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Gerichtsverhandlung über AttacGemeinnützig oder nicht?

Für NGOs geht es ums Geld: Der Streit um die Gemeinnützigkeit von Attac ist wieder beim Finanzgericht Kassel angelangt.

Ausruhen nach dem Einsatz: Attac-Aktivisten nach einer Aktion zur Finanzkrise in Frankfurt Foto: Boris Roessler/picture alliance

Berlin taz | Noch hat Attac seine Gemeinnützigkeit nicht rechtskräftig verloren. An diesem Mittwoch verhandelt das Finanzgericht Kassel erneut über den Fall. Bereits vor vier Jahren wurde Attac vom Finanzamt Frankfurt die Gemeinnützigkeit aberkannt, weil die Organisation vor allem politische Kampagnen betreibt: gegen Sparpolitik, für die Umverteilung von Reichtum und vieles mehr.

Dagegen klagte der Verband und bekam Ende 2016 beim Finanzgericht Kassel zunächst Recht. Attac sei gemeinnützig, weil seine Arbeit die Volksbildung und das demokratische Staatswesen fördere.

Doch der Bundesfinanzhof (BFH), das höchste deutsche Finanzgericht, nutzte den Attac-Streit im Januar 2019 für ein Grundsatzurteil. Danach ist der Begriff der politischen Bildung eng auszulegen. Wer versucht, auf die Politik einzuwirken, um seine eigene Position durchzusetzen, betreibe keine politische Bildung. Und wer sich für „Einzelinteressen“ einsetze, fördere nicht das „demokratische Staatswesen“.

Seitdem spüren andere Organisationen bereits die Folgen. So hat das Finanzamt Berlin der Kampagnen-Organisation Campact die Gemeinützigkeit aberkannt. Zudem hat dasselbe Finanzamt der Petitionsplattform Change.org die Aberkennung angedroht.

Viele Organisationen verlieren Status

Für die NGOs geht es um viel Geld: Das Bündnis „Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ befürchtet, dass zwischen 2020 und 2022 wegen der regelmäßigen Gemeinnützigkeitsprüfungen noch hunderte Organisationen ihren Status – und damit auch viele Spenden – verlieren werden.

Auf Finanzminister Olaf Scholz (SPD) wächst deshalb der Druck, das Gemeinnützigkeitsrecht zu reformieren. Ein naheliegender Ansatz wäre die Nennung zusätzlicher gemeinnütziger Zwecke in der Abgabenordnung. Die Finanzminister der Länder haben im September eine ganze Reihe neuer Zwecke vorgeschlagen: Klimaschutz, Schutz sexueller Minderheiten, Dorfverschönerung und die Pflege von Friedhöfen.

Die „Allianz für Rechtssicherheit“ fordert unter anderem die Aufnahme des Zweckes „soziale Gerechtigkeit“, was Attac nützen würde. Scholz hat bisher aber noch keinen Entwurf vorgelegt.

Zunächst muss jetzt aber noch einmal das Finanzgericht Kassel verhandeln. Laut BFH ist noch zu klären, wie das Attac-Netzwerk und der Attac-Förderverein zusammenhängen. Falls das FG Kassel widerspenstig ist, kann es dabei aber noch für gehörige Überraschungen sorgen – etwa indem es das Gemeinützigkeitsrecht dem Bundesverfassungericht zur Prüfung überweist. Immerhin hat das FG schon einmal zugunsten von Attac entschieden. Ob in Kassel bereits an diesem Mittwoch eine Entscheidung verkündet wird, ist noch offen.

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4 Kommentare

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  • Die Richter sollten dann aber auch mal vor der eigenne Türe kehren:

    --Zitat--



    Der DRB vertritt in Berlin die beruflichen Interessen von Richtern und Staatsanwälten am Sitz der Bundesregierung, des Bundestages und des Bundesrates. Der Richterbund ist mit mehr als 17 000 Einzelmitgliedern der Berufsverband für Richter und Staatsanwälte.

    Als Stimme der dritten Gewalt und damit des Rechtsstaates achtet der Richterbund darauf, dass neue Gesetze oder Regelungen maßvoll und praxistauglich sind – auf Bundes-, Länder- und EU-Ebene.

    Er ist ein gefragter Berater und Gesprächspartner für Politik, Ministerien und Medien. Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat beziehen den Richterbund bei ihren gesetzlichen Initiativen regelmäßig ein, zu den meisten justiz-, rechts- und innenpolitischen Vorhaben nimmt der Verband ausführlich Stellung. Seine Expertise ist geschätzt, Anregungen aus der Justizpraxis zu neuen Vorschriften greift die Politik gerne auf. So nimmt der Verband aktiv Einfluss auf die Gesetzgebung in Berlin und in den Bundesländern sowie in Brüssel und Straßburg.



    --Zitatende--

    Aus dem Impressum :



    Deutscher Richterbund, Bund der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte e.V. (DRB)

    Hier die Website:



    www.drb.de/

  • Die Erweiterung des Kriterienkataloges in der Abgabenordnung wäre ein höchst geeigneter - oder sollte ich sagen: höchst notwendiger - Schritt für die SPD, um verlorengegangenen Boden wieder gut zu machen. Hier könnte die SPD sich gegenüber dem kleinen Mann profilieren und Glaubwürdigkeit zurückgewinnen.



    Wiegesagt: notwendig wär's!

  • Na jedenfalls wird es ziemlich sicher bei Organisationen wie der Klima-Desinformationsagentur EIKE oder der Neurechten Agitprop-Organisation "Verein für Medienkritik und Gegenöffentlichkeit e.V.", auf deren Seiten gerne mal für die Faschos von der IB geworben wird, oder den Rechtsextremisten vom "Bund für deutsche Schrift und Sprache" keine Probleme mit der Gemeinnützigkeit geben

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