Geplante Verschärfung des EU-Klimaziels: Klima der Unverbindlichkeit
Ob die EU mit dem aktuellen Vorstoß das Pariser Weltklimaabkommen einhalten würde, ist schwer zu sagen. Es offenbart eher seine großen Schwächen.
E s hätte schlimmer kommen können. Ursula von der Leyen hat am Mittwoch erklärt, wie sich ihre EU-Kommission das neue Klimaziel des europäischen Staatenbundes für das Jahrzehnt vorstellt. Sie will, dass die Länder zusammen mindestens 55 Prozent der Treibhausgas-Emissionen gegenüber dem Niveau von 1990 einsparen. Zuvor war die Rede von einer Reduktion um 50 bis 55 Prozent gewesen. Die EU-Kommission will nun also ans obere Ende dieser Spanne. Jetzt müssen die Regierungen der EU-Staaten und das Europaparlament darüber verhandeln.
Ob die EU mit dem aktuellen Vorstoß das Pariser Weltklimaabkommen einhalten würde, ist schwer zu sagen. Es ist eines seiner großen Schwächen, dass es kaum Handwerkszeug liefert, um das Handeln einzelner Staaten zu bewerten. Fast 200 Staaten haben darin versprochen, die Erderhitzung gemeinsam bei „deutlich unter 2 Grad“, möglichst sogar bei 1,5 Grad gegenüber vorindustriellen Zeiten zu halten. Die Klimawissenschaft kann abschätzen, wie viel Treibhausgas dafür noch entweichen darf. Für eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit auf das 1,5-Grad-Ziel muss die Welt laut Weltklimarat bis spätestens 2050 klimaneutral sein. Auf diesen Pfad will die EU mit ihrem neuen Klimaziel kommen. Die Frage ist: Reicht uns eine Fifty-fifty-Chance bei der Bewahrung eines stabilen Weltklimas? Das regelt das Parisabkommen nicht.
Es macht auch kaum Aussagen darüber, wie viel die einzelnen Staaten von dem verbleibenden CO2-Budget abbekommen sollten. Geht man nach Bevölkerungsgröße? Nach der historischen Verantwortung eines Landes? Nach der aktuellen Finanzkraft?
Greift man solche Fairnessfragen auf, müsste die EU deutlich früher als 2050 klimaneutral werden, um anderen Staaten mehr Zeit zu geben. Das schwache Design des Parisabkommens hat es möglich gemacht, dass fast alle Staaten dabei sind. Es zieht die Regierungen aber nicht zur Verantwortung. Den Job muss die Zivilgesellschaft übernehmen. An den Wahlurnen, auf der Straße und – wie es in Form von Klimaklagen immer häufiger geschieht – vor Gericht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Pro und Contra
US-Präsident Biden hat seinen Sohn begnadigt – richtig so?
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld