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Gentechnik gegen ErbkrankheitenDon’t believe the hype

Forscher haben erstmals ein defektes Gen aus menschlichen Embryonen entfernt. Wann wird ein solcher Diskurs behindertenfeindlich?

Der Experimentleiter Shoukhrat Mitalipov ist für Tabubrüche bekannt Foto: ap

Das war die Wissenschaftsnachricht der Woche: Ein US-amerikanisches Forschungsteam hat erfolgreich eine „Erbkrankheit“ aus einer befruchteten Eizelle herausgeschnitten, Fehler habe es fast nicht gegeben. Leiter des Teams ist der für Tabubrüche bekannte Shoukhrat Mitalipov, der 2007 mit dem ersten geklonten Affen und 2013 mit den ersten geklonten menschlichen Embryos Schlagzeilen machte.

Bei der als Genome Editing bezeichneten Methode werden als problematisch identifizierte Stellen in der DNA angesteuert und entfernt oder ersetzt. Klingt einfach, ist es aber nicht. Warum? Weil wie das meiste im Leben auch DNA komplex ist.

Von den meisten Bereichen weiß man schlicht immer noch nicht, was sie tun. Bei einzelnen identifizierten Genen kennt man zwar eine Funktion; weiß aber nicht, ob sie nicht noch andere haben. Deswegen können beim Genome Editing die sogenannten On-Target-Fehler vorkommen: Der Schneidemechanismus hat sein Ziel exakt getroffen, dabei ist aber etwas schiefgegangen.

Darüber hinaus gibt es auch noch Off-Target-Fehler, wenn an anderen Stellen der DNA auch Veränderungen vorgenommen werden, weil die so ähnlich aussehen wie die Zielregion. Außerdem kann es zur Mosaikbildung kommen, wenn die problematische DNA-Stelle nur aus einigen, aber nicht aus allen Zellen entfernt wird. Die aktuelle Studie präsentiert sich in dieser Hinsicht als erfolgreich: Es habe keine Off-Target-Effekte und nur eine Mosaikbildung ­gegeben.

Allerdings streitet sich die Wissenschaftscommunity gerade darüber, wie genau und intensiv nach den Fehlern gesucht werden muss, um die Behauptung aufstellen zu dürfen, es gebe keine. Dieser Streit ist gut und nötig, hat doch das Schlagwort „Präzision“ den unkritischen Hype um die neuen Techniken enorm befeuert.

Während Inklusionsbemühungen als übertrieben und zu teuer wahrgenommen werden, gelten die neuen Technikspielzeuge als sehr spannend

Das aktuelle Experiment birgt jedoch noch gravierendere Probleme als die Anwendung der Methode an Pflanzen, Tieren oder erwachsenen Menschen: Die Manipulation embryonaler Gene ist vererbbar. Zurzeit hat natürlich niemand die Absicht, eine Frau mit so veränderten Embryonen zu schwängern und tatsächliche Kinder daraus entstehen zu lassen – dies wäre verfrüht, heißt es.

Doch verfrüht bedeutet, es könnte auch einen richtigen Zeitpunkt geben – wenn die Technik gut genug ist – und einen zu späten – wenn andere Forschungsgruppen, Biotecfirmen und Volkswirtschaften schneller waren?

Sicher ist, dass die Grenze des Tabubruchs in rasantem Tempo ausgeweitet wird: 2015 löste das chinesische Experiment an nicht lebensfähigen Embryonen als erste Publikation dieser Art eine internationale Kritik an der Anwendung der Techniken aus. Bereits weniger Aufregung erzeugte die Genehmigung zur Verwendung der Methode an lebensfähigen Embryonen in Großbritannien, diese sollten explizit der Grundlagenforschung dienen.

Nun wurde eine konkrete Krankheit zum Ziel, angeblich ganz präzise – und international überwiegt die Faszination: Die Abwehr, mit der das chinesische Experiment kommentiert worden war und der Ruf nach einem Moratorium scheint in weiter Ferne zu liegen.

Die „schreckliche Krankheit“, vor der Mitalipov in diesem Fall „die Kinder schützen“ will, ist eine genetisch vererbbare Herzmuskelschwäche, deren Hauptauswirkung eine Einschränkung der Belastbarkeit des Herzens ist. Leistungssport sollten die Betroffenen besser nicht betreiben. Aber wie schrecklich ist das? Hier beginnt ein Problem, das nichts mit den Techniken an sich zu tun hat: Wann wird ein solcher Diskurs behindertenfeindlich und ableistisch, weil er suggeriert, dass eigentlich jede „Erbkrankheit“ „schrecklich“ ist und vermieden werden sollte?

Es scheint langweilig und ermüdend zu sein, über gesellschaftliche Verbesserungen für Menschen mit Behinderung zu diskutieren. Die Inklusionsbemühungen werden als übertrieben und zu teuer wahrgenommen – während die neuen Technikspielzeuge als so spannend gelten.

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17 Kommentare

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  • Ich kann es nicht fassen, dass die Taz das Recht auf Abtreibung hochhält und gleichzeitig so einen reaktionären Müll wie diesen Artikel veröffentlicht.

    Da schwafelt die vermutlich kerngesunde Autorin davon, dass manche Erbkrankheiten ja gar nicht so schrecklich sind und Eltern deshalb ruhig gezwungen werden sollten, diese an ihre Kinder weiterzugeben. Ist dieser Frau eigentlich noch zu helfen? JEDE Krankheit führt zu einem Leidensdruck und sollte verhindert werden, wenn es möglich ist. Und NATÜRLICH ist eine Welt ohne erbliche Krankheiten und Behinderungen genauso wünschenswert wie eine Welt ohne Gewalt und ohne Armut. Wer vermeidbares Leid absichtlich erhalten möchte, der hat keine Grundlage, sich als Humanist oder als empathische Person zu bezeichnen.

    • @Thomas Friedrich:

      Ihr Kommentar ist sowohl beleidigend als auch einseitig.

      Viele der im Bereich arbeitenden Forscher sind fuer ein (zeitweiliges) Moratorium von Veraenderungen auf der Keimbahn: bsp, www.nature.com/new...-germ-line-1.17111 . Anders wenn es darum geht, die Krankheiten selbst zu behandeln und heilen - das ist dennoch moeglich. Bessere Informationen (gut auch der Artikel selbst ist in einigen Punkten nicht so klar wie es wuenschenswert waere) waeren da vonnoetten.

  • Der Artikel selbst ist behindertenfeindlich und greift die Menschenwürde an. Stellen Sie sich vor, es gäbe ein Mittel, eine Querschnittslähmung zu heilen. Jetzt zu unterstellen, dass Querschnittsgelähmte so an ihrer Identität als Querschnittsgelähmte hängen würden, dass sie die Verfügbarkeit einer entsprechenden Behandlung als Angriff auf ihre Identität verstehen würden, ist absurd.

    Wollen Sie wirklich verbieten, dass Eltern sich dafür entscheiden, ihre ungeborenen Kinder behandeln zu lassen?

    Es ist richtig, die Risiken zu betrachten. Es ist auch richtig, die Konsequenzen zu diskutieren, wo es nicht um Behinderungen geht. Der Übergang zu "unvorteilhaften" Genkombinationen ist da natürlich fließend. Wo hört die Behandlung eines Gendefekts auf und wo beginnt das Gendesign? Nach guter deutscher taz-Manier, die Würde der Betroffenen vorzuschieben um ihnen ein Leben ohne Behinderung zu verweigern, wird nicht nur der Problematik nicht gerecht. Es verhindert zudem die wichtige Diskussion, wie wir solche Behandlungen regulieren sollten.

    Stellen Sie sich vor, die Behandlung wird möglich, hat aber ein erhebliches Risiko: 50% der behandelten Embryonen sterben und bei 50% ist die Behandlung erfolgreich. Ist das dann ethisch vertretbar? Bei welchem Risiko ist die Grenze?

    Stellen Sie sich vor, das Risiko wäre sehr gering. Könnten Eltern dazu gezwungen werden, die Behandlung vorzunehmen - wie das heute ja auch schon bei kritischen Operationen der Fall ist?

    Behindertenfeindliche Fundamentalopposition verhindert die wichtige Diskussion dieser Fragen.

    • @Velofisch:

      Sie liegen moralisch individuell, theoretisch "irgendwie" richtig aber in der Praxis total daneben.

       

      Sie müssen sich klarmachen, dass beim Anwenden dieser Technik eben nicht genau der Ihnen bekannte Mensch ensteht der dann aber wie durch Zauberhand gesund geboren wurde.

       

      Denn, der wird nie existieren.

       

      Sondern es wird ein Mensch erzeugt den es sonst so nie gegeben hätte.

       

      Und das ist die Auslese, die moralisch zu diskutieren ist:

      Für die Betroffenen lautet also die Frage: Hätten Sie lieber niemals gelebt als mit dieser Behinderung? Hätten Sie diese Tochter/diesen Sohn besser nie bekommen?

       

      Also: Wir geben ganz anderen das Lebensrecht, aber ,machen keinesfalls die die leben "nachträglich" gesund.

      Übrigens: Mir ist keine Statistik bekannt, dass es signifikante Mordraten an Behinderten oder Selbstmord von Behinderten gäbe.

      Oder sind Sie Brillenträger (?), oder oder.,... Dann wären Sie ggf. zukünftig niemals geboren....

      Somit ist die Frage für mich in der Praxis beantwortet.

      • 8G
        80576 (Profil gelöscht)
        @Tom Farmer:

        Vor allem die Grünen kämpfen für das Recht der Frau, legal und möglichst ohne irgendwelche Hürden abtreiben zu dürfen. Auch gesunde Föten. Begründung: Selbstbestimmungsrecht der Frau.

         

        Wenn man aber mit Gentechnik Behinderungen vermeiden will, dann ist das unethisch?

      • @Tom Farmer:

        Nur sehr theoretisch könnten Sie recht haben. Jedes Beheben einer Behinderung wie z.B. Lasern der Augen oder Operation eines angeborenen Herzfehlers verändert den Menschen und sehr theoretisch ist es nicht mehr der gleiche Mensch.

        Praktisch aber reduzieren sie Behinderte auf ihre Behinderung. Das ist moralisch ziemlich daneben.

        Wir machen uns in letzter Zeit viele Gedanken um Transsexuelle. Wenn man Ihrer Argumentation folgend würde, würde man Transsexualität als Töten der ursprünglichen Person und einer künstlichen Erschaffung der neuen Person sehen. Daran sehen Sie, dass Ihre Sichtweise gerade aus der moralischen Perspektive sehr bedenklich ist.

        • @Velofisch:

          Sie haben meine Argumente nicht verstanden.

           

          Ein Mensch der eine Brille trägt, eine Geschlechtsumwandlung will,.... korrigiert aus eigenem Entschluss ein empfundenes oder tatsächliches Defizit. Und: er existiert bereits.

           

          Wenn jedoch an Stelle von natürlicher Empfängnis (in einer fernen Zukunft) ALLE im Reagenzglas erzegt werden und das mit heute vergleichen. Wer von Ihren Liebsten inkl. Ihnen selbst wäre da am Leben? Wohl keiner.

           

          Es lebten ganz andere Leute hier, optimiert... vielleicht ganz nette Menschen. Aber ich selbst würde nicht existiereren und alle die ich kenne auch nicht. Also ist meine Poition klar.

          Wir bleiben besser biologisch gezeugt, mit allen Defiziten....und dann jeder sein "minderwertiges" Gen-Päkchen zu tragen hat.

    • @Velofisch:

      Genau meine Meinung.

    • @Velofisch:

      Mal Gattaca schauen (z.B.) und sich der gesellschaftlichen Konsequenzen bewusst werden. Es gibt hier eben grundelegende Dilemmata. Zum einen, dass milliardenschwere Forschung auf die Leiden weniger sozial privilegierter Menschen ausgerichtet wird, während aktuell bereits lösbare Gesundheitskrisen in der dritten Welt ignoriert werden. Zum anderen, dass jede Technologie auf die denkbar unethischste Weise Verwendung finden wird, wenn sie mal existiert. Letztlich, vgl. Gattaca, daß Genoptimierung unweigerlich zu einer neuen Euthanasielogik führen wird, d.h. (aus sozialen, ökonomischenoder sonstigen Gründen) nichtoptimierte Menschen werden als unwert betrachtet werden.

      • @hessebub:

        "daß Genoptimierung unweigerlich zu einer neuen Euthanasielogik führen wird, d.h. (aus sozialen, ökonomischenoder sonstigen Gründen) nichtoptimierte Menschen werden als unwert betrachtet werden." ... und entsprechend gefährdete Eizellen nicht zur Befruchtung kommen.

  • 3G
    39756 (Profil gelöscht)

    Tja- die Frankensteins....



    Wenn ich zum Beispiel diese erbliche Herzschwäche hätte , würde ich - leider.- auf Nachwuchs verzichten. Wir sind eh schon zuviele hier.



    Ich find das diese Klonereien extrem diabolisch sind...auch mit dem humanitären Anstrich...Mir wird Angst und Bange.

     

    Kommentar gekürzt. Bitte verzichten Sie auf NS-Vergleiche. Danke, die Moderation

    • @39756 (Profil gelöscht):

      Das in solchen Zusammenhängen immer die Wörter "Frankenstein" und "Mengele" fallen ist einfach nur ein Armutszeugnis. Auch wenn es nicht passt, manch ein Linker? schafft es bei jedem Thema was ihm nicht gefällt einen Nazi-Vergleich zu konstruieren.

      • 3G
        39756 (Profil gelöscht)
        @charly_paganini:

        Ja ich habe da zu drastischen Vergleichen gegriffen. Ich halte mich dann zurück ab jetzt. Tschuldigung.

        Es ist, weil ich so sehe wie wenig Weisheit mit der modernen Wissenschaft einhergeht. Wenn wir schon, beispielsweise, mit der Kernenergie und all ihren Konsequenzen leben müssen, deren Nutzung gleichzeitig positiv-im Medizinischen Bereich , als auch existenzgefährdend- im Bereich Energie und Waffen ist, dann wird mir Angst und Bange, wenn es ans "eingemachte" geht.

        Mit DNA rumzuexperimentieren,ist etwas ausserordentlich signifikatives.

        Von Leuten finanziert, denen in erster Linie der Profit wichtig ist, wird es natürlich auch zuerst nur dort angewendet werden, wo es Profit bringt. Im Klartext. Reiche Eltern perfektionieren Ihren Nachwuchs schon vor der Empfängnis..

        Ich finde es auch nicht grundsätzlich

        schlecht in dieser Richtung zu forschen. Was mich beunruhigt, ist das wir nicht einmal in der Lage sind, als Menschheit, meine ich, unseren Planeten einigermassen sauber zu halten und ein Mindestgleichgewicht zu erhalten, das ja erst unser Überleben als Spezie ermöglicht und glechzeitig auf einen sehr feinstofflichen Nivel rumexperimentieren. Ich finde die Menschheit ist nicht reif genug dafür.

        Wir sollten erstmal lernen, uns als Mensch vernünftig zu benehmen bevor wir dazu übergehen, Leben zu schaffen nach unseren Vorstellungen..find ich.

  • Inhaltlich schlecht recherchiert, aufgeregt kommentiert.

     

    Die hypertrophe Kardiomyopathie, die nach Angaben der Autorin nur Leistungssport verhindert, kann selbst beim Fussballspielen maligne Herzrhythmusstörungen bis zum Tod

    provozieren. Das Risiko für einen plötzlichen Herztod schon als junger Mensch ist etwa vierfach erhöht.

     

    Natürlich wird das heutzutage auch operativ angegangen, aber die Krankheit (und viele andere) gar nicht erst zu haben, wäre für alle sinnvoller.

  • Inhaltlich gut recherchiert, unaufgeregt analysiert.

    Danke!

  • Ich sehe in linken Zeitungen zu dem Thema Gentechnik am Menschen immer nur Artikel, die die entsprechenden ethischen Folgen für die Behinderten diskutieren (behinderten feindlich oder nicht?).

     

    Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn das verursachte Leiden der Eltern, welche sich für mehrere Jahrzehnte um schwer behinderte Kinder kümmern, mit einbezogen wird.

    So bekommt man ethisch ein etwas gesamtheitlicheres Bild.

    Also Fragestellung hier zum Beispiel: "Kann man Eltern so etwas zumuten, wenn man die Möglichkeiten hat, es zu verhindern?"

     

    Vielleicht wehren sich Eltern ja auch gegen den Eingriff.

    Eltern mit behinderten Kindern, die ich über meinen Onkel kenne (er hat einen schwerbehinderten Sohn), sagen aber zum Beispiel mehrheitlich, dass sie froh gewesen wären über diese Technik.

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Letztlich hört beim Menschen die Evolution auf , wenn ich die Wahl hätte zwischen einem pränatalen Eingriff und den kleinen großen Problemen die genetisch bedingt jeder Mensch hat würde ich mich für das bessere Leben entscheiden.