Gerichtshof für Menschenrechte urteilt: Etwas Geld statt Tochterliebe
Der Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden: Ein Vater, der sein Kind nicht sehen durfte, erhält eine Entschädigung.
Eigentlich hat Edgar Lück - ein Vater, der Kontakt zu seiner Tochter haben will - fast alles erreicht. Er hat ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts erstritten, der Gesetzgeber hat in seinem Interesse das Bürgerliche Gesetzbuch geändert, und nun hat ihm sogar noch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Schadensersatz zugesprochen. Nur seine Tochter hat er seit mehr als 15 Jahren nicht mehr gesehen.
Der Kölner Edgar Lück ist Journalist, Maler und Fotograf. Ende der 80er-Jahre hatte er ein Verhältnis mit einer Frau, die zwar verheiratet war, aber von ihrem Mann getrennt lebte. Aus dieser Beziehung entstand die Tochter Lea. Dass Lück der biologische Vater ist, steht fest. Er lebte mit der Frau zwar nicht zusammen, kümmerte sich nach eigenen Angaben aber zwei Tage die Woche um Lea.
Nach einigen Jahren zog wieder der Ehemann bei Leas Mutter ein. Von nun an durfte Lea nicht mehr zu Edgar Lück, ihrem biologischen Vater. Lea war damals dreieinhalb Jahre alt. Edgar Lück wehrte sich und klagte auf ein Umgangsrecht. Ohne Erfolg. Denn die Stellung des biologischen Vaters war früher extrem schwach, wenn das Kind in eine Ehe hineingeboren wurde. Als rechtlicher Vater gilt dann automatisch der Ehemann der Mutter. Der leibliche Vater hatte, um die Familie zu schützen, so gut wie keine Rechte.
Deshalb entschieden die Kölner Gerichte, dass Lück kein Umgangsrecht bekomme und sich zudem bewusst von seiner Tochter fernhalten solle. Selbst bei einer zufälligen Begegnung auf der Straße solle er sie nicht ansprechen. Dies helfe dem Mädchen, seine Identität in der Familie zu finden. Mit zwei Vätern könne es schnell überfordert sein. Tatsächlich vergaß Lea, dass es Edgar Lück in ihrem Leben gegeben hatte.
Edgar Lück vergaß Lea aber nicht. "Ich empfand das wie die Hinrichtung einer sozialen Beziehung ohne jeden Grund." Der Mann zog deshalb vor das Bundesverfassungsgericht, um mehr Rechte für biologische Väter einzufordern. Dort blieb die Sache liegen, sieben Jahre lang. Erst als Lück wegen Untätigkeit der deutschen Justiz auch zum Menschenrechtsgerichtshof nach Straßburg ging, fällte das Verfassungsgericht 2003 eine Entscheidung - zugunsten von Edgar Lück. Da er zumindest zeitweise eine "sozial-familiäre Beziehung" zu seinem Kind hatte, komme auch in seinem Fall ein Umgangsrecht in Betracht - wenn es dem "Kindeswohl" dient. Ein Jahr später änderte der Bundestag entsprechend das Familienrecht.
Lück hat es wenig genützt. Lea, inzwischen 14, wollte ihn nicht sehen. Als ihm der Kölner Familienrichter nicht einmal ein kurzes Gespräch mit seiner Tochter erlaubte, um sich vorzustellen, gab Lück auf: "Ich wollte den Druck von ihr nehmen." Lück, der sich die Sache aber sehr zu Herzen nahm, wurde anschließend schwer krank. Jetzt ist Lea 19, und die beiden haben sich immer noch nicht getroffen.
Nun billigte der Straßburger Gerichtshof dem Vater 10.800 Euro als Entschädigung und für Anwaltskosten zu - weil das deutsche Verfahren viel zu lange gedauert habe. Die Bundesregierung hatte den Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention von sich aus eingeräumt. Für Lück ist es ein schwacher Trost. Nur aus einem Grund hat sich das juristische Vorgehen für ihn gelohnt: "Lea weiß jetzt immerhin wieder, dass es mich gibt und kann, wenn sie will, Kontakt aufnehmen."
Thomas Meysen, der das deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht leitet, empfiehlt in derartigen Konstellationen die frühzeitige Beratung der Eltern. "Kinder können gut mit zwei Vätern umgehen. Es muss aber vermieden werden, dass zwischen den Erwachsenen Konkurrenz entsteht, die das Kind in Loyalitätskonflikte bringt."
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