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Gewalt im WestjordanlandSiedlungen boykottieren

Kommentar von Susanne Knaul

Israels Führung lässt die jüdischen Extremisten gewähren. Sinnvoll wären internationale Sanktionen gegen die Gewalttäter und die, die sie schützen.

Rechte israelischer Siedler wie dieser verüben Anschläge auf Palästinenser*innen, unterstützt von Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrich Foto: Ilia Yefimovich/dpa

H ieße das Opfer nicht Hamdan Ballal, Co-Regisseur des mit einem Oskar gekrönten Dokumentarfilms „No Other Land“, würde der Überfall auf ihn kaum Schlagzeilen machen. Die Gewalt jüdischer SiedlerInnen im Westjordanland ist alltäglich. Im Schatten der Berichterstattung über den Krieg im Gazastreifen geht sie meist unter.

Es sind überwiegend nationalreli­giö­se ExtremistInnen, die Molotow-Cocktails auf palästinensische Häuser werfen, Autos in Brand setzen, Vieh töten und Olivenhaine zerstören. Die zumeist jugendlichen Radikalen werden von ihrem zivilen Umfeld und von der Armee geschützt. In der Regel kommen die TäterInnen ungeschoren davon. Die Sicherheitstruppen verschließen die Augen vor den Verbrechen jüdischer SiedlerInnen. In dem Fall von Hamdan Ballal sollen SoldatInnen den verletzten Regisseur aus einem Krankenwagen gezerrt haben.

Mit den beiden Rassisten Itamar Ben-Gvir, Minister für nationale Sicherheit, und Finanzminister Bezalel Smotrich in der Regierung, genießen die extremistischen SiedlerInnen auch politische Rückendeckung. Ben-Gvir war in der Vergangenheit selbst wegen Aufhetzung und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung verurteilt worden. Solange er im Kabinett sitzt, müssen seine ideologischen Verbündeten eine Verurteilung durch ein israelisches Gericht nicht fürchten.

Um ein Zeichen gegen das kriminelle Treiben im Westjordanland zu setzen, verhängte Joe Biden in seiner Amtszeit als US-Präsident Sanktionen gegen mehrere rechtsradikale Personen und Gruppen. Eine Maßnahme, die Signalwirkung hätte haben sollen – auch für die Bundesrepublik. Bedauerlich, dass das nicht passiert ist. Eine der ersten Amtshandlungen von Bidens Nachfolger im Weißen Haus war, die Sanktionen wieder aufzuheben.

Von der Regierung Benjamin Netanjahus und seiner Partner ist eine Verfolgung der kriminellen SiedlerInnen nicht zu erwarten. Internationale Sanktionen sind hingegen möglich – gegen Individuen und gegen die Siedlungen schlechthin.

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Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
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14 Kommentare

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  • Ich dachte Boykott ist Antisemitisch?

  • Sobald Volker Beck davon hört,wird er Antisemitismus rufen und die Sache mit einem Boykott hat sich erledigt. So einfach ist das in Deutschland.

  • Das ist das zionistische Projekt.



    "From the river to the sea, this flag 🇮🇱 is all you'll see!", schreibt Yair Netanjahu, Sohn von Benjamin Netanjahu, ins Profil seines Instagram Accounts @yair_netanyahu.

  • Immerhin gibt es solche Artikel in der taz. Wo soll die Reise hingehen, wenn solche mit staatlicher Unterstützung verübten Verbrechen einfach ignoriert und damit akzeptierter Standard werden? Der Wertewesten - war das mal mehr als inhaltsfreie PR? "Wertebasiert" wurde schon relativiert zu "regelbasiert", aber wer "Regeln" beliebig definieren kann, kann sie auch leicht einhalten. Bisher haben nur die USofA gelegentlich das muntere Treiben etwas gelenkt, wenn es sie innenpolitisch störte, aber das ist Geschichte, derzeit feuern sie eher an.

    Bleibt die EU. Nachdem die frz. und deutsche Regierung klargemacht haben, dass sie den internationalen Haftbefehl gegen Netanjahu nicht umsetzen werden, ist da nichts zu erwarten. Lieber nehmen diese Regierungen in Kauf, den IStG sowie weitergedacht auch die UNO irrelevant zu machen. Nehme sich also weiterhin und in Zukunft jeder, der kann, mit Gewalt, was er haben will. Das ist in jeder Hinsicht fatal. Ist das Zivilisation 2.0? Im Grunde wird damit konzeptionell auch Vergewaltigung legitimiert.

  • Das Ende der Besatzung ist ein Schlüssel zum Frieden - bevor Mafiaschlägermethoden komplett in die Gesellschaft einsickern.

  • „Internationale Sanktionen sind hingegen möglich – gegen Individuen und gegen die Siedlungen schlechthin.“ Wer unterstützt denn die Siedlungen schon immer finanziell und auch politisch? Fast alle israelischen Regierungen! Zudem sollte man auch mal die finanzielle Unterstützung aus dem Ausland ins Auge fassen z.B. durch amerikanische Evangelicals oder das Immobilienfirmen im Ausland Grundstücke in den Siedlungen zum Verkauf anbieten! Warum ist das überhaupt erlaubt?



    Auch wenn ich im Grundsatz komplett mit ihnen übereinstimme, so sieht man auch hier nicht wie systematisch Siedlergewalt auch Staatsgewalt ist. Laut ICC ist eine Besatzung ein Akt der Aggression, laut IGH ist diese Besatzung sowieso völkerrechtswidrig. Wir haben hier mittlerweile so viele Völkerrechts- und Menschenrechtsverletzungen das man die kaum noch aufzählen kann.



    Man hat die EU auch schon wegen des IGH Gutachtens zu Sanktionen aufgefordert: www.amnesty.eu/new...stinian-territory/



    Passieren wird nix! Und weil es nie Konsequenzen gibt, stirbt die Zwei-Staaten-Lösung langsam seit 1967 mit Hilfe des Westens!

  • Es zeigt sich, dass Deutschland aus der Geschichte nicht die richtigen Lehren gezogen hat. Es reicht nicht, wenn man nach 1945 die Verbrechen gegen Juden und die eigene Schuld damit wiedergutzumachen versucht, indem man Ansprüche auf einen jüdischen Staat einseitig zur Staatsräson erklärt und die Augen vor weiterer Vertreibung, Diskriminierung und Gewalt gegen Dritte rechtfertigt. Deutschland und die Gemeinschaft des historischen europäischen Antisemitismus, der längst nicht verschwunden ist, haben die legitimen Interessen der arabischen Völker in bester kolonialer Manier ignoriert. Sie haben es versäumt, nach 1948 und in diversen UN-Resolutionen eine gleichberechtigte Koexistenz von Israelis und Palästinensern zu fordern und zu fördern. Die nicht tragfähige Zweistaatenlösung war so ein typischer Kompromiss, um Zeit zu gewinnen, bis sich „das Problem“ von selber löst. Im Moment sieht es so aus, als ob Israels Regierung das „Palästinenserproblem“ mit Rückendeckung durch die USA endgültig lösen will. Was danach kommt? Salam und Schalom? Inschallah.

  • www.thejc.com/news...-shooting-qzqdrr1z



    Habt ihr darüber eigentlich auch berichtet? Und wenn nicht, fragt euch doch mal bitte warum nicht.

  • Verzeihung, das passt nicht in den momentanen "Spin" der TAZ, aber inzwischen wird auch die CNN auf die quer durch Gaza laut werdenden Proteste gegen die Hamas aufmerksam:

    edition.cnn.com/20...l-latam/index.html

    Es wäre wichtig, wenn auch die TAZ klarkommen würde, dass diese Protestierenden unsere Unterstützung verdienen.

    www.timesofisrael....gaza-within-hours/

    www.timesofisrael....and-against-hamas/

    Aber schon im Sommer 2023 hatte es große Proteste gegen die Hamas gegeben - und die Welt hat geschwiegen, als die Terrororganisation diese mit Gewalt niederknüppelte. Propalästinensische Spins westlicher Linksliberaler haben keinerlei Solidarität mit den Menschen in Gaza gezeigt.

    Jetzt brodelt es wieder - und, Israel sei dank, ist die Hamas im Vergleich zu 2023 massiv geschwächt. Dürfen wir auf eine neue Entwicklung hoffen?

  • Laut einem Mitte Januar 2025 erschienenen Bericht der auf die Erfassung von Siedlergewalt spezialisierten israelischen Menschenrechtsorganisation Jesch Din kam es in den letzten 20 Jahren nach der Meldung von Gewalt nur in 6.6% der Fälle zu einer Anklage, zu einer Verurteilung nur in 3%. Wenn Mitglieder der IDF beteiligt waren in 1.5%. Es handelt sich um kein erst kürzlich entstandenes Problem.

    Die Siedlerbewegung und ihre Gewalt wurden von Likud-Regierungen unter Netanjahu schon (mindestens) toleriert als keine Rechtsextreme Teil der Regierung waren. Seit Beginn der Amtszeit der rechtsextremen Regierung 2022 ist die Zahl der gemeldeten Übergriffe noch einmal stark angestiegen, logisch, aber mit ernsthafter Verfolgung mussten die Siedler auch zuvor kaum zu rechnen.

    Es ist befremdlich, dass europäische Regierungen nicht schon viel früher Massnahmen gegen die Siedler ergriffen haben. Mittlerweile aber sitzen einige ihrer lautesten Anstifter in der Regierung. Selbst wenn noch Massnahmen folgen würden wird sich Netanjahu, selbst wenn er wollte, was ich stark bezweifle, gegen sie vorgehen. Er braucht sie für den Machterhalt.

    • @Claudio M.:

      Netanjahu ist selbst -schon lange- rechtsextrem, deswegen hat er diese Verbrechen schon immer gutgeheißen. Es ist eine schlimme Schande, dass "der Westen" nicht entschlossen reagiert und dieses Unrecht ignoriert. Hier werden fundamentale Menschenrechte zertreten und alle schauen schulterzuckend zu. Da sollte sich niemand über Putin, Lukaschenko oder Kim Jong Un beschweren, die handeln ähnlich.

    • @Claudio M.:

      Nah. Wir echauffieren uns lieber, wenn Guterres sagt, dass der 7.10. nicht im Vakuum passiert ist. Dass wir uns nicht missverstehen, das war blanker Terror und ist mit nichts zu entschuldigen. Aber wir vergessen zu gern, dass der Terror besonders für die Palästinenser im Westjordanland noch einen anderen Namen hat - Alltag. So sehr und so lange, dass darüber nicht mehr berichtet wird, wenn es nicht gerade einen Doppelstaatler oder Oscarpreisträger trifft. Weil wir aber auf der anderen Seite über wirklich jeden Deppen lesen, der zu israelischen Kindersärgen lacht, sind unsere Sympathien schnell klar verteilt - so weit weg ist der israelische Politiker gar nicht von unserem eigenen Empfinden, wenn er das Wort "Tiere" benutzt, denn wer sonst lacht denn bei toten Kindern? Israelische Fußballfans vielleicht, aber das verschwindet ganz schnell von der Bildfläche. IDF Soldaten in ihren selbstgedrehten Videos, aber das "muss man verstehen, weil Hamas und überhaupt". Eine israelische Regierung, deren Rhetorik und Aktion der Irans oder der Hamas in nichts nachsteht - und wir schauen weg, verbieten Demos, sagen Lesungen und Podiumsdiskussionen ab. Pfui.

  • Die hässliche Seite Israels



    Israel erfährt viel Unrecht und Terror und wir sollten uns diesbezüglich solidarisch mit Israel zeigen. Doch die gewaltsame Vertreibung der Menschen aus dem Westjordanland und die illegale Besiedlung von Land durch jüdischen Extremisten, welches definitiv nicht Israel gehört, ist die hässliche Seite dieses Landes. Oder um es genauer zu sagen, die hässliche Seite radikaler, gewaltbereiter jüdischen Extremisten, denn die Mehrheit der Israelis will auch mehr Gerechtigkeit und endlich Frieden.



    Frieden kann nur mit einer Zwei-Staaten-Lösung kommen, dass sollten die Regierungen Israels endlich einsehen. Frieden kann aber auch erst dann nur kommen, wenn die Hamas ihrer Macht und Waffen beraubt wird.

  • Wie Schwerpunkte verschieden gesetzt werden können. Heute ist eine der besten Nachrichten seit Jahren in der jpost: m.jpost.com/middle-east/article-847577

    Widerstand gegen Hamas