Geplanter Einstieg in Atomfabrik Lingen: Schwere Vorwürfe gegen Rosatom
Die russische Firma Rosatom will in die niedersächsische Brennelementefabrik einsteigen. Doch die Rolle des Konzerns im Ukrainekrieg ist umstritten.
![Blick auf ein Zugangstor vom Werk der Framatome - Advanced Nuclear Fuels GmbH Blick auf ein Zugangstor vom Werk der Framatome - Advanced Nuclear Fuels GmbH](https://taz.de/picture/7370044/14/370554581-1.jpeg)
Advanced Nuclear Fuels (ANF), Betreiber der Fabrik und Tochter des französischen Atomkonzerns Framatome, will künftig auch Brennstäbe für Atomreaktoren russischer oder sowjetischer Bauart herstellen und hat dafür eine Zusammenarbeit mit Rosatom vereinbart. Vor allem wegen Sicherheitsbedenken hatten rund 11.000 Menschen Einwände gegen das Vorhaben erhoben, darüber wurde bei dem Erörterungstermin diskutiert.
Bei der Verhandlung ging es unter anderem um Sicherheitsaspekte und die Gefahr von Sabotage und Spionage durch Rosatom. Ein Einwender verlangte den Abbruch des Verfahrens, weil Deutschland doch längst den Atomausstieg beschlossen habe, von dem die Lingener Fabrik allerdings ausgenommen ist. Andere fragten, ob es denn stimme, dass bereits russische Experten in Lingen bei Vorbereitungsarbeiten mit Beschäftigten von ANF zusammengearbeitet haben. Der ANF-Vertreter Jürgen Krämer räumte ein, es seien im April bereits russische Experten in Lingen gewesen, um ihre deutschen Kollegen an den neuen Maschinen anzulernen.
Der ehemalige technische Leiter des ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja, Oleg Dudar, warnte in einem schriftlichen Statement vor einer Zusammenarbeit mit Rosatom. Er beschrieb, wie sich Rosatom an der militärischen Eroberung und Besetzung des AKW beteiligt hat. Demnach hat Rosatom unter anderem dabei mitgeholfen, das Kraftwerk zu verminen und AKW-Mitarbeiter zu foltern. Das Unternehmen hatte eine frühere Bitte der taz um Stellungnahme zu diesen Vorwürfen unbeantwortet gelassen.
Gefahren durch Sabotage?
Dudar unterstrich, dass Rosatom elementare Sicherheitsregeln missachte, in Saporischschja drohe ein Unfall schlimmer als Fukushima: „Durch sein Handeln hat Rosatom Europa und die Welt an den Rand einer nuklearen Katastrophe gebracht.“ Oleg Dudar war bis März 2023 technischer Leiter des AKW Saporischschja. Er lebt aktuell in Deutschland im Exil.
Am Freitag legte die Anti-Atom-Organisation.ausgestrahlt in einem Papier nahe, dass Rosatom in Lingen gefertigte Brennelemente unbemerkt mit Sprengstoff präparieren könne. Der Recherche zufolge könnten in einem einzelnen Brennstab beispielsweise bis zu 30 Gramm des Sprengstoffs Nitropenta untergebracht werden. Nitropenta, bekannt durch die Pager-Attacken im Libanon, würde ohne weitere Zündvorrichtung beim Einsatz im AKW explodieren.
Framatome-ANF habe bei der Erörterung eingeräumt, dass der Betreiber nicht nur sämtliche für die Fertigung der Brennelemente nötigen nicht-nuklearen Komponenten von Rosatom beziehen wolle, sagte Bettina Ackermann von.ausgestrahlt. Rosatom werde sogar fertig verschweißte und befüllte Brennstäbe zuliefern, die in Lingen dann nur noch montiert würden. Für den Kreml-Konzern sei es „ein Leichtes, diese Stäbe oder andere Komponenten mit Sprengstoff zu präparieren“. Auch bei Eingangskontrollen in den AKW würden solche Manipulationen nicht entdeckt.
Das niedersächsische Umweltministerium will zunächst die Ergebnisse des Erörterungstermins auswerten und dann über den Antrag von Framatome-ANF entscheiden. Letztlich hat hier aber der Bund das Sagen, er ist in Atomfragen weisungsberechtigt.
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