Gesundheitsreform beschlossen: Kassenbeiträge steigen

Die Bundesregierung regelt die Gesundheitsfinanzierung neu: Viele Versicherte werden erst entlastet – später wird es wohl auf breiter Front teurer.

Künftig sollen die Kassen Zusatzbeiträge nehmen können, die vom Einkommen der Versicherten abhängig sein werden Bild: ap

BERLIN dpa | Die Bundesregierung hat die schwarz-rote Gesundheitsreform auf den Weg gebracht. Mit dem geplanten Reformstart Anfang 2015 soll der Beitragssatz für alle Krankenkassen von 15,5 auf 14,6 Prozent sinken. Ein Sonderbeitrag von 0,9 Prozent zulasten der Kassenmitglieder soll entfallen. Stattdessen sollen die Kassen Zusatzbeiträge nehmen können, die vom Einkommen abhängig sein werden. Mittelfristig werden dadurch höhere Beiträge auf Millionen Versicherte zukommen. Arbeitgeber sollen künftig nicht mehr stärker belastet werden.

Nach dem Kabinettsbeschluss vom Mittwoch – genau nach den ersten 100 Amtstagen der Regierung - sind Änderungen im weiteren parlamentarischen Verfahren möglich. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) bekräftigte im Deutschlandfunk, 2015 werde die Krankenversicherung zunächst für viele günstiger.

Denn rund 20 Millionen Menschen seien bei einer Kasse, die weniger Geld durch Zusatzbeiträge bräuchten, als sie durch die Streichung des 0,9-Prozent-Anteils verlören. Bei anderen Kassen ändere sich unterm Strich nichts. Wieder andere bräuchten mehr. Den Kassen-Mitgliedern wird dann ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt.

Ob es 2015 im Durchschnitt zu einer Entlastung der Versicherten komme, werde sich erst im Herbst entscheiden, wenn die Kassen ihre Haushalte aufstellten, sagte die Chefin des Kassen-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer, der Passauer Neuen Presse.

Keine Erhöhung für Arbeitgeber

Ab 2016 dürften die Zusatzbeiträge nach oben gehen, weil die Ausgaben der Krankenversicherung ihre Einnahmen in immer größerem Ausmaß übersteigen. Der Essener Gesundheitsökonom Jürgen Wasem sagte: „Ich gehe davon aus, dass der Zusatzbeitrag ab 2016 im Schnitt jedes Jahr um 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte steigen wird.“ Manche Kassen könnten dies durch Rücklagen abfedern. „Für 2017 rechne ich mit Zusatzbeiträgen von 1,3 bis 1,5 Prozent.“ Das Bundesversicherungsamt geht sogar noch von höheren Beträgen aus.

Die Arbeitgeber sollen an der Finanzierung steigender Kosten nicht mehr beteiligt werden. Für sie bleibt es bei der Hälfte des Beitragssatzes (7,3 Prozent). Die SPD-Gesundheitsexpertin Hilde Mattheis betonte, dass dieses Zugeständnis an die Union für ihre Fraktion schmerzlich sei. „Die SPD wird sich an dieser für uns schwierigen Stelle an den Koalitionsvertrag halten“, sagte sie. „Wir weisen aber darauf hin, dass damit der Arbeitgeberbeitrag nicht für alle Zeiten festgeschrieben wird.“ Im Übrigen werde der Entwurf im Bundestag noch verändert.

Gröhe verteidigte das Schonen der Wirtschaft. Er wolle nicht, „dass eskalierende Lohnnebenkosten Arbeitsplätze vernichten und damit die Grundlage eines solidarischen Gesundheitswesens untergraben“. Die Grünen-Gesundheitsexpertin Maria Klein-Schmeink sagte: „Die Zeche zahlen die Versicherten.“

Schluss mit Prämien

Anders als von der schwarz-gelben Koalition geplant, solle es nicht einmal mehr eine persönliche Belastungsgrenze für den Anstieg der Beiträge geben. Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) pochte auf Nachbesserungen, denn durch die gute Wirtschaftslage in Bayern flössen von dort hohe Beitragsgelder ab.

Mit der Reform entfällt für finanzstarke Kassen auch die Möglichkeit, pauschale Zusatzbeiträge zu erheben oder Prämien auszuschütten. In diesem und dem vergangenen Jahr profitierten rund acht Millionen Kassenmitglieder von einer Beitragsrückerstattung.

Außerdem will die Bundesregierung ein neues Institut gründen, das die Qualität der Krankenhäuser in Deutschland messen soll. Neue Aufbereitungen entsprechender Daten sollen ermöglichen, dass Kliniken mit guten Behandlungsergebnisse besser bezahlt werden. Andere sollen Abschläge hinnehmen müssen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft lehnte Abschläge ab. Kassen-Verbandschefin Pfeiffer forderte, das Verfahren auf niedergelassene Ärzte auszudehnen.

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