Geschenke an Weihnachten: Das ungeschriebene Gesetz
An Weihnachten muss ein Geschenk mit Überraschungseffekt unter dem Tannenbaum liegen. So will es meine Frau – und treibt mich damit in den Wahnsinn.
D arauf zu spekulieren, dass Eminanim das Weihnachtsfest vergisst, ist wirklich nicht sehr erfolgversprechend. Ich muss erneut in den sauren Apfel beißen und durch die Innenstadt ziehen, um ein Weihnachtsgeschenk für meine Frau zu finden. Jedes Jahr die gleiche Leier!
Aber ich finde einfach kein passendes Weihnachtsgeschenk für Eminanim. Stattdessen finde ich in einem Laden Eminanim selber: „Was ist los, Osman, du siehst ja völlig gestresst aus? Hast du für mich wieder kein passendes Geschenk gefunden?“
„Öhm… na ja… noch habe ich ja ein paar Tage Zeit.“
„Komm, ich zeig dir, was ich haben will.“
Eminanim schnappt sich meine Hand und zerrt mich wie ein kleines Kind hinter sich her. Wie ich befürchtet habe, bleibt sie genau in der Juwelierabteilung stehen. Sie weiß natürlich ganz genau, dass ich in meiner verzweifelten Lage nicht den Hauch einer Chance habe, gegen sie aufzumucken. Jedes Jahr liefert mich das Weihnachtsfest bedingungslos an sie aus.
„Diesen Ring will ich haben, Osman!“, ruft sie und gibt sich alle Mühe, damit ich den Preis nicht sehen kann.
„Darf ich wenigstens meinen letzten Wunsch äußern?“, frage ich zaghaft.
„Osman, du wirst doch nicht standrechtlich erschossen! Du sollst mir nur diesen kleinen süßen Ring zu Weihnachten schenken!“
„Eminanim, bezahl du das Ding mit unserer Karte. Ich kann nicht mit ansehen, wie unser armes Bankkonto leidet.“
Mit dem süß-sauren Gefühl, sowohl ausgeraubt zu sein als auch die Weihnachtsfolter lebendig überstanden zu haben, gehe ich bedrückt, aber doch einigermaßen erleichtert nach Hause. Doch am nächsten Tag sagt meine Frau: „Du, Osman, ich hab jetzt einmal darüber geschlafen. Du weißt doch, die Sache mit dem Ring, und bin zu dem Schluss gekommen…“
„Mein Engel, du willst den teuren Ring wieder zurückgeben? Ich wusste, dass du wieder zur Vernunft kommst!“
„Nein, wo denkst du denn hin? Aber ein Weihnachtsgeschenk soll ja auch einen Überraschungseffekt haben, nicht wahr?“
„Eminanim, du glaubst gar nicht, wie überrascht ich war, als du mir gestern Abend den Preis genannt hast. So eine Überraschung wünsche ich nicht mal meinen Feinden.“
„Hey, nicht du sollst überrascht werden, sondern ich!“
„Wie meinst du das?“
„Das Geschenk unter dem Tannenbaum muss mich überraschen, verstehst du? Dieser Ring hier ist wirklich sehr hübsch, aber er überrascht mich nicht mehr. Den kenne ich ja schon, den habe ich doch selber ausgesucht.“
„Eminanim, das meinst du doch nicht ernst? Du meinst doch wohl hoffentlich nicht…“
„Doch, Osman, leider musst du jetzt noch mal los, um für mich ein Weihnachtsgeschenk zu kaufen, womit du mich an Heiligabend richtig überraschen kannst. Das ungeschriebene Weihnachtsgesetz will es nun mal so!“
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