Gespräch mit Hildegard Hamm-Brücher: „Jetzt gibt es nur noch Herrn Westerwelle“
Hildegard Hamm-Brücher über Guido Westerwelles FDP vor dem Parteitag, Hosenanzüge und Spritztouren mit Erich Kästner im Klappsitz.
Dieses Interview erschien am 9. Mai 2009
Hildegard Hamm-Brücher begrüßt ihre Gesprächsgäste im Foyer des Berliner Hotels Adlon am Pariser Platz. Die große alte Dame der FDP, Jahrgang 1921, ist um fünf Uhr aufgestanden, um von München nach Berlin zu fliegen. Dort hat sie im Adlon eine Pressekonferenz zu dem von ihr herausgegebenen Buch „Demokratie, das sind wir alle“ gegeben. Nach einem leichten Mittagessen steht sie für ein Gespräch mit anschließendem Fotoshooting vor dem Reichstag zur Verfügung. Schon in eineinhalb Stunden geht ihr Flieger zurück nach München.
taz: Frau Hamm-Brücher, Sie haben gerade ein Buch anlässlich des 60. Geburtstages des Grundgesetzes herausgegeben.
Hildegard Hamm-Brücher: Haben Sie das denn gelesen? Oder interessiert Sie das gar nicht?
■ Familie: Hildegard Brücher wurde am 11. Mai 1921 in Essen geboren. Aufgewachsen in Berlin. Ein Jahr lang im Internat Salem am Bodensee; musste dies aber verlassen, weil ihre Großmutter Jüdin war. Sie hat einen Sohn und eine Tochter mit dem 2008 verstorbenen CSU-Politiker Erwin Hamm.
■ Ämter: 20 Jahre im FDP-Bundesvorstand, vier Jahre stellvertretende Parteichefin. 1976 bis 1982 Staatsministerin im Auswärtigen Amt. 1994 Kandidatur für das Amt der Bundespräsidentin.
■ Buch: Zuletzt veröffentlichte sie im Münchner Zabert Sandmann Verlag den Band „Demokratie, das sind wir alle“.
Doch, doch, Sie haben schließlich auch einen Aufsatz darin geschrieben!
Ja, in der Tat, und zwar meine Zeitgeschichte, meine Zeitzeugengeschichte von 1949 an, und das ist eine andere, kritischere Schilderung im Vergleich zu den meisten Jubelberichten, die jetzt vom Stapel gelassen werden.
Da wird ein Jubelkranz gewunden?
Es wird generalisiert, was wir für eine wunderbare Demokratie geworden sind. Sie ist zwar im Vergleich zu früher sehr gut gelungen, aber sie ist, auch im Hinblick auf Parteienverdrossenheit, Wählerabstinenz und mangelnden Parlamentarismus, nicht so perfekt, dass man sagen könnte: Das lassen wir so laufen.
Wir sind Anfang der Siebziger geboren und kennen den Liberalismus nur noch als Neoliberalismus. Können Sie uns vielleicht erklären, was Liberalismus ist?
Ich weiß, was Sozialliberalismus ist. Das hatten wir zehn Jahre, mit Willy Brandt, Helmut Schmidt, Walter Scheel, da haben wir soziale und liberale Politik gemacht – nicht nur diesen Wirtschaftsliberalismus, der jetzt angesagt ist. Der auch einer der Gründe war, warum ich aus der FDP ausgetreten bin.
Können Sie uns denn sagen, was dem Liberalismus in Deutschland heute fehlt?
In unserer reinen Parteiendemokratie ist eine Parteipolitisierung des Liberalismus schwierig. Ich finde, in allen Parteien müsste mehr Liberalität sein, mehr Offenheit für Veränderung und Pluralität. Aber wir haben eben dieses System. Und eine liberale Partei, die für sich in Anspruch nimmt, die einzige zu sein, die Liberalismus vertritt, und sich dann so verengt! Nur gewählt zu werden, um einer anderen Partei die Mehrheit zu verschaffen, ist ja auch nicht gerade das Ideal.
Heißt das, das Elend der FDP nahm Anfang der Achtziger seinen Lauf? Als Ihre Partei gegen Ihren Willen die sozialliberale Koalition auflöste und mit Kohl regierte?
Hans-Dietrich Genscher und Otto Graf Lambsdorff meinten seinerzeit, wir müssten Schmidt stürzen, weil Kohl eine Amnestie für Parteispendensünder versprochen hatte.
Das war der einzige Grund?
Natürlich nicht. Schmidt und Genscher, die redeten nie richtig miteinander – statt dass sie sich mal hingesetzt hätten, um ein paar Bierchen miteinander zu trinken. Schmidt war einer der besten, wenn nicht der beste Kanzler, den die Bundesrepublik je hatte.
Mit Ihnen ist es eine Freude, Kaffee zu trinken, Bierchen mit Guido Westerwelle fänden wir schwierig. Ein Vorurteil?
Ursprünglich war Herr Westerwelle ein begabter junger Nachwuchspolitiker, der rhetorisch sehr gut und aktiv war – und so weiter. Aber als er sich dann in der Partei durchgesetzt hatte, zeigte sich: Er ist ein reiner Machtpolitiker, sehr geschickt, sicher auch begabt. Aber wenn ich in einer Partei bin, dann muss ich doch wenigstens in Bruchstücken mit dem übereinstimmen, was diese Partei will, nicht?
Und warum gewinnt dann die FDP ausgerechnet jetzt in der Krise Wahlen?
Es gibt Leute, die versprechen sich davon einen Vorteil. Ich glaube, dass die Form des Kapitalismus, die Herr Westerwelle vertritt, nicht mehr zu vertreten ist. Dieser Kapitalismus hat abgewirtschaftet, das ganze System ist so diskreditiert, da kann man doch nicht einfach sagen: Weiter so, und die Leute können auch in Zukunft mit ihrem Geld in Steueroasen abziehen. Die schützt er ja jetzt auch schon wieder.
Er … Finden Sie es schmerzlich, dass das Gesicht des Liberalismus in Deutschland nur noch aus Guido Westerwelle besteht?
Nun, das ist ein Problem. Früher gab es ein Team, zum Beispiel Herrn Genscher, Herrn Mischnick, Herrn Scheel, die Frau Hamm-Brücher. Jetzt gibt es nur noch Herrn Westerwelle. Herr Brüderle ist mittlerweile auch ein bisschen abgewirtschaftet.
Wie konnte das denn passieren? Haben Sie sich damals womöglich nicht um den Nachwuchs gekümmert?
Wie das passieren konnte? Der Nachwuchs hat sich 1982 abgewandt, und das hatte eine Veränderung in der Mitgliedsstruktur der Partei zur Folge, die von Nordrhein-Westfalen aus, von Herrn Möllemann und von Herrn Westerwelle, eingefädelt wurde. Das war der stärkste Landesverband, die haben dann die Mehrheiten gebracht, und er saß fest im Sattel. So konnte das passieren.
Und so ist es seitdem?
Ja. Die wenigen, die noch einen sozialliberalen Kurs vertreten, etwa meine Freundin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, tun sich natürlich schwer. Sie hat die FDP jetzt in den bayerischen Landtag gebracht und dadurch natürlich eine bessere Position, aber es ist nicht leicht und als Frau doppelt schwer.
Da fällt einem Silvana …
Ich nehme mal kurz die Brille ab, ich glaube, das sieht ein bisschen freundlicher aus, für Ihren Fotografen.
Unbedingt, dann sieht man auch Ihre schönen Augen besser. Möchten Sie vielleicht noch etwas trinken, Frau Hamm-Brücher?
Ach nein, danke, ich hatte heute schon so viel Kaffee. Ich bin ja schon um fünf Uhr aufgestanden.
Und wir drangsalieren Sie hier mit unseren Fragen. Unhöflich, aber wir wissen auch nicht mehr, was eine Dame ist. Die gibt es doch heute gar nicht mehr, oder?
Die gibt es schon. Früher gab es Damen, die nichts zu sagen hatten, heute gibt es Damen, die keine richtigen Damen mehr sind, aber dafür was zu sagen haben.
Sie waren immer eine Dame, die auch was zu sagen hatte. Wie ging das?
Angela Merkel hat mich neulich als „die dienstälteste Politikerin des Landes“ apostrophiert. Und junge Frauen wollen immer von mir wissen: Wie war denn das damals, als Sie immer die einzige und die jüngste waren? Heute bin ich auch immer die einzige – und die älteste. Also, das Leben ist wirklich wundersam … Früher gab es eigentlich immer nur Alibifrauen, die man dann mitlaufen ließ. Wirklichen Einfluss, den musste man sich doppelt hart erkämpfen.
Das waren oft Frauen, keine Damen. Eher neutral.
Ja, und die haben in den Parteien auch nur wenig den Mund aufgemacht. Aber ich fand 1945, nachdem uns Männer gleich zweimal hintereinander in den Krieg und ins Unglück gestürzt hatten, dass sie das nicht ein drittes Mal machen dürften.
2004 haben Sie die Präsidentschaftskandidatur von Gesine Schwan unterstützt, weil Sie der Meinung waren, dass eine Frau …
Sogar vehement! Auch in Zeitungsanzeigen. Auf den Schulden bin ich noch lange gesessen.
Schalten Sie noch mal welche in den nächsten zwei Wochen?
Nein. Ich schätze Gesine Schwan sehr, nach wie vor. Aber ich finde, in dieser Situation ist Köhler viel besser, als man zunächst geglaubt hat. Er versteht wirklich etwas von den Weltwirtschaftssachen – und hat mehr zu der Situation zu sagen als die meisten Politiker.
Waren Sie seinerzeit traurig, dass Sie das Präsidentenamt nicht bekommen haben?
Nein! Überhaupt nicht. Keine Minute. Ich hatte keine Chance, aber ich habe sie genutzt. Und noch heute sagen mir Leute: Schade, dass Sie das damals nicht geworden sind. Aber immerhin, bis Mitte der Neunziger hatte man ja noch nicht mal die Idee, dass das auch eine Frau machen könnte.
Und dennoch möchten Sie sich nicht als Frauenpolitikerin verstanden fühlen. Weil man darauf reduziert wird?
Erstens ist für mich alle Politik Frauenpolitik. Ich mag nur das Gejammere und Geweine nicht, das Sich-benachteiligt-Fühlen und die pauschale Beschimpfung der Männer. Auch finde ich es gut, wenn Männer und Frauen gemeinsam aktiv werden.
Hildegard Knef lernte im Krieg die Kameradschaft mit Männern, Soldaten schätzen.
Ich bin jünger als Hildegard Knef, und ich war zu Kriegszeiten noch voll im Studium und hatte meine Platz noch so gar nicht gefunden. Durch die Nürnberger Gesetze war ich als Mischling eingeordnet.
Weil Ihre Großmutter Jüdin war?
Ja, meine Großmutter, bei der wir seinerzeit lebten, nahm sich das Leben, als sie nach Theresienstadt deportiert werden sollte. Mir wollte man zunächst keine Studienerlaubnis geben.
Das Frauenbild wurde damals vom BDM bestimmt, dem Bund Deutscher Mädel. Hätten Sie da gerne mitgemacht, auch wenn Sie nicht durften?
Nein. Und zwar aus zwei Gründen: erstens, weil ich ein frommes Kind war – in diesen Nazi-Organisationen war das sehr verhasst. Und das andere war, dass ich unheimlich frühzeitig so viel gelesen habe, so viele Interessen gehabt habe. Ich hätte gar keine Zeit für so was gehabt.
Also keine Zeit, Rhönrad zu fahren …
… Keulen schwingen, rumhopsen, Aufmärsche machen, Fähnchen schwingen …
Sie waren gar nicht jugendbewegt?
Nein, ich war ziemlich immun. Ich hatte auch immer Freundinnen, die mich beneidet haben, weil ich da nicht reinmusste.
Später waren Sie dann in einer Partei.
Ja, und das würde ich heute nicht mehr machen.
Heißt das, junge Leute sollten ebenfalls die Finger von so etwas lassen?
Nein, das nicht. Wer sich politisch engagieren will, muss dies in einer Partei tun, keine andere Chance. Aber es gibt es so viele andere wichtige Bereiche, von Greenpeace bis Amnesty, man kann sich genauso ohne Partei politisch engagieren und nützlich machen, ohne diese „Erniedrigungen des Aufstiegs“ in der Partei. So habe ich das immer genannt. Aber damals, nach dem Krieg, da war alles noch viel offener, die waren ja froh, wenn sie überhaupt jemanden hatten, der mitgemacht hat, zumal eine junge Frau, die sich einigermaßen benehmen konnte, reden konnte. Das war viel einfacher. Heute würde ich auch nicht so schnell Karriere machen, wahrscheinlich würde ich gar keine machen.
Und wie wird man heute Politiker?
Ich meine, wenn Sie Parlamentarier werden möchten, dann müssen Sie schon in eine Partei gehen. Aber es gibt ja heute auch Parteien, die offener sind, bei den Grünen, da kann man doch wohl weiter seine Meinung sagen.
Womöglich. Was haben Sie damals eigentlich gedacht, als die Grünen in den Bundestag einzogen?
Da war ich begeistert! Wie sie da mit ihren Blumentöpfen und Turnschuhen anmarschiert kamen, während der Bundestagspräsident uns Frauen nicht im Hosenanzug zum Rednerpult gehen lassen wollte. Der hat uns ja zurückgeschickt!
Wirklich wahr?
Ja! Das war Anfang der Siebziger. Der schickte auch Leute, die keinen Schlips anhatten, zurück.
Haben Sie gern Hosenanzüge getragen?
Ich fand die praktisch, man hatte dann nicht immer den Ärger mit Laufmaschen und zu engen Röcken.
Heute scheint es eine verbindlichen Look für Politikerinnen zu geben, Angela Merkel und Hillary Clinton sehen irgendwie gleich aus, finden Sie nicht?
Ja, ja, Hose und Blazer, da würde ich mir auch ein bisschen mehr Abwechslung wünschen. Aber Angela Merkel kann da nicht so viel Zeit darauf verwenden, die hat ja nun eine Übermenge zu tun. Das Kanzleramt ist das einzige Amt, das ich mir nie zugetraut hätte, ich habe ja als Staatsministerin gesehen, was Helmut Schmidt seinerzeit von sechs Uhr früh bis zwei Uhr nachts leisten musste.
Macht Angela Merkel das gut?
Ja, sehr gut. Großer Respekt. Das hätte ich ihr anfangs nicht zugetraut. Und dann diese Kritisiererei. Bei Schröder hieß es immer der „Basta-Kanzler“, und jetzt ist es auch nicht recht, wenn sie versucht, zu moderieren. Aber sie hält die Koalition zusammen. Meine Prognose: Mit der großen Koalition geht es weiter. Ich finde auch Schwarz-Gelb nicht so attraktiv, da müsste ja Angela Merkel wieder völlig umschalten. Beziehungsweise den Rückwärtsgang einlegen: zurück nach Düsseldorf.
Sie raten also ab, die FDP zu wählen?!
Ich warne davor, weil es sich um kommunizierende Röhren handelt. Wenn es bei der CDU runtergeht, geht es bei uns wieder rauf – und umgekehrt.
Um noch mal auf Angela Merkel zurückzukommen: Finden Sie, dass ihre Politik deutlich weibliche Züge trägt, das Moderierende zum Beispiel?
Wenn sie neben Obama sitzt und richtig mit ihm flirtet, dann setzt sie ihre Fraulichkeit ein. Das ist natürlich diplomatisch, aber sie macht das mit einer Natürlichkeit, sie küsst den Sarkozy …
Ist sie da reingewachsen?
Sie ist enorm gewachsen! Und sie ist sehr lernfähig.
Wir möchten ja von Ihnen lernen. Wirtschaftskrise, Klimakatastrophe, Schweinegrippe – mit Ihrer Erfahrung im Rücken: Wie kommen wir da durch?
Mit Gottvertrauen. Nein, im Ernst, da gibt es kein Rezept. Man muss etwas gelernt haben, damit man sein täglich Brot verdienen kann. Es weiß niemand auf dem Gipfel, wo das Ganze wirklich ankommt; Ob man das Finanzwesen auf eine Kontrollebene bekommt ob man das schafft und ob das hilft. Ich kann Ihnen da leider gar keinen Trost bieten.
Nicht?
Ach Gott, das Leben ist mal so und mal so. Es ist doch auch schön, wenn nicht alles immer auf Nummer sicher läuft, das kennen Sie doch auch von Ihrer Zeitung.
Ja, stimmt. Sie waren ja auch mal Journalistin – und Ihr Chef war Erich Kästner?
Der war reizend! Ein toller Bursche. Ich war sehr jung, hatte ja eigentlich Chemie studiert. Und die Neue Zeitung war eine von den Amerikanern gegründete Zeitung, in der man dann lernte, was freier Journalismus ist. Als Naturwissenschaftlerin bekam ich sofort Aufträge, über Atomspaltung und Penicillin zu schreiben – das war damals was ganz Neues. Das Einzige, was ich nicht konnte, war Schreiben. Mein erster Artikel sollte ein biografisches Stück über den jüdischen Wissenschaftler Fritz Haber sein.
Der vom Haber-Bosch-Verfahren, mit dem man Ammoniak gewinnt?
Ja, und der Artikel war dann sechs Seiten lang. Aber die Neue Zeitung, die hatte ja höchstens drei Blätter, höchstens. Erich Kästner, den ich gar nicht kannte, ließ mich dann reinbestellen und sagte, dass das alles sehr schön sei – und auf eineinhalb Seiten gekürzt werden müsse …
Streng!
Nein, wir haben beide sehr gelacht. Ich habe von ihm gelernt, wie man einen Artikel schreibt. Und er erfand immer neue Namen für mich. Wenn etwas gut war, sagte er: „Hildegardinchen, das haben Sie gut gemacht“, oder er sagte: „Hilde Vorgärtchen, da müssen Sie noch ein bisschen jäten.“ Es war immer Spaß.
Er war auch im richtigen Leben witzig?
Ja, nicht so ein sturer journalistischer Bürokrat. Er hat sich dann sehr schnell aus der Chefredaktion zurückgezogen, weil er schreiben wollte, ihm war das zu langweilig. Aber wir blieben Freunde, bis zu seinem Lebensende.
Gab es einen Fehler in Ihrem Leben, den Sie grundsätzlich bereuen?
Nein, dafür war ich zu nüchtern. Ich wusste ja auch immer, du kannst gar nicht alles ändern – natürlich hat man Dummheiten und Fehler gemacht, klar. Aber das bejahe ich.
Sich auch mal verfahren. Verraten Sie uns doch auch noch, was Ihr erstes Auto war – weil man doch gerade nicht weiß, welche Firmen pleitegehen.
Mein erstes Auto? Das ist eine nette Frage. Meinen Führerschein habe ich ja schon 1937 gemacht. Nach dem Krieg, als ich bei der Neuen Zeitung war, kaufte ich mir einen kleinen, vorher beschlagnahmten Fiat, grün war der. Ich nannte ihn dann den „Grünen Heinrich“. Ein Zweisitzer mit Steckfenstern, das Dach ging zurück, und hinten war eine Klappe, in der zur Not jemand sitzen konnte. Und das war dann der Erich Kästner, wenn wir im Winter über Land fuhren, um irgendwo Eier zu hamstern. Ich hatte, mit meinen chemischen Kochkünsten, Süßstoff hergestellt, und den tauschten wir ein. Da bekamen wir für ein kleines Tütchen Saccharin Eier oder Mehl. Dann habe ich Alkohol destilliert, und wir haben Eierlikör gemacht. So haben wir uns über Wasser gehalten.
Also doch ein Trost für Krisenzeiten!
Nun geht es weiter mit dem Taxi, um die Ecke, bloß zum Reichstag, wo Frau Hamm-Brücher inmitten von Horden jugendlicher Limonadetrinker steht, die auf den Treppen des Reichstags in der Sonne sitzen, weil ihre Lehrer das so wollten. Die Taxifahrerin lässt es sich nicht nehmen, auf Frau Hamm-Brücher zu warten – „eine Dame! So jemanden fährt man nicht alle Tage.“
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