Gerichtsbeschluss zu „Grünen Höfen“: Langsam wirdʼs für Gaebler knapp
Schlechte Nachrichten für den Bausenator: Die Gesobau darf wieder nicht zur Säge greifen, um Platz für ein umstrittenes Bauprojekt zu schaffen.
Die AnwohnerInnen der „Grünen Höfe“ an der Pankower Ossietzkystraße können aufatmen – diesmal vielleicht sogar etwas tiefer: Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden, dass die Wohnungsbaugesellschaft Gesobau nicht mit der Rodung Dutzender Bäume auf dem Gelände beginnen kann, um dort zwei Wohnblöcke einer Geflüchtetenunterkunft zu errichten. Mehr noch: Die artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung des Bezirks, auf die sich die Gesobau beruft, genügt aus Sicht des Gerichts nicht den gesetzlichen Vorgaben. Viel spricht nun auch dafür, dass das laufende Widerspruchsverfahren mehrerer Naturschutzverbände Erfolg haben wird.
In der jahrelangen Geschichte des Konflikts gab es schon einige unerwartete Wendungen. So hatte die Gesobau im Jahr 2022 den Bau der Unterkunft für rund 420 Geflüchtete direkt bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung beantragt und von dieser bewilligt bekommen, nachdem das Bezirksamt zuvor einen Bauantrag für ein reguläres Wohngebäude mit genau denselben Maßen abgelehnt hatte. Ein Taschenspielertrick aus Sicht der AnwohnerInnen, die um die grüne Lunge ihres Kiezes fürchten. Sie fordern von dem landeseigenen Unternehmen, sich auf einen „Klima-Bebauungsplan“ des Bezirks einzulassen, der weniger Bauvolumen zuließe und viele Bäume erhalten würde.
Dank des unermüdlichen Protests der Bürgerinitiative „Grüner Kiez Pankow“ und der Unterstützung durch die NaturschützerInnen konnte eine Rodung bislang immer verhindet werden. Aktuell liegt dem Bezirksamt der Widerspruch des BUND, der NaturFreunde Berlin und der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN) gegen die artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung vor, die das Bezirksamt der Gesobau im Juli erteilt hat. Sie basiert unter anderem auf Ausgleichsmaßnahmen wie Ersatzpflanzungen von Büschen und Nistkästen für Vögel und Fledermäuse, die das Unternehmen im Umfeld vorgenommen hat.
Vor dem Verwaltungsgericht suchte die Gesobau nun eine Abkürzung per Eilverfahren. Dieses aber sagt jetzt nicht nur Nein, es begründet dies auch damit, dass die Genehmigung des Bezirksamts rechtswidrig – weil viel zu unspezifisch – ist. Die darin enthaltene Aufzählung von Arten und Schutzmaßnahmen enthalte jede Menge Unklarheiten, argumentieren die RichterInnen. Um geltendem Naturschutzrecht zu entsprechen, müsse eine Ausnahmegenehmigung eine so hohe „Bestimmtheit“ haben, dass sie nicht zur „Blankoermächtigung“ für die Bauherrin werde.
BUND, BLN und NaturFreunde betrachten jetzt auch die Wahrscheinlichkeit als „sehr gering“, dass das Bezirksamt bei der Bewertung ihres Widerspruchs zu einem anderen Ergebnis kommt. Sie argumentieren, dass der vorliegende Entwurf des „Klima-Bebauungsplans“ eine „zumutbare Alternative“ gemäß Bundesnaturschutzgesetz darstellt. Damit aber fehle sowieso die Grundlage für eine Ausnahmegenehmigung.“
„Mit dem Kopf durch die Wand“
„Die Gesobau hat offenbar bis heute nicht begriffen, dass es naturschutzfachlich und -rechtlich höchst bedenklich, schwierig und komplex ist, von geschützten Arten dicht besiedelte Gebiete zu bebauen“, kommentiert BLN-Geschäftsführer Manfred Schubert den Gerichtsbeschluss. „Ihre Strategie des ‚mit dem Kopf durch die Wand‘ überfordert die Gesobau selbst, ihre Anwälte und die untere Naturschutzbehörde.“
Britta Krehl von der Bürgerinitiative wiederum verspricht, der „Grüne Kiez Pankow“ werde sich weiter dafür einsetzen, ein zukunftsfähiges Modellquartier zu entwickeln, bei dem „die wichtigen Belange unserer Zeit, wie Wohnraumschaffung, Klimaanpassung, Integration und Artenschutz angemessen berücksichtigt“ würden: „Statt mit der Brechstange alles Lebensfreundliche niederzureißen, als gäbe es kein Morgen mehr.“
Ein knappes Jahr vor den nächsten Abgeordnetenhauswahlen dürfte die aktuelle Entwicklung der Stadtentwicklungsverwaltung ungelegen kommen. Hausherr Christian Gaebler (SPD) schien bislang für die ökologischen und sozialen Argumente der AnwohnerInnen und ihrer zahlreichen UnterstützerInnen kaum erreichbar zu sein. Nun fragt sich, ob die Gesobau rechtzeitig vor dem Wahlkampf vollendete Tatsachen schaffen kann. Dann nämlich könnte der Senator plötzlich doch in Erklärungsnot kommen.
Damit rechnet auch Uwe Hiksch von den NaturFreunden. Er erwartet aber auch, dass es im September 2026 zu anderen als den derzeitigen politischen Mehrheiten kommen könnte. Und dann werde „das, was Herr Gaebler jetzt plant, so nicht mehr kommen“.
In der ursprünglichen Fassung des Artikels war von einem Widerspruch der Naturschutzverbände beim Oberverwaltungsgericht die Rede. Das ist unzutreffend (und unlogisch). Richtig ist, dass der Widerspruch gegen die artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung beim Bezirksamt eingelegt wurde. Wir haben das korrigiert.
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