Gerichtsurteil gegen Italiens Premier: Berlusconi muss 560 Millionen blechen
Vor gut 20 Jahren hat sich Berlusconi den größten italienischen Verlag illegal unter den Nagel gerissen. Dafür muss er jetzt bluten. Gewohnt schrill reagiert der Cavaliere-Clan.
ROM taz | Erneut muss Silvio Berlusconi eine schwere Niederlage einstecken. Am Samstag verurteilte ein Gericht in Mailand seine Familienholding Fininvest zur Zahlung einer Megaentschädigungssumme von 560 Millionen Euro; der Zahlungstitel ist sofort vollstreckbar. Die Richter zeigten sich davon überzeugt, dass Berlusconi sich vor gut 20 Jahren per Bestechung den größten italienischen Verlag widerrechtlich unter den Nagel gerissen hatte.
Über den Geldsegen darf sich Carlo De Benedetti freuen, der mit seiner Verlagsholding CIR seit 1989 im Rechtsstreit mit Berlusconi liegt. Gegenstand des Konfliktes war und ist das Verlagshaus Mondadori, der größte italienische Buch- und Zeitschriftenverlag.
1985 hatte die Verlegerfamilie Mondadori Carlo De Benedetti als Retter gerufen und als Minderheitsaktionär beteiligt. Im Jahr 1989 erreichte De Benedetti von einem Teil der Familie die vertraglich bindende Zusage, deren Aktienpaket übernehmen und so zum Mehrheitsaktionär aufsteigen zu können. Daraufhin brachte De Benedetti auch seine verlegerischen Aktivitäten bei Mondadori ein: die linksliberale Tageszeitung La Repubblica, das politische Wochenmagazin LEspresso sowie mehrere regionale Tageszeitungen.
Doch dann trat Berlusconi auf den Plan: Er überzeugte die Erbengemeinschaft der Mondadori, den Vertrag mit De Benedetti zu brechen und ihr Aktienpaket an Berlusconi abzutreten. Damals hatte Berlusconi schon mit drei TV-Sendern das unangefochtene Monopol des privaten Fernsehmarktes erobert; nun stieg er auch zum größten Verleger des Landes auf.
Aber ein von den Konfliktparteien angerufenes Schiedsgericht gab De Benedetti recht. Kein Problem für Berlusconi: Er rief eine Zivilkammer in Rom an - und hatte im Januar 1991 Erfolg. Er durfte die Kontrolle bei Mondadori übernehmen. In einem Kompromiss einigte er sich schließlich mit De Benedetti darauf, dem Geschlagenen wenigstens La Repubblica, LEspresso und die Regionalzeitungen zurückzugeben. Berlusconi hält seitdem ein Zeitschriftenimperium mit dem politischen Wochenmagazin Panorama, mit TV-Zeitschriften, Klatschblättern und Frauenmagazinen, die ihm für seinen politischen Aufstieg sehr nützlich wurden.
Wie jetzt die Mailänder Richter mit ihrem Beschluss unterstrichen, verdankte sein Sieg sich allein der Zahlung einer Bestechungssumme von 470 Millionen Lire an den für das seinerzeitige, völlig überraschende Urteil zuständigen Richter. Im Strafprozess war Berlusconi noch schadlos davongekommen, wie so oft wegen Verjährung der Tat, während zwei seiner Anwälte sowie der korrupte Richter zu Haftstrafen verurteilt wurden.
Mit den gewohnt schrillen Tönen reagieren jetzt die Familie Berlusconis und seine politischen Gefolgsleute auf das Entschädigungsurteil. "Keinen Euro" schulde die Fininvest dem Prozessgegner Carlo De Benedetti, giftete Silvios Tochter Marina, die als Präsidentin den Mondadori-Verlag leitet. "Ein Raub", tönen derweil unisono die Vertreter der Berlusconi-Partei Volk der Freiheit; natürlich handele es sich hier um "ein politisches Urteil".
De Benedettis Holding CIR entgegnete in einer Pressemitteilung trocken, in dem jetzt in zweiter Instanz abgeschlossenen Zivilprozess sei es allein um "den Markt und zwei Unternehmer, nicht um die Politik" gegangen: "Der Markt wurde korrumpiert. Die Gerechtigkeit wird jetzt wiederhergestellt."
Berlusconis Abgeordnete wollen jetzt mit einem Ad-hoc-Gesetz die Zahlung stoppen. Der Versuch aber droht am Staatspräsidenten Giorgio Napolitano zu scheitern, der dieses Gesetz am Ende abzeichnen müsste.
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