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Geschichte des FeminismusAls Lesben zu Lavendel-Bomben griffen

Lange distanzierten sich Feministinnen von Lesben. Doch mit kreativen Aktionen erkämpften sie sich ihren Platz in der Bewegung.

Die Aktivistin Rita Mae Brown (rechts im Bild) mit ihrem legendären Shirt mit der Aufschrift „Lavender Menace“ Foto: The New York Public Library

F rühjahr 1970 in New York. Kurz vor dem zweiten Kongress zur Vereinigung der Frauen liegt ein Konflikt in der Luft. Im Zentrum: Betty Friedan, Mitgründerin der National Organization for Women (NOW) und Autorin von „The Feminine Mystique“. Mit ihrem Buch hat sie die sogenannte zweite Welle des US-Feminismus geprägt.

Ihre Ziele: Gleichstellung vor dem Gesetz, Teilhabe am Arbeitsmarkt und die gerechtere Aufteilung unbezahlter Haus- und Sorgearbeit. Doch lesbische Frauen und ihre Anliegen betrachtet Friedan als Gefahr für den politischen Fortschritt. Deren Sichtbarkeit würde die Bewegung spalten und sie als „Männerhasser“ dastehen lassen, so ihr Argument.

Lesbische Feministinnen wurden von führenden Vertreterinnen von NOW marginalisiert und abschätzig als „Lavender Menace“ („Lavendel-Bedrohung“) bezeichnet – „Lavendel“ ist damals abwertender Slang für Homosexualität.

der anstoß

Wie beginnt Veränderung? In der Kolumne „Der Anstoß“ erzählen wir jede Woche von einem historischen Moment, der etwas angestoßen hat.

Doch im Frühjahr 1970 hat eine Gruppe um die junge Aktivistin Rita Mae Brown genug. Sie plant eine spektakuläre Protestaktion während des Kongresses in New York. Brown war zuvor aus der NOW geflogen, weil sie immer wieder auf das zu weiße, mittelschichtszentrierte und heteronormative Feminismusverständnis der Bewegung hingewiesen hat.

Zu Kongressbeginn finden Teilnehmerinnen auf ihren Stühlen provokante Flyer mit der Aufschrift: „Die Frauenbewegung ist eine lesbische Verschwörung.“ Während der Eröffnungsrede geht plötzlich das Licht aus und das Mikrofon verstummt – ein geplanter Coup, abgesprochen mit einer verbündeten Technikerin.

In der Dunkelheit ziehen sich die Aktivistinnen um, zücken Schilder und enthüllen T-Shirts mit der Aufschrift „Lavender Menace“. Dann rufen sie lautstark ihren Gruppennamen, während lavendelduftende Stinkbomben durch den Raum fliegen. Viele sind irritiert, andere lachen, einige jubeln.

Als sich die Irritation gelegt hat, erklären die Aktivistinnen ihr Anliegen. Und zu ihrer eigenen Überraschung sind die meisten anwesenden Frauen auf ihrer Seite. Betty Friedans öffentliche Ablehnung lesbischer Anliegen hat in der feministischen Bewegung keine Mehrheit mehr.

Der Kongress wird zur offenen Diskussion: lesbische und heterosexuelle Frauen, Schwarze Frauen und Arbeiterinnen melden sich zu Wort. Lesbische Frauen sind nicht die Einzigen, die sich bisher ausgeschlossen fühlten. Die restlichen Kongresstage verbringen die Teilnehmerinnen mit leidenschaftlichen Workshops über lesbisches Leben, Identität und Zusammenhalt.

Wer wird gehört, wer bleibt unsichtbar? Aus der Reibung dieser Fragen entwickelte sich im Mai 1970 unter den in New York versammelten Frauen ein Gefühl von Aufbruch und Solidarität.

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