piwik no script img

Gesundheitswesen in Brasilien und KubaTausche Mediziner gegen Devisen

Mit 4.000 kubanischen Ärzten will Brasilien seine medizinischen Mängel beheben. Kubas Gesundheitswesen braucht die Einnahmen.

Ankunft kubanischer Ärzte an der Universität von Brasilía am Montag. 4.000 Dollar pro Arzt und Monat kassiert Kuba für die Hilfe Bild: ap

BERLIN taz | Kubas Ärzte bleiben eines der beliebtesten Exportprodukte der Insel. Am Wochenende wurden 176 kubanische Ärzte in Brasiliens Hauptstadt Brasilía empfangen. Weitere 3.800 Ärzte sollen bis zum Jahresende folgen, um dort zu helfen, wo es Lücken in Brasiliens Gesundheitsversorgung gibt – in den abgelegenen ländlichen Regionen.

Doch vorab erhalten die Ärzte von der Insel erst einmal einen vierwöchigen Crashkurs über die Strukturen des brasilianischen Gesundheitssystems und die Landessprache, so der kubanische Delegationsleiter Rodolfo García gegenüber der Granma. Die berichtete ausführlich über den warmen Empfang der Ärzte, der zwischenzeitlich auf der Kippe gestanden hatte.

Nachdem im Mai dieses Jahres die Pläne von Brasiliens Gesundheitsminister Alexander Padilha bekannt wurden, hagelte es Proteste vom Ärzteverband. Dessen Vorsitzender, Floriano Cardoso, zog die Qualifikation der kubanischen Ärzte in Zweifel und schob der Regierung sogleich die Verantwortung für potenzielle Kunstfehler und Komplikationen zu.

Derartige Stimmungsmache gegen die Misiónes, wie die medizinischen Auslandseinsätze in Kuba genannt werden, hat es bereits früher gegeben – in Venezuela genauso wie jüngst in Ghana. Doch Kubas Ärzte genießen unter Kollegen in aller Regel einen guten Ruf, weil sie bei der Erstversorgung in Regionen mit bescheidenen Mitteln wie in Haiti gute Arbeit leisten.

„Defizite gibt es eher bei der Arbeit mit Hightech-Equipment. Da hinken wir hinterher, weil das bei uns in der Ausbildung nicht immer vorhanden ist“, erklärt Omar Everleny Pérez Villanueva.

Der Sozialwissenschaftler weiß genau, welche Rolle die Ärzte mittlerweile für die Inselökonomie spielen. Auf rund 6 Milliarden US-Dollar schätzt er die Einnahmen, die Kuba durch den Auslandseinsatz von derzeit rund 38.100 Gesundheitsspezialisten in rund 60 Ländern erwirtschaftet. Längst ist der Export von Fachpersonal die wichtigste Einnahmequelle für Kubas marode Wirtschaft. Das Gros der Einnahmen kommt derzeit aus Venezuela, wo rund 30.000 Ärzte und Schwestern im Einsatz sind.

Tausche „weiße Engel“ gegen Erdöl

Dabei wird der Einsatz der „weißen Engel“ aus Kuba auf unterschiedlichen Wege abgerechnet – unter anderem über die Anlieferung von täglich rund 100.000 Fass Erdöl, so Pérez Villanueva. Allerdings schieben kubanische Ärzte nicht nur gegen harte Devisen Dienst in Übersee, sondern helfen auch aus Solidarität in Armutsregionen von Lateinamerika, Asien oder Afrika.

Das funktioniert, weil die Insel mit einem Arzt pro 160 Einwohner die höchste Ärztedichte in Lateinamerika hat und gar nicht alle der 75.000 Mediziner auf der Insel in Lohn und Brot bringen könnte.

Dank der Brasilienkooperation kann sich die Regierung in Havanna nun auf eine neuerliche Finanzspritze freuen. Rund 4.000 US-Dollar pro Arzt und Monat sollen laut brasilianischen Angaben nach Havanna transferiert werden. Devisen, die die Regierung in Havanna dringend benötigt, denn die Infrastruktur im Gesundheitswesen hat in den letzten zwei Dekaden sehr gelitten.

Das belegt ein offener Brief, den einige Chirurgen der Universitätsklinik Calixto García im September 2012 an Raúl Castro richteten. Darin forderten die Mediziner den Staatschef auf, die „desaströsen Verhältnisse“ an der Uniklinik von Havanna zu korrigieren.

Von dreißig Operationssälen seien nur maximal zehn nutzbar, die Versorgung der Patienten sei so nicht zu gewährleistenm, und der Gründerzeitbau verfalle zusehends. Ein Brief, der zeigt, dass nicht alles rundläuft in Kubas viel gelobtem Gesundheitssystem.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • A
    Anna

    Ein Land, dass Ärzte in andere Länder schickt, statt wie unser Land Waffen produziert und an Diktatoren verkauft, finde ich gut. Kuba zettelt keine Kriege an, ist das einzige Land, das nachhaltig wirtschaftet. Das nicht jeder ein Auto hat oder Kaviar zum Frühstück ist nun mal so, wenn man die Erde nicht kaputt machen will. Unsere dekadenten Maßstäbe anzulegen, obwohl wir nur so reich sind weil wir Kriege führen (lassen) kann ja wohl keiner ernst meinen, der ein bisschen in der Welt rumgekommen ist.

  • RS
    Reinhold Schramm

    Auch in Kuba bestimmt die kapitalistische Ökonomie zunehmend die Gesellschaftsordnung. Ohne Sex-Tourismus und finanzielle Überweisungen aus dem Ausland (vor allem aus EU-Europa und den Vereinigten Staaten) wäre die offizielle politische und sozial-ökonomische Ordnung bereits am Ende. Die gesellschaftspolitische Kapitulation der mittel- und osteuropäischen Staaten und Völker, vor allem vor dem westeuropäischen Imperialismus (- in Ostdeutschland vor allem vor den eigenen Konsumwünschen - wie in Westberlin und Westdeutschland -) hat der sozial-humanistischen kubanischen Revolution letztlich mit das Genick gebrochen.

  • E
    Eingeloggt

    UU$4,000 bekommt Kuba, und der Arzt wieviel?, Ist das nicht Leiharbeit?, dürfen die Ärzte frei reisen?, dürfen sie ihre Arbeit frei wählen?, werden da nicht Ärzte "produziert" um später sie als Leiharbeiter auszubeuten?. Der Artikel ist ziemlich miserabel und einseitig zu Gunsten der Dynatie Castro.

  • VI
    Vorwärts immer

    Der Sozialismus funktioniert einfach super. Müssen wir auch einführen! Aber jetzt neu mit Multikultiintegration. Dann können wir statt Autos und Maschinen wie die Genossen in Kuba Ärtzte auf Pflegepersonalniveau dafür mit Rütliabitur exportieren.

  • LC
    Lemmy Caution

    Zu Venezuela hab ich mal gehört, dass die Arbeit jedes Arztes mit 130.000 Dollar im Jahr entgolten wird. Sollte diese Zahl stimmen, würde Venezuela wesentlich mehr als Brasilien pro Arzt zahlen.

     

    In jedem Fall dürfte der Kubanische Staat als Arbeits-Verleiher kräftig die Hand aufhalten. Ich hab gehört, dass die kubanischen Ärzte in Venezuela bei freier Kost und Logis nur etwa 500 Dollar im Monat für sich behalten. Veranschlagen wir Kosten von ebenfalls 500 Dollar für Unterkunft und Verpflegung behält der Arbeitsvermittler für den Einsatz-Standort Venezuela über 90%, für Brasilien immerhin 75%.

  • Ergänzung:

    Kubanische Ärzte arbeiten in 66 Ländern in Lateinamerika, Asien und Afrika. Vierzig der am Austauschprogramm teilnehmenden Nationen sind arme Länder, die kostenlose medizinische Versorgung erhalten. Diese Vereinbarung ist Teil eines vom ehemaligen Präsidenten Fidel Castro im Jahr 1998 initiierten Programmes, um den verarmten Staaten kostenlose medizinische Hilfe zukommen zu lassen.

  • Laut AFP wird Kuba vorübergehend Ärzte und medizinisches Personal nach Saudi-Arabien entsenden. Dies gab das Außenministerium am Montag (1.07. 2013) in Havanna bekannt. Demnach wird die erste Gruppe von kubanischen Medizinern im “King Saud Medical City” und am “Prince Salman Hospital”, zwei der renommiertesten medizinischen Einrichtungen der Saudis, zum Einsatz kommen.

     

    Kubas Botschafter Enrique Enriquez hatte die Vereinbarung am Sonntag (30.) in Riad unterzeichnet. Beamte aus beiden Ländern verhandeln aktuell über andere Arten von medizinischer Zusammenarbeit, von denen das saudische Gesundheitssystem profitieren könnte.

    http://www.saudigazette.com.sa/index.cfm?method=home.regcon&contentid=20130626171270

  • V
    Vroma

    Ich glaube nicht, dass das alles studierte Ärzte sein können. Auf Kuba muss es ja eine richtige Fabrik für Ärzte stehen. Man muss sich nur vorstellen wieviele solcher "Ärzte" sich schon in Venezuela befinden.

     

    Von dort kann ich aus eigener Erfahrung berichten, dass diese eher das Niveau von Pflegepersonal haben.