Gewalt gegen Afroamerikaner in den USA: Die Polizei ist das Problem
Erneut kam ein unschuldiger Afroamerikaner in New York gewaltsam zu Tode. Die Strafen für solche Vergehen sind bislang zu gering.
Wieder ein Video, wieder Polizeigewalt, wieder ein von der Polizei getöteter Schwarzer in den USA. Es war am vergangenen Wochenende, mitten im New Yorker Staten Island, als der 43-jährige Eric Garner auf der Straße Zeuge eines Handgemenges wurde. Als einer, der die Gegend gut kannte, der auf der Straße in Kleinstmengen unversteuerte Zigaretten verkaufte, den die Menschen im Kiez grüßten und schätzten, ging er dazwischen, trennte die Prügelnden. Irgendjemand rief die Polizei.
Als die Polizei eintraf, waren die Streithähne weg, nur Garner stand noch da, an seinem angestammten Platz. Die Polizisten hielten sich an ihn. Er kannte den Umgang der Polizei mit Leuten wie ihm, er kannte „Stop and Frisk“, jene viel kritisierte Polizeipraxis, auch ohne konkreten Verdacht Personenkontrollen durchzuführen, und es nervte ihn.
Er fragte, was ihm vorgeworfen würde, sagte den beiden Polizisten, dass er nichts gemacht habe, außer zwei Kämpfende zu trennen, und dass sie ihn in Ruhe lassen sollten. Als ein weiterer Polizeiwagen eintraf, nahm ihn einer der beiden, Officer Daniel Pantaleo, von hinten in einen Würgegriff, gemeinsam brachten sie den schweren Mann zu Boden, drückten Garners Kopf auf das Pflaster.
All das ist auf einem Handy-Video zu sehen, das kurz danach auf der Webseite der New York Daily News veröffentlicht wurde. Deutlich ist zu hören, wie Garner „Ich kann nicht atmen, ich kann nicht atmen!“ japst, bevor er bewusstlos wird. Garner war Asthmatiker. Wenig später ist er tot.
Keiner unternimmt erste Hilfe
Auf einem zweiten Video ist zu sehen, wie die inzwischen fast ein Dutzend Polizisten um den reglosen Garner herumstehen. Keiner unternimmt erste Hilfe oder Wiederbelebungsversuche. Garner hinterlässt eine Frau und fünf Kinder.
Inzwischen ist Garner begraben, Pantaleo und sein Kollege sind vorübergehend vom Dienst suspendiert, und New York debattiert erneut über Polizeigewalt. Reverend Al Sharpton war bei der Trauerfeier, ist auf Bildern zu sehen, wie er versucht, Garners Mutter Trost zu spenden.
New Yorks neuer Bürgermeister Bill de Blasio hat kurzfristig seinen Urlaub in Italien unterbrochen. Er fordert eine genaue Untersuchung und gab schon aus Italien zu verstehen, er erkenne auf dem Video einen Würgegriff des Polizeibeamten – das aber ist Polizisten schon seit 1993 verboten. In den letzten fünf Jahren gab es laut Daily News zehn Verfahren gegen Polizisten, die trotzdem gewürgt haben: Die höchste dafür verhängte Strafe war die Streichung von zehn Urlaubstagen in einem Fall.
„Wir danken Gott, dass es das Video gibt“
In einem vorläufigen Bericht hat New Yorks Polizei am Dienstag ihre Version der Ereignisse vorgestellt: Es habe keinerlei Anzeichen dafür gegeben, dass Garners Gesundheit beeinträchtigt gewesen sei, er habe sich den Anweisungen der Polizisten widersetzt, habe sich geweigert, sich Handschellen anlegen zu lassen.
„Wir danken Gott, dass es das Video gibt,“ sagt Garners Mutter, „so ist er vielleicht nicht umsonst gestorben.“ Sie hofft, dass der Tod ihres Sohnes dazu beiträgt, etwas zu ändern. Vonseiten der Polizeiführung heißt es, man werde die Ausbildung der Polizisten überprüfen. Pantaleo, seit acht Jahren im aktiven Dienst, hatte bereits mehrere Verfahren – unter anderem wegen übertriebener Härte und wegen willkürlicher Festnahme.
Der Tod Eric Garners ist keine Naturkatastrophe. New Yorks Polizei hat seit Jahren den Ruf, vorurteilsbehaftet und brutal zu sein. Niemand in New York will wieder Mordraten wie in den 80ern. Aber so, wie es ist, ist die Polizei selbst zu einem Problem geworden, vor allem für Nichtweiße. Es liegt jetzt auch an Bürgermeister de Blasio, endlich Konsequenzen zu ziehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Neue EU-Kommission
Es ist ein Skandal
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative