piwik no script img

Georg-Elser-Halle in HamburgCulturewashing mit Hitler-Attentat

Eine neue Veranstaltungshalle in Hamburg ist nach Georg Elser benannt. Taugt der Nazi-Bunker als Gedenkort für einen Widerstandskämpfer?

Aufs Dach kommt die Georg-Elser-Halle: Bunker-Baustelle auf dem Hamburger Heiligengeistfeld Foto: Daniel Reinhardt/dpa

Bitte vormerken: Für Herbst 2022 ist ein Konzert in der Georg-Elser-Halle in Hamburg angekündigt. Ganz beiläufig taucht der Name des neuen Veranstaltungsraums auf. Die Georg-Elser-Halle liegt auf dem Bunker in der Feldstraße 66 in Hamburg, ist also Teil der Bunkeraufstockung. Ihr Betreiber, der Club-Manager Wolf von Waldenfels (*1960) – ja, der vom Phonodrome, vom Powerhouse, dem Uebel & Gefährlich und dem Golem und bis 2020 im Vorstand des Clubkombinat Hamburg e.V. – betreibt die Halle über seine eigens dafür gegründete HighGroundGardens Event GmbH, deren Miteigentümer und Geschäftsführer er ist. Bis zu 2.200 Gäste bzw. 1.300 in der „Half-House“-Variante fasst die neue Stadtteil- und Musikhalle, die ab dem zweitem Quartal 2022 „alle Facetten kulturellen Lebens zelebrieren“ soll.

Der Hochbunker in St. Pauli, dieser weithin sichtbare Koloss, erinnert an die militärische Aggressivität und Gewalt des Nationalsozialismus. 1942 innerhalb eines knappen Jahres von Zwangsarbeitern errichtet, bot er im Sommer 1943 bis zu 25.000 zusammengedrängten Menschen Schutz vor den Luftangriffen der „Operation Gomorrha“. Mit dem Bau wie mit seiner Nutzung war also unendliches Leid verbunden.

Zugleich sollte die schnelle Errichtung und monströse Präsenz die Wehrhaftigkeit der Heimatfront demonstrieren. Unmittelbar nach Kriegsende 1945 lebten hier Ausgebombte. Dann siedelten sich Medienunternehmen an, darunter der Nordwestdeutsche Rundfunk. F.C. Gundlach gründete hier seine legendäre Foto-Firma PPS. Der Bestandsbau hat aktuell rund 40 Mieter, darunter der Musikclub Uebel & Gefährlich und das Ensemble resonanz. Mahnmal, Kulturstätte und Geschäftsort zugleich, gehört er inzwischen – wahrlich unverrückbar – zur Hamburger Kultur- und Medienszene.

Verändern und gedenken

Der Name Georg-Elser-Halle sei laut Information des Betreibers bewusst gewählt: „Ohne Alt kein Neu. Wir wollen diesen Ort verändern, ohne das Gedenken abzumildern. Im Bunker gibt es also fortan einen weiteren kulturellen Ort, der nicht vertuscht, was war, und ein neuer Ort für friedliche Begegnungen wird. Auf Konzerten, bei Sportveranstaltungen, Indoor-Flohmärkten und Messen.“

Der Schreiner Georg Elser (*1903) verübte am 8. November 1939 im Münchner Bürgerbräukeller ein Bomben-Attentat auf Adolf Hitler und die anwesende nationalsozialistische Führungsspitze. Das Attentat scheiterte, weil Hitler und sein Gefolge das Gebäude wenige Minuten früher als geplant verließen. 8 Menschen starben. Elser wurde gefasst und am 9. April 1945 im KZ Dachau ermordet.

„Wir errichten auf einem Mahnmal eine Halle für Vergnügen, Kultur, Musik und den Stadtteil, in dem die Halle steht. Passt das zusammen?“ Diese rhetorische Frage des Betreibers wird umgehend beantwortet. Der Name des Widerstandskämpfers gegen den Nationalsozialismus und Hitler-Attentäters ermögliche, dass „die Halle, der Ort, der Bunker auf dem Heiligengeistfeld ein Mahnmal bleibt, und ein Held die Aufmerksamkeit bekommt, die ihm lange verwehrt wurde.“

Urte Ußling vom Hilldegarden e.V., der einen Informations- und Erinnerungsort einrichten wird, um die Geschichte des Bunkers in ihrer Vielschichtigkeit sichtbar zu machen, sieht „die Namensgebung grundsätzlich positiv, weil sie den Zusammenhang zwischen dem Nationalsozialismus und dem historischen Gebäude herstellt.“ Es dürfe aber nicht vergessen werden, „dass Unschuldige bei dem Attentat von Georg Elser ums Leben gekommen sind. Ob unser Informations- und Erinnerungsort einen Namen bekommt, ist offen.“

Auf der guten Seite

Werden Aufstockung und Begrünung aus dem grauen Koloss eine grüne Oase machen, wie die Eigenwerbung verheißt? Und wird die Georg-Elser-Halle die Erinnerung an eine einmalige Widerstandsaktion wach halten und sie in die Stadtgesellschaft tragen? Auf Nachfrage heißt es aus dem Bezirk Mitte: „Es gab keine Abstimmung zur Benennung der Halle. Wir haben nur davon gehört. Es freut uns selbstverständlich sehr, dass ein weiterer Gedenk­ort an den mutigen Widerstandskämpfer Georg Elser in Hamburg existiert, der ihn als Person ehrt.“

Diese Entscheidung macht gleich mehrere Dilemmata im Umgang mit Namensgebungen und historisch belastetem Gelände sichtbar: Sie erfolgte offenbar ohne Bezug oder Austausch mit der zeitgleich vorgenommenen Benennung des Georg-Elser-Platzes in der Hamburger Neustadt. Sie steht für den Versuch, den widerständigen Elser, den Antipoden des Bunkers, in eben diesen zu inkorporieren. Ist es nicht verwegen, obschon gut gemeint, mit der Georg-Elser-Halle das historisch kontaminierte Bunkergelände gleichsam umzuwidmen, auf dem sie errichtet ist? Der Wunsch ist jedenfalls offenkundig, mit dem Gedenken an einen Widerstandskämpfer auf der richtigen, der besseren Seite der Geschichte zu stehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Mal ganz ehrlich:



    Zur Schillerstraße fallen den meisten wohl als erstes Schillerlocken ein (die essbaren) und bei Uhlandstraße denkt kaum jemand an den guten Kameraden. Selbst Kaiserin Augusta werden die meisten nachschlagen müssen.

    Georg Elser ist ein Gescheiterter, schon deshalb wird es ihm nicht besser ergehen als vielen anderen Namensgebern, die inzwischen vergessen worden sind. Hinzu kommt, dass er eben nicht so spektakulär gescheitert ist wie z.B. Stauffenberg.

    Und mit der Zeit verblasst fast alles und wird so bedeutungslos. Mag sein, dass es in 100 oder 200 Jahren Kindergärten mit dem Namen "Villa Kunterbunt" geben wird, nur bezweifele ich, dass da jemand an Astrid Lindgren oder Pippi Langstrumpf denken wird.

    Insofern vielleicht besser nach einer Berliner Boygroup (Comedian Harmonists) oder einer Danziger Boygroup (Rote Gitarren) benennen.

  • Sie erfolgte offenbar ohne Bezug oder Austausch mit der zeitgleich vorgenommenen Benennung des Georg-Elser-Platzes in der Hamburger Neustadt.

    Glaub ich nicht Fr. HAMANN. Informieren sie sich über Verbindungen der Initiatoren von Platz / Übel & Gefährlich etc.

  • Die Bedenken der Autorin wirken sehr konstruiert.

    Georg Elser ist kein "Antipode" eines Bunkers.

    Er hätte mit Sicherheit im Bombenhagel auch einen aufgesucht.

    Bunker in Hamburg erinnern an die militärische Agressivität und Gewalt der Nazis?

    Na ja.



    Dazu sind deutsche Bunker nur bedingt geeignet. Sie sind ja erst mal auf Schutz ausgelegt.

    Die Frage, die die Autorin aufwirft, wurde in Berlin schon vor Jahrzehnten beantwortet.

    Der Reichsbahnbunker wurde Anfang der 90er zu einem Techno-Club.

    Der Humboldthain-Bunker ist eine super Feierlocation mit Blick über die Stadt.

  • Im Bunker überlebten die Leute. So mancher Nazi wird darunter gewesen sein. Wer es nicht in den Bunker schaffte, der starb. Was das mit Elser zu tun hat, erschließt sich mir nicht. Die Autorin hat recht, hier findet eine Umwidmung statt, oder besser gesagt, hier geht ein Kaufmann seinen Geschäften nach. Eher eine Form von Ablasshandel als ernst gemeinte Erinnerung.

  • "Es dürfe aber nicht vergessen werden, „dass Unschuldige bei dem Attentat von Georg Elser ums Leben gekommen sind."

    Maria Henle, Aushilfskellnerin.



    Alle anderen waren alte Kämpfer der NSDAP oder hauptamtlich in der SA