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Geplantes Verbot des KükentötensSystemwechsel verhindert

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Der Gesetzentwurf gegen das Töten von Eintagsküken ist ein Fortschritt. Noch besser wäre ein Verzicht auf „Hochleistungsrassen“.

Ein Küken des Augsburger Huhns, eines typischen Zweinutzungshuhns Foto: Michael Eichhammer/imago

M ännliche Hühnerküken kurz nach dem Schlüpfen zu töten, weil sie keine Eier legen, aber auch nicht genügend Fleisch ansetzen – das ist eine Barbarei, die verboten gehört. Bundesagrarministerin Julia Klöckner hat nun endlich einen Gesetzentwurf vorgelegt, der diese weit verbreitete Praxis zum 1. Januar 2022 untersagt.

Das ist zu begrüßen. Denn falls die Pläne der CDU-Politikerin umgesetzt werden, könnten 45 Millionen Küken jährlich vor dem frühen Tod bewahrt werden. Aber das grundsätzliche Problem der Hühnerhaltung in Deutschland wird damit nicht gelöst: die Hochleistungsrassen, die so spezialisiert gezüchtet sind, dass die Hälfte der Tiere „entsorgt“ wird.

Stattdessen doktert Klöckner nur an Symptomen herum: Sie will die Branche dazu zwingen, das Geschlecht von Hühnern schon im Ei zu bestimmen. Die Eier mit männlichen Embryonen sollen schon vor dem Schlüpfen zu Tierfutter verarbeitet werden. Dann kann die Agrarindustrie weiter krankheitsanfällige Rassen nutzen, die entweder viele Eier legen oder schnell wachsen. Die Geschlechtserkennung im Ei verhindert also den nötigen Systemwechsel. Wir müssen aber weg von einer Tierhaltung, die unsere Mitgeschöpfe völlig dem Profitstreben unterordnet.

Die Lösung könnten zum Beispiel Zweinutzungshühner sein, also Rassen, die sowohl Eier als auch Fleisch in brauchbaren Mengen produzieren. Ja, diese Hühner sind nicht so wirtschaftlich wie hochspezialisierte Rassen. Aber die Bauern müssten laut einer Modellrechnung des Bayerischen Versuchs- und Bildungszentrums für Geflügelhaltung zum Beispiel nur 3,5 Cent mehr pro Ei bekommen, um ihre Mehrkosten wettzumachen.

Das von der Union geführte Landwirtschaftsministerium könnte die Züchtung solcher Rassen viel stärker fördern. Doch von 2008 bis 2020 hat der Bund rund 6,5 Millionen Euro in die Entwicklung von Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei investiert und nur 1,5 Millionen in andere Alternativen zum Kükentöten. Die Lobby der Geflügelbarone findet bei CDU/CSU eben viel Gehör.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik und die Lebensmittelindustrie. Journalistenpreis "Faire Milch" 2024 des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter. 2018, 2017 und 2014 gewann er den Preis "Grüne Reportage" des Verbands Deutscher Agrarjournalisten. 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis (Essay "Mein Krieg mit der Waffe"), 2013 für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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4 Kommentare

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  • Ich wünsche mir auch manchmal, dass es einfachere Lösungen gibt.....

    Aber die Geschlechtserkennung im Ei verhindert ganz sicher nicht den "Systemwechsel". Da stimme ich Joaquin zu. Im Gegenteil, es droht den männlichen Küken (wenn der Bedarf an teurem Biohähnchenfleisch nicht mächtig angekurbelt wird!) das gleiche Schicksal wie den männlichen Kälbern in den Milchviehbetrieben. Sie sind überflüssig weil der Bedarf an Eiern hoch ist, nicht an Hähnchenfleisch.



    "Das von der Union geführte Landwirtschaftsministerium könnte die Züchtung solcher Rassen viel stärker fördern"......



    Was heisst denn Zucht? Auf was wird denn gezüchtet nach dem "Paradigmenwechsel" zum Zweinutzungshuhn. Ich wette auf Legeleistung und Fleischansatz!



    Und bessere Haltungsbedingungen bei der Hähnchenmast sind bei diesem Systemwechsel nicht gratis dabei.

  • Ein "Systemwechsel" wäre ein Wandel hin zu einer pflanzenbasierten Ernährung.



    Eier, etwa beim Backen, auf tier- und umweltfreundliche Weise zu ersetzen, würde eine echte Lösung darstellen, von der man aber so gut wie nie etwas liest.



    Das "Zweinutzungshuhn" (dieser Name allein ...) bedeutet doch lediglich, dass die Tiere nunmehr, noch dazu mit vermeintlich gutem Gewissen der Verbraucher, nach einem in aller Regel erbärmlichen Leben ein paar Wochen später getötet werden. Auch diese Tiere sind nur Waren.

  • "Zweinutzungshühner" Dieser Begriff und das Konzept dahinter steht nicht für besseres. Das Effizienzargument soll davon überzeugen, dass junge Hähne nicht mehr geschreddert würden, nicht mehr sinnlos sterben würden. Dabei ist jegliches Töten von Hühnern aus Geschmacksgründen moralisch fragwürdig. Sie haben ein Interesse an Leben und spüren Schmerzen wie auch Hunde. Wer dagegen ist, dass Hunde einfach so getreten und getötet werden dürften, die*der sollte gleiches auch gegenüber Hühnern, Schweinen, Rindern u.ä. ablehnen. Bio macht da keinen Unterschied.

  • Wer sich auf die männlichen Küken konzentriert: es ist barbarisch - diese gleich nach der Geburt zu töten - vergißt augenscheinlich, daß alle Hühner getötet werden.



    Diese Küken eben gleich, alle anderen Hühner später. Unsere Ministerin in D. will ein Verfahren vorschreiben, das bereits im Ei das Geschlecht bestimmt. Eier mit männlichem Geschlecht wandern in den Eier-Krt. und werden zum Frühstücksei.



    Kein Problem damit, das eigentliche Problem wird sein, daß dieses Verfahren die Kosten erhöht. Und die werden an anderer Stelle wieder eingespart, damit im europäischen Wettbewerb keine Vermarktungsnachteile entstehen.