Geplanter USA-Nordkorea-Gipfel: Rocket Men unter sich
Weltfrieden gerettet: Die beiden Unberechenbaren, Donald Trump und Kim Jong Un, vereinbaren den größten Gipfel aller Zeiten.
In US-Medien überwiegen die Zweifler: Der diplomatisch ungeschickte Trump werde sich über den Tisch ziehen lassen, und überhaupt solle ein US-Präsident sich nicht mit einem Tyrannen zu Gesprächen treffen, sagen sie. In Seoul jedoch bietet sich ein gegensätzliches Bild: In der Vergangenheit haben die Südkoreaner auf die wiederholten Atomtests Pjöngjangs mit demonstrativer Gleichgültigkeit reagiert. An diesem Donnerstag jedoch war das politische Interesse ungewöhnlich hoch.
„Die Leute um mich herum waren alle so überrascht wie ich. Noch vor zwei Monaten mussten wir schließlich noch einen Krieg fürchten“, sagt die 34-jährige Flugbegleiterin Kim Ji Yoon beim Feierabendbier im Seouler Hipster-Viertel Gyeongnidan. Vor ihr auf dem Bartisch steht ein Glas DMZ-Ale, benannt nach der Waffenstillstandslinie des geteilten Landes: „Vielleicht kann ich jetzt darauf hoffen, eines Tages nach Nordkorea reisen zu können.“
„Dass die Leute in Seoul besonders euphorisch sind, hat nicht zuletzt damit zu tun, dass sie es sind, die die Risiken des Nordkorea-Konflikts auf ihren Schultern tragen – und nicht irgendwelche Nordkorea-Experten in der Ferne“, sagt Andray Abrahamian, der mit der NGO „Choson Exchange“ regelmäßig Bildungsseminare in Pjöngjang geleitet hat. Der gebürtige Brite glaubt – bei aller gebotenen Vorsicht –, dass mit Trump und Kim „zwei mächtige Männer aufeinandertreffen, die keine Angst davor haben, Veränderungen herbeizuführen“.
Südkorea ist treibende Kraft
Trump mit seiner unberechenbaren Art könnte der richtige Politikertyp zur Auflockerung des festgefahrenen Konflikts sein. Der Zeitpunkt ist zudem mehr als günstig: Washington wird das Gipfeltreffen als Erfolg seiner Sanktionspolitik verkaufen, Pjöngjang hingegen als Folge seines Atomprogramms deuten.
Entscheidend ist jedoch, dass im Vergleich zu früher Südkorea aktiv am Entscheidungsprozess beteiligt ist. Schließlich war es Moon Jae Ins Sicherheitsberater Chung Eui Yong, der die Botschaft von Kim Jong Un an die USA überbracht hat. Ohne Frage wird Südkoreas Präsident diesen Moment auskosten wie kein Zweiter: Der Sohn nordkoreanischer Flüchtlingseltern, der sein politisches Leben lang für Frieden auf der Halbinsel gekämpft hat – und schließlich die Olympischen Winterspiele im eigenen Land diplomatisch galant zur innerkoreanischen Annäherung genutzt hat, ohne die US-Allianz zu verraten. Ein Drahtseilakt, der beachtenswert ist.
Bei den anstehenden Verhandlungen werden die jeweiligen Ziele – für Pjöngjang ein verbindlicher Nichtangriffspakt der USA, für Washington die nukleare Abrüstung Nordkoreas – nur am Ende eines langen, mit vielen Stolpersteinen gespickten Verhandlungsweges stehen. Wie mühsam und aufreibend ein solcher Prozess sein kann, zeigt das Beispiel Iran. Dabei erhöht das geplante Gipfeltreffen nun auch den Einsatz: Wenn nämlich die Gespräche scheitern sollten, steigt die Wahrscheinlichkeit mehr denn je, dass Trump – nach einem letzten Händereichen gegenüber Nordkorea – einen Militärschlag in Betracht ziehen wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Berliner Kultur von Kürzungen bedroht
Was wird aus Berlin, wenn der kulturelle Humus vertrocknet?