piwik no script img

Geschlechtergerechtigkeit im ParlamentParitätsgesetze klagefester machen

Konservative wollen Gesetze kippen, die Frauenquoten auf Wahllisten vorschreiben. Der Juristinnenbund will die Regelungen verteidigen.

Geschlechtergerecht geht anders: die Spitzenkandidat*innen für die Landtagswahl in Sachsen Foto: imago images/ Florian Gärtner

Berlin taz | Brandenburg hat eins, Thüringen hat eins, Berlin ist in konkreten Gesprächen und in weiteren Ländern wird zumindest darüber diskutiert: ein Paritätsgesetz, dass Parteien verpflichtet, die Wahllisten im Reißverschlussverfahren mit Frauen und Männern zu besetzen. Doch wo es darum geht, Macht umzuverteilen, gibt es Widerstand: So sind in Brandenburg bereits Klagen von NPD und Piraten vorm Landesverfassungsgericht anhängig, die Thüringer CDU-Fraktion hält das Gesetz für verfassungswidrig und behält sich die Klage vor.

Nun hat sich der Deutsche Juristinnenbund mit den Argumenten auseinandergesetzt, die von Verfassungsrechtlern gegen die Parität angeführt werden. „Unser Ziel ist, dass Paritätsgesetze nicht vor den Verfassungsgerichten scheitern“, sagte Verbandspräsidentin Maria Wersig am Mittwoch in Berlin.

Im neu gewählten Landtag in Sachsen liegt der Frauenanteil bei gerade einmal 28 Prozent. In Brandenburg, wo das Paritätsgesetz erst 2020 in Kraft tritt, fiel er um knapp 8 Prozentpunkte auf 32 Prozent. Sogar die UN-Frauenrechtskommission kritisiert in Bezug auf Deutschland, dass die mangelnde Teilhabe von Frauen an politischen Entscheidungen strukturelle Ursachen habe.

Doch die deutsche Staatsrechtslehre, so Wersig, „blockiere“ die Debatte. So werde etwa behauptet, dass nach der Berücksichtigung von Frauen auch anderen Gruppen vergleichbare Rechte gewährt werden müssten. Dies verkenne, dass Frauen keine partikulare Gruppe sind, sondern Teil aller Schichten und Gruppen der Bevölkerung. Zudem müsse in einer Demokratie gerade die Präsenz derjenigen gewährleistet werden, die historisch von staatlichen Institutionen ausgeschlossen waren.

Interfraktionelle Gruppe im Bundestag trifft sich

Wie die nächsten Schritte auf dem Weg zu einer paritätischen Besetzung deutscher Parlamente aussehen, ist derzeit kaum absehbar. Weder sei klar, wie die Landesverfassungsgerichte entscheiden, noch, ob das Bundesverfassungsgericht zu den Ländergesetzen Stellung beziehen werde oder nicht.

Auf Bundesebene hatte der Deutsche Frauenrat bereits im Januar eine Kampagne mit dem Ziel der Geschlechterparität ins Rollen gebracht. Seit Februar trifft sich eine interfraktionelle Gruppe im Parlament, um „mehr Frauen in den Bundestag“ zu bringen. Noch am Mittwoch kam diese Gruppe zum ersten Mal nach der Sommerpause zusammen. Von den Teilnehmerinnen hieß es, nun solle ein Antrag zur Einsetzung einer Kommission beraten werden. Die soll Vorschläge erarbeiten, um mehr Frauen in den Bundestag zu bringen. Noch in dieser Legislatur soll die Kommission zu einem konkreten Ergebnis kommen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Man muss wohl nicht besonders konservativ sein, um das Prinzip der freien Wahl für wichtiger zu halten als Quoten. Und freie Wahl heißt eben, dass das Ergebnis in keiner Weise vorgeschrieben ist, weder darf man den Parteien vorschreiben, wen sie aufstellen (sie selbst dürfen sich natürlich Regeln geben), noch dem Wähler, wen er wählen darf.

  • Bevor man hier gesetzgeberisch (und mal wieder verfassungswidrig) tätig wird sollten erstmal Anstrengungen unternommen werden festzustellen ob Frauen in dieser Hinsicht überhaupt benachteiligt werden. Denn darauf hindeuten tut ja nicht viel. Bei der Bundeszentral für politische Bildung kann jeder der es wissen will nachlesen das Männer in politischem Wissen, Interesse und Engagement Frauen um einiges voraus sind. Nicht erfasst wird leider wie ausgeprägt das Engagement dann jeweils ist. Jedoch ist die Tendenz ganz klar: Frauen werden entsprechend ihres politischen Engagements wohl schon relativ fair repräsentiert und zwar auch ohne Zwangsmaßnahmen. Wer etwas an der Ausgangslage ändern will muss „die Frauen“ in die Verantwortung nehmen und nicht den Gesetzgeber.

    „Zudem müsse in einer Demokratie gerade die Präsenz derjenigen gewährleistet werden, die historisch von staatlichen Institutionen ausgeschlossen waren.“

    Was für ein Unfug. Der Einzelne ist nicht mehr oder minder tauglich nur weil er vor 120 Jahren von derartigen Ämtern ausgeschlossen worden wäre.

    „Sogar die UN-Frauenrechtskommission kritisiert in Bezug auf Deutschland, dass die mangelnde Teilhabe von Frauen an politischen Entscheidungen strukturelle Ursachen habe.“

    Jaja,… immer wenn ich von „struktureller Benachteiligung“ höre komme ich mir oft vor als würde ich mit KIlern sprechen, die mir sagen das ihre Neuronalen Netze zu irgend einem großartigen Ergebnis gekommen sind, dass bestimmt auch richtig ist, nur leider könne niemand mehr nachvollziehen wie man zu diesem Ergebnis gekommen ist. Weil ähhh,… das ist ja alles so komplex!!!

    Bloß nichts klar benennen, denn wenn man etwas klar benennt wird es ja überprüfbar und könnte einer kritischen Analyse unterzogen werden.

  • Was soll das?

    ist mittlerweilen das Geschlecht ein Qualitätsmerkmal für gute Politik. Was ist, wenn es viele gute Politikerinnen im Parlament gibt. Alles hat oder mehr Seiten, das sollte aber mit Verstand und Fingespitzengefühl, und nicht Per Gesetz geregelt werden. Ich halte nicht von Quotenmännern ohne Qualifikation. Ich denke das ist die Richtschnur für gute Politik.

  • "Doch die deutsche Staatsrechtslehre, so Wersig, „blockiere“ die Debatte. So werde etwa behauptet, dass nach der Berücksichtigung von Frauen auch anderen Gruppen vergleichbare Rechte gewährt werden müssten. Dies verkenne, dass Frauen keine partikulare Gruppe sind, sondern Teil aller Schichten und Gruppen der Bevölkerung. Zudem müsse in einer Demokratie gerade die Präsenz derjenigen gewährleistet werden, die historisch von staatlichen Institutionen ausgeschlossen waren."

    Diese Argumentation überzeugt nicht. Will der Deutsche Juristinnenbund ernsthaft behaupten, dass "andere Gruppen", für die er keine Wahllisten-Quote will, z. B. Behinderte, Homosexuelle oder Nichtweiße, nicht "Teil aller Schichten und Gruppen der Bevölkerung" seien? Und waren etwa nicht auch die genannten "anderen Gruppen" historisch von staatlichen Institutionen ausgeschlossen?

    • @Budzylein:

      Soviel ich weiß, sind Behinderte, Homosexuelle, Nichtweiße auch männlich oder weiblich und damit kann man sie durchaus in Männer-oder Frauenquoten einteilen. Schwierig wird es nur bei Divers.

      • @Mutter03:

        Und soviel ich weiß, sind Frauen, Männer und Diverse auch z. B. behindert oder nichtbehindert, homo- oder heterosexuell, weiß oder nichtweiß. Natürlich kann man, wenn man denn eine Quotierung will, nach Geschlechtern quotieren, aber das kann man ebensogut bzw. ebensoschlecht auch nach anderen Kriterien.