonstranten wurde geschossen und Feuer gelegt. Für die Zukunft Ägyptens lässt diese Gemengelage wenig Gutes erahnen.
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