Gespräche über Rot-Grün-Rot: Lächeln vor dem Schlagabtausch

Die Koalitionsrunde an diesem Mittwoch ist bisher der größte Test für die Verhandler. Denn es geht um die Streitthemen Verkehr und Umwelt.

Das Bild zeigt die Politiker Bettina Jarasch, Klaus Lederer, Franziska Giffey und Raed Saleh vor der aktuellen Runde der Koalitionsgespräche in Schöneberg.

Die Koalitionsverhandler am Mittwochmorgen auf dem Weg zur Arbeit auf dem Euref-Campus

BERLIN taz | Noch scherzen sie miteinander, schauen lächelnd in die Fernsehkamera des RBB und in diverse Fotoobjektive. Es ist ja auch erst kurz vor halb elf, die neue Runde der rot-grün-roten Koalitionsverhandlungen hat noch gar nicht begonnen und damit auch nicht der mutmaßliche Streit über das, was schon seit längerem als „dicker Brocken“ der Gespräche gilt. Verkehr, Umwelt und Klimaschutz stehen heute auf der Tagesordnung, die Verhandler treffen sich im Wasserwerk auf dem Euref-Campus, einem Backsteinbau, der schon diverse politische Hoch-und Tiefpunkte erlebte. Es ist der bislang wichtigste Tag der Verhandlungen – der mit dem größten Konfliktptential.

Hier am Schöneberger Gasometer, wo etwa die SPD bei einem Sommerfest 2014 über den Dreikampf bei der Wowereit-Nachfolge diskutierte oder CDU-Mann Kai Wegner die Ablösung seiner Parteichefin Monika Grütters ankündigte, geht es nun um Streitfragen wie eine City-Maut und das 365-Euro-Ticket. Ersteres wollen unter den drei Verhandlungspartner allein die Grünen, das Zweite ist eine SPD-Forderung.

Grundsätzlich geht es darum, wie sich die Verkehrswende mit mehr Bussen und Bahnen bezahlen lässt. Gesucht wird eine dritte Finanzierungsquelle neben den beiden bisherigen, nämlich Fahrscheinverkauf und Zuschüssen aus dem Landeshaushalt. Bei der SPD schienen zuletzt Maut oder auch eine sogenannte Nahverkehrsabgabe – die bei den Sozialdemokraten als „Zwangsticket“ läuft – weiter nicht durchsetzbar.

Für 18 Uhr haben die Verhandler ein Pressestatement angekündigt. Doch scheint das illusorisch. Schon über die weit weniger strittigen Themen Kultur und Sport dauerten die Gespräche vergangene Woche elf Stunden. Zudem geht es an diesem Morgen noch nicht mal pünktlich los. Viertel vor zehn sollten sich alle für ein Foto vor dem Gasometer gleich neben dem Wasserturm aufstellen, doch dazu kommt es erst über eine halbe Stunde später.

Absichtliches Hinauszögern?

Möchte man die vielleicht nicht ganz so vergnügsamen strittigen Gespräche noch ein bisschen hinauszögern? Oder vorher Dinge im ganz kleinen Kreis vorbesprechen? Die Verhandler geben sich jedenfalls guter Dinge. Geheime Vorrunden gibt es aber offensichtlich nicht: Denn Grünen-Chefverhandlerin Bettina Jarasch steuert, ganz in Schwarz gekleidet, aber gleichfalls fröhlich, erst kurz vor offiziellem Beginn das Wasserwerk an.

Dafür, dass diese Menschen seit Wochen quasi täglich oft bis spät abends verhandeln – mal in diesem Kreis, mal in Parteigremien und Arbeitsgruppen – sehen alle noch relativ fit aus. Andreas Geisel, Innensenator und einer der SPD-Vizelandeschefs, fährt vor dem großen Gruppenfoto noch eine Extraschicht vor einer Fernsehkamera. Um das Fußball-Lokalderby Union gegen Hertha am Samstag sei es gegangen, erzählt er danach einer Gruppe um die Grünen-Fraktionschefinnen Antje Kapek und Silke Gebel.

Dann schiebt Geisel noch Überraschendes hinterher: Er, der langjährige Lichtenberger Bezirkspolitiker, werde immer wieder als Anhänger der im benachbarten Köpenick beheimateten Union dargestellt. Das sei aber gar nicht so sei. Geisels Begeisterung gehört, so ist zu hören, mehr den Basketballern von Alba.

Viele unstrittige Themen

Schließlich ist das Gruppenfoto absolviert, alle verabschieden sich in die journalistenfreie Zone des backsteinernen Wasserturm. Eine Woche lang sollen die Gespräche hier und anderswo noch dauern, dann soll am 24. November der Koalitionsvertrag stehen.

Gesetzt ist dafür trotz aller bisherigen Runden eher wenig. Nur gelegentlich haben sich die Verhandler nach einem Treffen konkret festgelegt – wie vergangene Woche, als Jarasch, die SPD-Landesvorsitzende Franziska Giffey und Linksparteichefin Katina Schubert zu später Stunde am Exflughafen Tegel 13 Euro als künftigen Vergabe-Mindeslohn ankündigten.

Sonst aber läuft es darauf hinaus, dass es nächste Woche in einer Schlussrunde ein großes Abwägen geben wird. Unbestritten bleibt an diesem Morgen am Rande, dass es mehr inhaltlich unstrittige Wünsche unter den drei Parteien gibt als die Landesfinanzen in den kommenden Jahren absehbar hergeben. Schon vergangene Woche sagte Jarasch der taz: „Wir werden nicht alles gleichzeitig schaffen.“

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