Gerichtsentscheidung in Italien: Gleiche Rechte für Homopaare
Das italienische Kassationsgericht verpflichtet das Parlament, homosexuelle Paare rechtlich gleichzustellen. Ein Paar, das in den Niederlanden heiratete, hatte geklagt.
ROM taz | Italiens Schwule und Lesben haben einen womöglich historischen Sieg davongetragen. Das Kassationsgericht in Rom stellte in einem Urteil vom Donnerstag das Rechtsprinzip auf, dass Homopaare generell die gleichen Rechte genießen müssten wie verheiratete Heterosexuelle.
Als Kläger waren zwei italienische Schwule aufgetreten, die im Jahr 2002 in den Niederlanden geheiratet und dann im Jahr 2005 die Eintragung ihrer Ehe ins Standesamtsregister ihrer italienischen Heimatstadt verlangt hatten. Auch in letzter Instanz wurde dieses Begehren jetzt vom Kassationsgericht abgelehnt – doch die Niederlage war nur vordergründig.
Denn der Kassationshof stellt sich radikal gegen die bisherige Rechtsprechung und Gesetzgebung, die homosexuellen Paaren keinerlei Rechte zubilligte. Dagegen heißt es in dem Urteil jetzt, gleichgeschlechtliche Paare hätten das Recht „auf eine gleichartige Behandlung mit der, die das Gesetz einem verheirateten Paar zubilligt“. Explizit nennen die Richter zum Beispiel die Berücksichtigung homosexueller Paare bei der Zuweisung von Sozialwohnungen.
Ihren Spruch begründeten die Richter mit der gewandelten gesellschaftlichen Situation, die sich auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention widerspiegele: Darin sei „die Konzeption überwunden worden, der zufolge der Geschlechtsunterschied zwischen den Brautleuten die naturalistische Voraussetzung für die Ehe ist“.
Daraus folgt ein klarer Handlungsauftrag für die Politik: „Es obliegt dem Parlament, die Formen der Garantie und der Anerkennung festzulegen.“ Einem Parlament, in dem selbst unter den Mitte-links-Regierungen der Jahre 1996 bis 2001 und 2006 bis 2008 alle Anläufe scheiterten, auch nur bescheidenste Formen einer eingetragenen Lebensgemeinschaft auf den Weg zu bringen. Und die Berlusconi-Rechte gab sich erst recht als Erfüllungsgehilfin des kategorischen Vetos aus dem Vatikan und verhinderte jeglichen Fortschritt.
Sollten sich die Abgeordneten nicht rühren, kann nach Auffassung des Kassationsgerichts schon jetzt der Verfassungsgerichtshof „zum Schutz spezifischer Situationen intervenieren“. Mit anderen Worten: Bis es ein neues Gesetz gibt, obliegt es der Justiz, das mit dem Urteil festgeschriebene Gleichbehandlungsgebot durchzusetzen.
Entsprechend enthusiastisch reagierten die Schwulen- und Lesbenverbände des Landes; sie feierten den Richterspruch als „wahre kopernikanische Wende“.
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