Gespräche über Urananreicherung: Iranisches Atom-Schach
Teheran bereitet mit einer Mischung aus Machtdemonstrationen und Eingeständnissen die nächste Runde der Gespräche über sein Nuklearprogramm vor.
KAIRO taz | Der König unter den Strategiespielen, das Schach, stammt aus Persien. Dabei galt es den Schah - den König - zu schlagen. Zumindest im politischen Schach hat die Regierung in Teheran ihren Vorfahren einiges abgeguckt. In den letzten Tagen hat sie gleich mit mehreren Zügen überrascht.
Der letzte: eine Serie von Raketentests. Bis zu 2.000 Kilometer reichen die iranischen Flugkörper weit, die derzeit in Manövern der Revolutionsgarden mit dem Namen "Woche der geheiligten Verteidigung" getestet werden. Sie können also potenziell Israel, die US-Militärstützpunkte am Golf und selbst die Südostspitze Europas erreichen. Das zeige, dass der Iran seine "strategische und vorbeugende Fähigkeit" gesteigert habe, "um gegen jegliche Drohung gewappnet zu sein", erklärte die Elitetruppe.
Am Sonntag hatte der Iran auch Kurzstreckenraketen getestet. Bereits vergangene Woche hatte die Regierung in Teheran die Existenz einer zweiten im Bau befindlichen iranischen Anlage zur Urananreicherung in der Nähe der iranischen Stadt Qom bekannt gegeben. Nach iranischen Angaben soll sie in 18 Monaten in Betrieb gehen können. Die Anlage sei zum Schutz vor Luftangriffen in einen Berg gebaut und liege bei einem Stützpunkt der Revolutionsgarden, teilte der Chef des iranischen Atomprogramms, Ali Akbar Salehi, am Dienstag mit. Zudem sei die Anlage durch Raketenabwehr geschützt. Nach Auffassung Londoner Militärexperten bestätigen Satellitenfotos der Gegend die iranischen Angaben.
Der Zeitpunkt für diese Bekanntgabe einer weiteren Anreicherungsanlage und die Raketentests ist kein Zufall. Für Donnerstag sind das erste Mal seit 14 Monaten in Genf Verhandlungen der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates - USA, Frankreich, Großbritannien, Russland und China - sowie Deutschlands mit dem Iran angesetzt.
Die Regierung in Teheran hat nun ihr Muskeln gezeigt, um ihre Verhandlungsposition zu stärken. Denn sowohl Raketentests als auch die Offenlegung einer weiteren Urananreicherungsanlage verfolgen ein doppeltes Ziel. Zum einen sollen sie beweisen, dass die bisherigen Sanktionen den Iran nicht davon abgehalten haben, sich militärisch und atomar weiterzuentwickeln.
Daneben verfolgt das Säbelrasseln noch einen weiteren Zweck. Die nach den letzten Präsidentschaftswahlen angeschlagene iranische Regierung versucht im Inneren des Landes wieder als Verteidiger iranischer Interessen ihre Legitimität zurückzugewinnen. Mit jeder abgeschossenen Testrakete gegen einen potenziellen äußeren Feind hofft sie auch die grüne Oppositionsbewegung im Inneren zum Schweigen zu bringen.
Die Regierung in Teheran profitiert davon, den Konflikt aufrechtzuerhalten, ohne ihn jedoch auf die Spitze zu treiben. Denn gleichzeitig öffnet sie auch schon wieder die Hintertürchen zur dessen Entschärfung. Mit der Bekanntgabe einer weiteren Anreicherungsanlage geht auch das iranische Angebot an die Internationale Atomenergieorganisation einher, diese zu inspizieren. Doch beharrt Teheran auf seiner alten Position: Es habe ein Recht auf die Urananreicherung für friedliche Zwecke, alles andere sei eine unakzeptable Einschränkung der Souveränität, lautet das iranische Mantra.
Am Donnerstag wird nun der gemeinsame Schachzug der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates und Deutschlands erwartet. Der russische Läufer drängt nun erstmals auch neben den USA, nach der Offenlegung der neuen Anreicherungsanlage, auf eine härtere Gangart gegen den Iran. Der chinesische Turm verharrt dagegen auf seinem Feld. Der richtige Umgang mit dem Problem seien Verhandlungen, erklärte das Außenministerium in Peking am Dienstag.
Der iranische Gegner zeigt keine Anzeichen, demnächst Schach matt zu gehen. Wie es der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad am Vorabend des Treffens in Genf zusammenfasst: "Wir haben uns auf lange Verhandlungen eingestellt."
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