Geschäft mit Corona-Masken in Bayern: Knast für Tochter von CSU-Granden

Andrea Tandler hat den Staat um Millionen geprellt. Jetzt muss die Tochter des CSU-Politikers Gerold Tandler für mehrere Jahre ins Gefängnis.

Die Angeklagte Andrea Tandler und ihre Anwältinnen stehen im Gerichtssaal.

Tandler im Dezember in München vor Gericht. Sie muss in der Maskenaffäre wegen Steuerhinterziehung für 4 Jahre und 5 Monate in Haft Foto: Lennart Preiss/dpa

MÜNCHEN taz | Verfahren wegen Steuerbetrugs gibt es viele, auch wegen Steuerbetrugs im großen Stil. Die meisten von ihnen gehen jedoch weitgehend geräuschlos über die Bühne. Ausnahmen von der Regel gibt es vor allem, wenn es sich um besonders prominente Angeklagte handelt. Uli Hoeneß war so einer. Oder zuletzt Alfons Schuhbeck. Dass der Prozess gegen Andrea T. und Darius N. nun eine besondere Aufmerksamkeit auf sich zieht, hat sicherlich auch damit zu tun, dass T. für Tandler steht.

Andrea Tandler ist eine Tochter des früheren CSU-Politikers und Strauß-Intimus Gerold Tandler. Innenminister war er, Wirtschafts- und Finanzminister, auch CSU-Generalsekretär. Noch heute ist Tandler ein klingender Name in Bayern. Und das, obwohl seine aktive Zeit schon mehr als 30 Jahre zurückliegt.

Und das wiederum hat mit der unrühmlichen Rolle zu tun, die der Politiker in der Affäre um den „Bäderkönig“ Eduard Zwick spielte. Um Steuerhinterziehung ging es auch da. Ermittlungen gegen Tandler selbst wurden schließlich gegen Zahlung von 150.000 Mark eingestellt. Später bürgerte sich für diesen Typus CSU-Politiker die Bezeichnung Amigo ein.

Tandler also. Der Name ist das eine. Die besondere Aufmerksamkeit, die dem Verfahren gegen Andrea Tandler nun zukommt, dürfte aber auch mit den besonderen Umständen zu tun haben, unter denen in diesem Fall Steuern in zweistelliger Millionenhöhe hinterzogen wurden. Stichwort: Krisengewinnlerin.

Geständnis nach Deal

Tandler hatte zu Beginn der Pandemie für das Schweizer Unternehmen Emix Maskengeschäfte mit dem Bund und den Bundesländern Bayern und Nordrhein-Westfalen vermittelt. Allein für diese Vermittlung kassierten sie und ihr Partner Darius N. knapp 50 Millionen Euro Provision. Nicht viele dürften derart von dem Virus profitiert haben.

Nun ist Gier nicht strafbar. Auch angesichts der Notlage der Bevölkerung satte Gewinne zu machen mag mancher moralisch verwerflich finden, juristisch ist daran nichts auszusetzen. Oder wie es die Vorsitzende Richterin Andrea Wagner in der Urteilsbegründung formulierte: „Für einen wirtschaftlichen Erfolg muss sich niemand schämen.“ So standen die moralischen Aspekte in dem Verfahren, das am Freitag zu Ende ging, gar nicht zur Debatte.

Aber dass die beiden Angeklagten ihre Einnahmen dann noch nicht mal korrekt versteuerten und dem Staat damit Millionen Euro vorenthielten, das rief die Justiz auf den Plan. Das sei auch durch die „vermeintlich edle Gesinnung, Leben zu retten“ nicht zu rechtfertigen, so Wagner.

Für Tandler und N. hat das nun mehrjährige Haftstrafen zur Folge: Zu einer Haftstrafe von vier Jahren und fünf Monaten wurde Andrea Tandler verurteilt, zu drei Jahren und neun Monaten ihr Partner. Allerdings setzte das Gericht die Haftbefehle nach einer elfmonatigen Untersuchungshaft außer Vollzug. Nachdem sie kurz nach neun Uhr noch in Handschellen in den Gerichtssaal geführt worden waren, durften ihn die beiden vorerst als freie Menschen wieder verlassen. Freilich unter Auflagen, Pässe und Personalausweise mussten sie abgeben.

Vorausgegangen war dem Urteil ein Verständigungsvorschlag des Gerichts. Für den Fall, dass die beiden Angeklagten gestehen und ihre Steuerschuld begleichen würden, stellte Wagner in Aussicht, müsse Tandler mit einem Strafmaß von maximal vier Jahren und neun Monaten, Darius N. mit höchstens vier Jahren rechnen. Die Angeklagten wie auch die Staatsanwaltschaft gingen auf den Vorschlag ein.

Kontakte zu Monika Hohlmeier

Am Dienstag, dem vorletzten Verhandlungstag, ergriff Tandler die Gelegenheit, sich in ihrem „letzten Wort“ für „all die Fehler, die ich in den vergangenen Jahren gemacht habe“, zu entschuldigen. Ihre Inhaftierung habe ihr ihr Leben verändert und bewirkt, dass sie alles dafür tun werde, um Fehler in Zukunft zu vermeiden. „Ich stehe zu meiner Verantwortung und bitte das Gericht um ein gerechtes Urteil.“

Tandlers Verteidigung hatte zuvor in ihrem Plädoyer unter anderem strafmildernd angeführt, dass ihre Mandantin unter dem starken Medieninteresse besonders gelitten habe, dass „ihr ganzes Leben der Öffentlichkeit quasi auf einem Silbertablett serviert“ worden sei, obwohl sie bislang nie in der Öffentlichkeit gestanden habe. Wegen dieser Belastung habe sie sich sogar in psychologische Behandlung begeben müssen.

Darüber hinaus sei die Untersuchungshaft wegen ihres auch sonstigen schlechten Gesundheitszustandes für Tandler besonders hart gewesen, zumal die Justizvollzugsanstalt Stadelheim auf Tandlers Zustand keine oder zu wenig Rücksicht genommen habe. Vorwürfe, die nicht völlig aus der Luft gegriffen sind, wie im Prozess deutlich wurde. Während der Haft hat sich Tandler schließlich zwei Operationen unterziehen müssen. Um ihre Schmerzen überhaupt zu ertragen, muss sie ihren Anwältinnen zufolge ein stark abhängig machendes Opioid einnehmen.

Eine zentrale Frage des Prozesses war, ob Tandler und N. tatsächlich gleichwertige Geschäftspartner waren. Die Staatsanwaltschaft war davon überzeugt, dass die beiden vielmehr ein Liebespaar waren, und begründete darauf ihren Vorwurf, dass N.’s vermeintlicher Anteil am Geschäft zu einem erheblichen Teil nichts anderes als eine nicht versteuerte Schenkung gewesen sei. Die Angeklagten beharrten jedoch darauf, nur Freunde und Geschäftspartner gewesen zu sein.

Tandler gab zwar zu, dass es letztlich ihre Kontakte waren – etwa der zur Europaabgeordneten Monika Hohlmeier, der Tochter von Franz Josef Strauß –, die tatsächlich zu Geschäftsabschlüssen geführt hätten. Sie bezeichnete Darius N. jedoch als den Strategen des gemeinsamen Unternehmens.

„Nicht irgendjemand in Deutschland“

Das Gericht ging jedoch von einer „quasi virtuellen Nichtexistenz“ des Angeklagten aus. Darius N., ein Münchner Wirt, habe sich allenfalls um das leibliche Wohl der Geschäftspartner gekümmert. Der Name Tandler sei der entscheidende Türöffner für die Geschäfte gewesen, denn in Andrea Tandler sah man jemanden mit potenziellen Beziehungen in Politikerkreise. Es habe sich „nicht um irgendjemanden in Deutschland“ gehandelt, sagte Richterin Wagner. „Ein Niemand hätte vermutlich keine Abnehmer finden können.“ So sei es auch kein Wunder, dass Tandler schon in einer ihrer ersten Chat-Nachrichten mit ihren Schweizer Geschäftspartnern darauf Bezug genommen habe, dass ihr Vater Wirtschaftsminister gewesen sei.

Am Ende war es Teil des Deals zwischen Gericht und Prozessbeteiligten, dass die vermutete Schenkung rückabgewickelt wurde. Der Vorwurf wegen der daraus resultierenden Hinterziehung der Schenkungssteuer wurde im Gegenzug fallengelassen. Es blieb der Vorwurf der Einkommens- und Gewerbesteuerhinterziehung. Letzteres begründete die Anklage damit, dass die Einnahmen nicht in München, sondern im als Gewerbesteuerparadies bekannten Vorort Grünwald versteuert wurden, obwohl die Geschäfte tatsächlich aus der Landeshauptstadt heraus geführt wurden.

Durch den Wegfall des Vorwurfs der Schenkungssteuerhinterziehung ging es am Ende „nur“ noch um eine Steuerhinterziehung von 11,9 statt 23,5 Millionen Euro. Der entstandene wirtschaftliche Schaden reduzierte sich entsprechend von 15,2 auf 7,8 Millionen Euro.

Ihre Steuerschuld haben die Angeklagten mittlerweile beglichen, inklusive Zinsen und Gebühren. Einige Millionen dürften ihnen dennoch übriggeblieben sein.

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