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Gesundheitszustand von Tschechiens PräsidentTrotz Koma Marillenknödel

Viele fragen sich, wie ernst es um Miloš Zeman steht. Der liegt im Krankenhaus und muss für gnadenlose politische Machtspiele herhalten.

Prager An­hän­ge­r*in­nen des Parteienbündnisses Spolu feiern am 9. Oktober Foto: Darko Bandic/ap

P rag habe ihm den Sieg vermasselt, schimpfte Andrej Babiš am Samstag vergangener Woche bei seiner Wahlnachlese im Fernsehen. Das verärgerte Eingeständnis des Noch-Premiers sehen die Prager als Ritterschlag für ihre Stadt. „Wir gehören in den Westen“ lautete der Wahlspruch des Dreiparteienbündnisses Spolu, ein Seitenhieb auf den Slowaken Babiš, der einen typischen Oligarchen östlicher Prägung verkörpert.

Umso mehr wurde „der Westen“ für die Prager zum Inbegriff all dessen, was Babiš nicht ist, sie dafür aber umso mehr sein wollen. Dafür waren sie bei der Wahl eifriger als der Durchschnitt: knapp über 70 Prozent – landesweit lag die Wahlbeteiligung bei 65,4 Prozent – hatten sich an die Urnen bemüht, um Andrej Babiš abzuwatschen. Knapp über 40 Prozent gaben ihre Stimme der siegreichen Spolu-Koalition, deren Vorsprung gerade mal 35.765 Stimmen betrug. Die kämen aus Prag, knurrte Babiš am Wahlabend. Die Prager freut das, haben sie dem ehemaligen Stasi-Spitzel endlich gezeigt, was sie sind: der Westen.

Doch schon am Tag nach der Wahl begannen die Retrowochen. Präsident Miloš Zeman wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Wie die Präsidentenkanzlei auf dem Prager Hradschin über den gesundheitlichen Zustand des Präsidenten informiert, weist zurück in die Zeit der ausgehenden Sowjetunion. Erinnert sich noch jemand an Konstantin Ustinowitsch Tschernenko? In Prag dieser Tage schon.

Dass es dem Präsidenten schlecht geht, ist seit Jahren nicht zu übersehen. Offiziell leidet er an Diabetes und einer Neuropathie, wegen der er den Rollstuhl bevorzugt. Ansonsten sei er pumperlgesund, tönt es aus der Burg.

Rechtliche Konsequenzen

Wer etwas anderes behauptet, muss mit rechtlichen Konsequenzen rechnen. Und Häme. Wie die Exmenschenrechtsministerin Džamila Stehliková, eine erfahrene Psychiaterin. Schon vor der Wahl erklärte sie öffentlich, Zeman sei nicht mehr fähig, sein Amt auszuüben. Das könne sie anhand von Fotografien erkennen. Inzwischen hat sich bestätigt, wenn auch noch nicht offiziell, was Stehliková vergangene Woche meinte: Zeman leide unter Leberzirrhose und zwar in einem Stadium, in dem sich eine Demenz eingestellt habe.

Während des Klinikaufenthalts Anfang September seien Zeman Wasseransammlungen aus dem Bauch gepumpt worden, bestätigte auch ein Bericht der Tageszeitung Denik N am Mittwochabend, der sich auf gut informierte Quellen beruft. Angesichts der ausbleibenden Reaktion der Burg, könnte da was dran sein.

Zeman, so das Blatt, leide an einer hepatitischen Enzephalopathie aufgrund einer Leberzirrhose. Der Präsident kommuniziere nicht und sei desorientiert, so Denik N. Fotos, die heimlich von Zeman bei seiner Ankunft im Militärkrankenhaus am Sonntag geschossen wurden, zeigen einen leblosen Greis im Rollstuhl, dessen Kopf ein Pfleger halten muss.

Doch laut seiner Kanzlei geht es ihm bestens. Er habe Marillenknödel zu Mittag gegessen und für den nächsten Tag Bratwürstchen mit Kartoffelbrei bestellt, teilte sein Sprecher auf seiner Facebook-Seite mit, die er seit Tagen sonst bevorzugt mit Psalmen füttert. Kurz zuvor habe Zeman vom Krankenbett aus einen Richter ernannt. Keinesfalls sei er bei Ausführung seiner Vollmachten eingeschränkt, in ein paar Wochen sei er wieder fit und munter, so die Version der Burg.

Verbitterter Mann

Seit Beginn seiner Amtszeit 2013 umgibt sich Zeman, schon damals ein verbitterter Mann mit einer dreiköpfigen Kamarilla aus Sprecher, Kanzler und putinophilem Berater. Wohl kaum jemand wird in Tschechien mehr und gesellschaftsübergreifender verachtet, als dieses Triumvirat mafiöser Hofschranzen. Der schwindenden Gesundheit und vor allem der Menschenwürde ihres Chefs zum Trotz, gaukeln sie dem Volk nun ein armseliges Schmierentheater vor.

Die Tragödie läuft auf ihren Höhepunkt zu. Am Donnerstag tauchte plötzlich Zemans Frau Ivana auf der Bildfläche auf, im Volksmund auch Frau Columbo genannt. In einer Live-Pressekonferenz appellierte sie ans Volk, dasselbe, das ihren Mann, den sie sehr liebt, wie sie beteuert, zweimal zu seinem Oberhaupt gewählt hat. Er sei ja nicht der erste Präsident, der mal im Amt krank werde, las Zemanová von einem Zettel ab. Spekulationen über seinen Zustand seien unethisch, die Heilung erfordere Zeit.

Zeit, die die Dreiercamarilla von der Prager Burg offensichtlich nutzen will. Am Donnerstag Abend schmuggelte der Kanzler den Chef des Abgeordnetenhauses Radek Vondracek an Zemans Krankenbett. Wieder zurück, wedelte der mit Zemans Unterschrift im Fernsehen, mit der er die konstituierende Sitzung des Abgeordnetenhauses für den 8. November einberufen hat. Dem Präsident gehe es gut, man habe sich nett unterhalten und dabei sogar gewitzelt, erklärte Vondracek, laut Verfassung der dritte Mann im Staat.

Die Staatsanwaltschaft Prag geht inzwischen dem Verdacht nach, die Unterschrift Zemans sei gefälscht. Tatsächlich sieht sie im Vergleich auffallend anders aus, als sein bislang bekannter Schriftzug. Warum wird hier ein kranker Mann, der auf das Ende seines Lebens zugeht, von seinen Nächsten so benutzt? Eine Frage des Machterhalts.

Durch den Hintereingang

Tschechiens Verfassung schreibt dem Präsidenten eine entscheidende Rolle bei der Regierungsbildung zu: Er soll den Vertreter der stärksten Partei zuerst mit der Regierungsbildung beauftragen. Dabei liegt es in seinem Ermessen, wie viel Zeit er ihm dafür gibt. Da die Verfassung Wahlbündnisse nicht erwähnt, war es Andrej Babiš, der am Sonntagvormittag nach der Wahl bei Zeman auf Schloss Lány antanzte.

Zwanzig Minuten später verließ er das Gebäude durch den Hintereingang. Vorne wartete die mobile Intensivstation, die Zeman ins Prager Militärkrankenhaus brachte. In diesen 20 Minuten habe Zeman ihn mit der Regierungsbildung beauftragt, behauptet Babiš jetzt. Zwar bringt ihm das ohne Koalitionspartner allenfalls Zeit. Der Westen, wie ihn die Prager beschworen haben, ist zwar in Prag angekommen. Doch wegen Unpässlichkeiten des Staatsoberhaupts muss er noch etwas warten.

Die Prager, die Milos Zeman genauso verachten wie Andrej Babis, wollen nun am Samstag für die Erhaltung seiner Würde wie auch der seines Amtes, demonstrieren. Inzwischen geht so manche/r einen Verdacht: Kann es sein, dass die Burg-Camarilla und Babiš daran basteln, ihn selbst zum Nachfolger des Präsidenten zu machen? Mit der Idee hat Babiš schon öfters gespielt.

Und Zeit hätte er ja bald. Theoretisch könnte er die Präsidentschaftswahl gewinnen, immerhin brauchte es eine Allianz aus drei Parteien, um bei der Parlamentswahl einen siegreichen 0,6-Vorsprung zu erhalten. Während das Anti-Babiš-Lager seinen Sieg feiert, stellt Babiš schon die Weichen für seinen nächsten. Und den wird ihm Prag nicht so leicht vermasseln.

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Auslandskorrespondentin Tschechische Republik
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2 Kommentare

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  • Ich wusste gar nicht, was für Verhältnisse in unserem Nachbarland herrschen. Vielen Dank für diesen aufschlussreichen Bericht!

  • Einen herzlichen Dank für diesen Bericht, so verstörend ich ihn auch inhaltlich finden mag.

    Es entsteht ein Bild von Tschechien, von dem ich quasi nichts wusste, außer, dass es da Bier gibt, das sich jetzt quasi nahtlos einreiht in die Reihe der diversen anderen Länder, bei denen ich mich mit wachsendem Unmut frage, wieso die eigentlich in der EU sind oder auf welcher Basis mit denen Beitrittsverhandlungen geführt werden.

    Das ist insofern furchtbar, weil die "europäische Idee" für mich ein Kernstück einer zukunftsweisenden Politik darstellt.



    Je weniger aber davon zu erkennen ist, umso mehr dürften Bürger, vielleicht sogar wie die Briten, sich wieder nationalstaatlichem Denken verschreiben. Und das ist in meinen Augen einfach eine ungute Entwicklung.