Gewalt im Klassenzimmer: Beleidigungen und Rempeleien
Die Zahl der Gewaltvorfälle an Schulen hat zugenommen – weil bereitwilliger Meldung gemacht werde, sagt die Senatsverwaltung für Bildung.
„Große Nachfrage“, stellte die Senatsverwaltung für Bildung unlängst zum Beginn des laufenden Schuljahrs im September mit, erfreuten sich bei den LehrerInnen die regelmäßig angebotenen „Gesundheitstage“. Kein Wunder eigentlich, schaut man sich die aktuellen Zahlen über Gewalt an Berliner Schulen an, die die Senatsverwaltung am Mittwoch veröffentlichte.
Demnach hat sich die Zahl der gemeldeten Beleidigungen, Drohungen und „Tätlichkeiten“ in Schulhöfen und Klassenräumen innerhalb von fünf Jahren nahezu verdoppelt: von 876 gemeldeten Vorfällen im Schuljahr 2010/11 auf rund 1.700 „Tatbestände“ im abgelaufenen Schuljahr 2014/15. Im Vergleich zum Schuljahr davor bedeutete das einen Zuwachs von immer noch 18 Prozent.
„Beleidigung/Drohung/Tätlichkeit“ gehört zur sogenannten Gefährdungskategorie I von III. Laut einem Sprecher der Senatsbildungsverwaltung macht das unheilvolle Trio 91 Prozent der Vorfälle in der ersten Kategorie aus. Haare ziehen und Rempeleien auf dem Schulhof fallen etwa unter diese Sammelkategorie. Vorfälle, die man laut Senatsbildungsverwaltung aber getrost in die Kategorie „Problem“ einsortieren könne, „das pädagogisch-erzieherisch gelöst werden“ sollte.
Während mehr „leichte“ Fälle gemeldet wurden, gibt es bei Meldungen über „schwere körperlicher Gewalt“ hingegen seit Jahren keine Zunahme: zwischen 500 und 600 Fälle werden pro Schuljahr bei der Senatsverwaltung angezeigt. Ebenfalls seit Jahren eine konstante Erkenntnis: Die TäterInnen sind vor allem männlich. Von rund 2.800 „Tatverdächtigen“ waren nur rund 300 Mädchen. Opfer sind Schülerinnen (1.315 Geschädigte) dagegen beinahe ebenso häufig wie Jungen (1.617).
LehrerInnen häufiger Opfer
Zunehmend zum Opfer werden hingegen offenbar auch LehrerInnen. Die – in ihrer Schwere nicht näher erfassten – „Übergriffe“ auf das Schulpersonal steigen seit Jahren an, aktuell von 434 im Schuljahr 2013/14 auf 560 im Jahr 2014/15.
Grund zur Beunruhigung sieht man in der Verwaltung von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) aber insgesamt nicht – im Gegenteil. Man interpretiere die gestiegenen Meldezahlen dahingehend, dass die Schulen sich insbesondere „aktiv mit Vorfällen niedriger Gefährdung auseinandersetzen und sie nicht unter den Teppich kehren“.
Ein differenzierteres Bild ergibt sich tatsächlich auch, wenn man die seit Jahren steigenden SchülerInnenzahlen beachtet. 6,7 Meldungen pro 1.000 SchülerInnen gab es im Jahr 2013/14, im vergangenen Schuljahr stieg die Rate moderat auf 7,5 Meldungen an. Tatsächlich dürfte es aber noch immer eine Dunkelziffer geben: Von rund 1.000 Schulen in freier und öffentlicher Trägerschaft machten gerade einmal 450 im vergangenen Jahr Meldung.
Keine Erklärung hat die Bildungsverwaltung zudem für die Tatsache, dass vor allem aus Grundschulen und Förderschulen viele Vorfälle gemeldet werden: Meldungen aus Grundschulen machen insgesamt einen Anteil von 58 Prozent aus. Setzt man die SchülerInnenzahlen an den einzelnen Schulformen ins Verhältnis, sind die Förderzentren mit 25 Meldungen pro 1.000 SchülerInnen Negativ-Spitzenreiter.
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