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Geplündertes MöwengelegeGekreische um den Eierdieb

Naturschützer streiten: War es ein Mensch, der in der Überseestadt die kompletten 600 Eier einer Möwenkolonie geraubt hat? Die Polizei ermittelt in alle Richtungen.

So süß wären sie gewesen: In der Bremer Sturmmöwen-Kolonie sind 2012 noch zahlreiche Küken geschlüpft. Bild: Georg Wietschorke

Ist es eine Umwelt-Straftat? Ein Immobilien-Komplott oder nur das natürliche große Fressen? Etwa 600 Möweneier wurden in der Überseestadt aus einer Sturmmöwen-Kolonie geplündert, der komplette Nachwuchs bleibt aus. Der Bremer Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) erstattete Anzeige: Es komme nur ein Mensch als Täter in Frage und die Möwen sind besonders geschützt. „Unwahrscheinlich“ ist das für den Nabu Bremen. „Was sollte das Motiv sein?“ fragt deren Geschäftsführer Sönke Hoffmann.

Entdeckt wurde der Raub, als Mitarbeiter der Ornithologischen Arbeitsgruppe des BUND ausgezogen waren, um die Jungvögel zu beringen. Die Kolonie liegt hinter dem Landmark-Tower in der Überseestadt. Dort wird neu gebaut. Der Brutplatz der Vögel wird bald mit Beton versiegelt sein und die Wissenschaftler wollen wissen, wo es die Vögel hinzieht.

„Ende Mai war noch alles normal“, sagt Henning Kunze, Biologe beim BUND. Zehn Tage später sei dann das erste Mal aufgefallen, dass die Vögel sich ungewöhnlich verhielten. Ende Juni war dann klar: Es ist kein einziges Küken geschlüpft, die Eier verschwunden.

Die Sturmmöwe

In der Überseestadt ist Bremens einzige Kolonie von Sturmmöwen.

Sturmmöwen werden zehn bis zwölf Jahre alt und sind kleiner als Silbermöwen.

Ab April wird die Kolonie besetzt. Die Brutzeit beträgt 23 bis 28 Tage.

Küken verlassen das Nest nach vier Tagen, nach vier Wochen können sie fliegen.

Die Vögel stehen unter Naturschutz, eine Störung der Population wird mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe geahndet, der gewerbliche Handel mit Eiern mit einer Geldstrafe von bis zu 50.000 Euro.

Mensch unter Verdacht

Der BUND forschte nach. Weder Eierschalen hätten die Wissenschaftler gefunden noch Hinweise auf natürliche Nesträuber wie Füchse, Marder oder Waschbären. Für Kunze ist klar: Es war ein Mensch, der die Eier abgesammelt hat.

Aber nicht, um den Möwen wertvollen Baugrund abzutrotzen. Denn für die künftige Bebauung auf dem Brutplatz lägen ja Genehmigungen vor. Nein, Kunze sieht nur einen Grund, warum die Eier für Menschen interessant sein könnten: „zum Verzehr“.

Armut macht Hemmungslos

„Vor vielen Jahren war das in Deutschland Gang und Gäbe“, sagt Kunze. „Auf den Inseln waren die Bewohner sehr arm.“ Einen ähnlichen Hintergrund vermutet er nun in der Überseestadt. Der Verzehr ist eigentlich nur möglich, wenn noch keine Küken ausgebrütet wurden. Aber: „Wir wissen auch, dass es da unterschiedliche Hemmschwellen gibt“, so Kunze.

„Möweneier schmecken etwas fischig“, sagt Peter Becker, stellvertretende Leiter des Instituts für Vogelforschung in Wilhelmshaven. Es sei „eine Geschmacksfrage“, sagt er, aber die Küstenbewohner daran gewöhnt. Dass Menschen eine ganze Kolonie ausräumen, hält er für unwahrscheinlich.

Es könnten auch Raubvögel sein, die die Eier mitnehmen, sagt Becker, „Seeschwalben oder Habichte“. Eulen wiederum nähmen nur die Küken. Auch Ratten wären eine Möglichkeit, man müsse sehr genau hinschauen. Dass eine ganze Möwenkolonie von natürlichen Feinden ausgeraubt werde, komme vor: „Zuletzte auf der Wattenmeer-Insel Minsener Oog“, so Becker.

Auch Sönke Hoffmann, Geschäftsführer der Naturschutzbunds (Nabu) in Bremen ist skeptisch. Er schätzt, dass eher der lange Winter die Brut zerstört hat und dann die Möwen untereinander die Eier gefuttert haben. Das gehe sehr schnell, so Hoffmann. Ein menschlicher Dieb hätte gesehen werden müssen und „einen guten Regenschirm gebraucht“, so Hoffmann.

Dieben droht ein Möwen-Shitstorm

Denn die Möwen wehren sich. Mit Kot. „Das ist deren Waffe, sagt Hoffmann. Bei einem Fuchs wirkt das, wenn den zehn Möwen vollscheißen“. Deshalb würden die Vögel in Kolonien brüten, und sich gegenseitig Schutz bieten. Dass nun arme Leute verantwortlich sein sollen, womöglich noch Osteuropäer, auf die die Angler gerne schimpften, dass sei „Stammtisch-Niveau.“ Ohnehin sei beim Verzehr Vorsicht geboten: „Möweneier sind sehr schnell mit Salmonellen belastet“, so Hoffmann.

BUND-Mann Kunze machen Hoffmanns Vermutungen sauer. Nabu und BUND sind alte Konkurrenten. Was Hoffmann vorbringe sei „fachlich, vollkommen falsch“, sagt Kunze, Hoffmann „nur Zuschauer am Rande“: „Fakt ist, die Möwenkolonie wird von uns wissenschaftlich betreut“, so Kunze. Ein Dieb hätte nachts sehr wohl unbemerkt die Eier stehlen können. Die ausgewiesenen Fachleute hätten alles geprüft und erst dann Anzeige erstattet. „Wenn wir so etwas behaupten, dann wohlüberlegt. Wir lassen uns das nicht mit falschen Argumenten in Frage stellen.“

Durch die Anzeige sind nun die professionellen Umweltdetektive mit der Sache betraut. „Unsere Abteilung für Umweltkriminalität prüft derzeit den Sachverhalt“, erklärte ein Polizeisprecher. „Es wird ermittelt wegen einer Straftat nach dem Naturschutzgesetz“, mehr Infos gebe es derzeit noch nicht. Die Polizei ermittle „in alle Richtungen“.

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