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Denkmal für Hitler-AttentäterSpäte Ehre

Georg Elser versuchte einst, Hitler mit einer Bombe zu töten. Erst jetzt – 80 Jahre später – erhielt er in seinem Geburtsort ein Denkmal.

Hitler entkam nur knapp: der Münchner Bürgerbräukeller nach der Explosion von Elsers Bombe Foto: dpa

Berlin taz | 21.20 Uhr, 8. November 1939: Im Münchner Bürgerbräukeller explodiert bei einer NS-Veranstaltung eine Bombe. Acht Menschen sterben. Doch Adolf Hitler und sein engster Führungskreis haben den Raum kurz zuvor verlassen. Das Attentat ist gescheitert.

80 Jahre sind seit dem Anschlag von Georg Elser vergangen. Am Montag erhielt der Mann in seinem Geburtsort Hermaringen endlich ein Denkmal. Das späte Gedenken geht auf eine Gruppe von Privatpersonen zurück.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte Elser in Hermaringen: „Georg Elser ist in der Geschichte des 20. Jahrhunderts ein Großer, an den die Erinnerung lange, viel zu lange kleingehalten worden ist“, sagte er. Aber warum wurde Elser, der mit seinem Attentat die NS-Führungsspitze ausschalten und den Frieden wiederherstellen wollte, so lange ignoriert?

„Von der Gestapo inszeniert oder von Gegnern Hitlers in seiner eigenen Partei versucht“: So lautete 1939 das Urteil der SPD aus dem Pariser Exil. Selbst im Widerstand vermochte sich kaum jemand vorstellen, dass ein Einzelner die Tat begangen hatte. Das galt auch für die Nazis: Sie setzten die Legende vom britischen Geheimdienst als Drahtzieher in die Welt.

Lange nicht angemessen gewürdigt: Johann Georg Elser Foto: dpa

Der Historiker Johannes Tuchel, Leiter der Berliner Gedenkstätte Deutscher Widerstand, nennt das eine „doppelte Diffamierung“. Nach der Befreiung wurde Elser ignoriert. Zu sehr hatte der 1945 ermordete Mann den Deutschen einen Spiegel vorgehalten, dass Widerstand auch von einfachen Bürgern möglich war, sagt Tuchel.

Mitte der 1960er Jahre entdeckten Historiker Elsers Verhörprotokolle, aus denen seine Motive hervorgehen. Doch es brauchte noch einmal ein Jahrzehnt, bis sich in der Öffentlichkeit die Auffassung durchsetzte, dass der Tischler der einzige Zivilist war, der Hitler aus politischen Gründen zu töten versucht hatte.

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17 Kommentare

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  • Wenn sonst nichts mehr hilft, Ultima Ratio



    Tyrannenmord



    Wäre Georg Elser erfolgreich gewesen, hätte das bestimmt den Krieg verkürzt und Millionen Menschen gerettet.



    Ebenso wie der 20.Juli - der Versuch war es wert.

  • 0G
    06313 (Profil gelöscht)

    Ich finde es natürlich toll, dass Elser ein Denkmal bekommt. Auf der anderen Seite frage ich mich, wie unsere heutige Justiz mit dem Fall umgehen würde. Würde sie Elser anklagen oder freisprechen? Immerhin war es ja ein Terroranschlag und mehrfacher Mord. Nicht missverstehen: seine Tat ist für mich heldenhaft gewesen, aber dennoch nicht mit den Gesetzen vereinbar - weder denen der Nazi-Diktatur noch die der BRD.

    • @06313 (Profil gelöscht):

      “… Auf der anderen Seite frage ich mich, wie unsere heutige Justiz mit dem Fall umgehen würde. Würde sie Elser anklagen oder freisprechen? …“

      Sach mal so & spitze zu - das Attentat wäre geglückt - aber kein Retroblick möglich - (Stand etwa - “Anmerkungen zu Hitler“ - von Sebastian Haffner!)



      (& Hab ich mich das oft schon gefragt)



      & Däh -



      Keine Frage - Tatsächlich! - Beider Justiz: Verurteilung & auch aus historischer Sicht im Nachhinein desgleichen. But.

      Aber. Nach heutigem - Recht!!? Eher so:



      Dazu empfehle & folge ich den klugen Darlegungen von Jutta Limbach.



      www.georg-elser-ar.../texts/limbach.htm



      “… Es ist die besondere Tragik des Widerstandskämpfers, dass er das Risiko sowohl des Irrtums als auch des Scheiterns trägt. Er muss die Folgen der von ihm beabsichtigten Tat bedenken, auf dass er das Unheil für das Gemeinwesen nicht noch vergrößert. So Thomas von Aquin. Das gilt vor allem dann, wenn der Widerstand nicht nur die Verfassungsfeinde trifft, sondern - wie bei dem Attentat von Georg Elser - auch Dritte in Mitleidenschaft zieht. Der im Münchener Bürgerbräukeller explodierte Sprengkörper hat bekanntlich nicht Hitler, sondern acht Menschen getötet und 63 verletzt. Hitler hatte wegen der schlechten Wetterverhältnisse die Gaststätte bereits 13 Minuten zuvor verlassen.…“



      & des Weiteren - dort selber lesen.



      …servíce.

  • Oh oh. Das sieht ja nach einem gefährlichen Linksruck in unserem Land aus. Verfassungschutz: aufgepasst und hergehörcht!

    • @Jalella:

      Gemach Gemach - wa.

      Die Schlapphüte hatten den Herrn von Bellevue schon mal im Viser. Doch Doch.

      Nicht wg Couple Steinmeier/Maaßen-Skandal = Murat Kurnaz - 5 Jahre lang Guantanamo rechts&verfassungswidrig.

      Nö wg Schriftleiter “Demokratie&Recht“

      unterm—-zur Verluderung mal näher -



      de.wikipedia.org/w...mokratie_und_Recht

      Aber Weggefährtin Brigitte Zypries - hat schon recht - “Der kann alles.“ - als sie ihn Schröder Gerd als Büroleiter öh Chef des Bundeskanzleramtes empfahl. Gelle.

      kurz - Der Rest ist bekannt.

      • @Lowandorder:

        & Däh&Zisch - Mailtütenfrisch -

        “ “Der kann alles.“ Ja. Und der macht alles. Schlimm wird`s immer, wenn er auf "staatstragend" macht.“

        Stimmt - hat sich aber leider nicht jeder gedacht.

  • Gut so. Endlich.

    unterm—-mal was genauer & deutlicher - Jutta Limbach - bitte -



    “ Keiner der Attentäter, die Hitlers Leben gewaltsam beenden wollten, ist so missachtet und unterschätzt worden wie Georg Elser. Gewiss ist nicht nur der Tat dieses Einzelgängers, sondern auch dem im Staatsstreich vom 20. Juli 1944 gipfelnden Widerstand lange Zeit der Respekt versagt geblieben. Noch nach dem Kriege gab es Stimmen, die jenes Aufbegehren als Landesverrat werteten. Und noch heute wird darüber geklagt, dass die Opfer des 20. Juli kaum ein Echo in den Herzen unseres Volkes finden (Bodo Scheurig).



    Doch unsere heutige Vorstellung vom Widerstand wird weitgehend von dem Staatsstreich des 20. Juli 1944 geprägt. Joachim Fest hat den langen Weg zum 20. Juli beeindruckend geschildert und analysiert. Georg Elsers Anschlag im Münchener Bürgerbräu ist ihm allerdings nur in der Zeittafel am Ende seines Buches unter dem 8.11.1939 der kurzen Erwähnung wert: "Missglücktes Attentat des Einzelgängers Georg Elser auf Hitler in München." Die Aufmerksamkeit konzentriert sich - auch in seinem Buche - auf das Tun und Lassen der gesellschaftlichen Elite.



    Sowohl den Gefolgsleuten als auch den Feinden Hitlers erschien es offenbar undenkbar, dass sich ein einfacher Mann aus dem Volke zu einer solchen Tat aufraffen und - völlig auf sich gestellt - das Todeswerkzeug konstruieren und installieren konnte. Unbegreiflich erschien und erscheint vor allem, dass ein aus einfachsten Verhältnissen stammender Handwerksgeselle die Gefahr erkannte, die die Herrschaft Hitlers für den Weltfrieden bedeutete. Der unersättliche Expansionsdrang Hitlers war sein erklärter Beweggrund zur Tat. Diese Voraussicht künftigen Unheils beschämte offenbar - man möchte fast sagen; kränkte - all jene, die den verbrecherischen Charakter des Nationalsozialismus angeblich nicht oder zu spät erkannt haben.…“



    & ff

    www.georg-elser-ar.../texts/limbach.htm

    • @Lowandorder:

      ff

      “… Hier liegt meines Erachtens der tiefere Grund dafür, dass Elsers Anschlag auf Hitler gern vergessen, auf angebliche Hintermänner zurückgeführt oder aber als unmoralisch disqualifiziert wird. Denn Elsers Feinnervigkeit und Entschlusskraft stellen die Glaubwürdigkeit und den Verantwortungssinn vieler seiner Zeitgenossen in Frage.



      Manfred Haushofer hat dieses Versagen in einem seiner Moabiter Sonette bewegend thematisiert:



      "ich musste", so heißt es in der zweiten Strophe,



      "früher meine Pflicht erkennen,



      ich musste schärfer Unheil Unheil nennen -



      mein Urteil hab ich viel zu lang gelenkt..."



      Der Widerstand in den Jahren 1933 bis 1945 war nicht nur Sache einer gesellschaftlichen Elite. Auch wenn die Flugblattaktion der "Weißen Rose" und die Umsturzversuche der Männer aus der Politik und dem Militär vorzugsweise das öffentliche Interesse finden. Auch und gerade unter einer menschenverachtenden Herrschaft kommt es auf das Verhalten der Menschen an der Basis an. Das im Jahre 1968 im Grundgesetz legalisierte Widerstandsrecht steht denn auch jedem Deutschen zu. Dort heißt es:



      "Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist." (Art. 20 Abs. IV GG.)



      Mit der angegriffenen Ordnung ist die bundesrepublikanische gemeint. Wir können Elsers Tat daher nicht direkt unter das Grundgesetz subsumieren wollen. Aber wir können sie durchaus vor dem Hintergrund dieser Verfassungsnorm zu beurteilen versuchen.…

      Das Widerstandsrecht des Grundgesetzes ist im Zusammenhang der Notstandsregelung in die Verfassung aufgenommen worden. Es war gewissermaßen als liberaler Ausgleich für die damals überaus umstrittenen Freiheitsbeschränkungen für den Notstandsfall gedacht; gleichsam, so Isensee, als "liberales Zubrot" zur "autoritären Peitsche".…“

      Die weiteren kundigen Ausführungen der ehemaligen Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts bitte selber lesen.

      kurz - Quel homme •

      • @Lowandorder:

        Danke für Ihre Beiträge, denn sie erweitern mein Bild von Georg Elser, den ich (trotz dem ...), seit ich von ihm weiß, verehrt und bewundert habe.

      • @Lowandorder:

        & Däh&Zisch - Mailtütenfrisch -

        “ "Denn Elsers Feinnervigkeit und Entschlusskraft stellen die Glaubwürdigkeit und den Verantwortungssinn vieler seiner Zeitgenossen in Frage..."



        Mark Twain hat`s mal generalisiert: "Wenige Dinge auf Erden sind lästiger als die stumme Mahnung, die von einem guten Beispiel ausgeht."







        Radikale Gesinnungsethiker folgen halt ihrem Gewissen.



        Endet oft tödlich für sie selbst.“

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @Lowandorder:

        Was würden wir ohne Sie machen?

        Danke.

        • @88181 (Profil gelöscht):

          Ach was! Quatsch mit Soße. Dafür wißt ihr halt anderes. Bedankt.

      • @Lowandorder:

        Danke für die Erläuterungen.

        Ich denke noch immer mit Entsetzen daran, wie die Edelweißpiraten aus Kölle mit Hilde der Gestapo Unterlagen auch im Adenauer Deutschland als rechtmäßig aufgehängt beurteilt wurden und es sehr, sehr lange dauerte, bis ENDLICH die Terrorurteile sowohl der Nazijustiz als auch der westdeutschen Justiz revidiert wurden.

        • @Rolf B.:

          Ja - de Schäng - mal -



          “ Jean Jülich berichtet von solchen Versuchen seitens des damaligen zuständigen Dezernenten des Kölner Regierungspräsidenten. Dieser habe ihm angeblich offen zu verstehen gegeben, dass Edelweißpiraten für ihn „Krahde“, also Dreck und Pöbel seien, dessen Züchtigungen durch die Hitler-Jugend er für sinnvoll gehalten habe.“

          de.m.wikipedia.org...%C3%9Fpiraten.JPG&



          filetimestamp=20131025134659&



          &



          de.m.wikipedia.org...C3%BClich_Koch.jpg



          & Däh!



          “ Als 1978 Monitor über die Nichtanerkennung der Ehrenfelder als politische Verfolgte berichtete, ließ Regierungspräsident Franz-Josef Antwerpes die Gerichtsurteile der 1950er Jahre überprüfen. Die Urteile wurden erneut bestätigt.“



          &Däh!



          “1984 würdigte die Gedenkstätte Yad Vashem in Israel Bartholomäus Schink und Jean Jülich als Gerechte unter den Völkern.“



          de.wikipedia.org/w...Ehrenfelder_Gruppe

          &



          www.spiegel.de/spi...nt/d-42983300.html

          “ 2005 wurden die Kölner Edelweißpiraten offiziell vom damaligen Regierungspräsidenten Jürgen Roters rehabilitiert: …“



          &



          www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=16407



          “ Fünf "Edelweißpiraten" im Kölner Rathaus ausgezeichnet - Interviews



          Keine Ehrung für die Ermordeten



          Von Alexander Goeb“

          • @Lowandorder:

            Merci vielmals für die zusätzliche Aufklärung.