Genitalverstümmelung bei Frauen: 200 Millionen Betroffene
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon fordert das Ende der Beschneidung von Mädchen und Frauen. Doch die Prognosen bis 2020 sind düster.
Die „Stiftung Weltbevölkerung“ geht davon aus, dass bis zum Jahr 2020 mehr als 15 Millionen weiteren Mädchen die Genitalverstümmelung droht. Die Praxis ist in rund 30 Ländern verbreitet, vor allem in Afrika, aber auch in einigen arabischen und asiatischen Ländern. Die Hälfte der beschnittenen Mädchen und Frauen lebt nach UN-Angaben in Ägypten, Äthiopien und Indonesien. In den meisten Ländern werde die Mehrheit der Mädchen vor dem fünften Geburtstag beschnitten.
In Europa hätten schätzungsweise eine halbe Million Frauen und Mädchen die „mit Folter vergleichbare“ Praxis über sich ergehen lassen müssen, erklärte die EU-Außenbeauftrage Federica Mogherini. Gemeinsam mit Justizkommissarin Vera Jourova und Entwicklungskommissar Neven Mimica in Brüssel verurteilte sie die Tradition scharf.
Bei dem Eingriff werden die äußeren Genitalien meist ohne Narkose teilweise oder vollständig entfernt. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben viele Mädchen und Frauen während des Eingriffs oder an seinen Folgen. Bei der Beschneidung, die oftmals mit stumpfem oder ungereinigtem Werkzeug vorgenommen wird, kann es zu Schockzuständen, starken Blutungen und Infektionen kommen. Die Beschnittenen leiden teils lebenslang an den psychischen Folgen und chronischen Schmerzen, beispielsweise beim Wasserlassen oder während der Menstruation, oder werden unfruchtbar.
Verbote werden jedoch häufig nicht umgesetzt
Obwohl den Vereinten Nationen zufolge in einigen Ländern Fortschritte im Kampf gegen die Verstümmelung von Mädchen zu verzeichnen sind, könnten diese mit dem gesamten Bevölkerungswachstum nicht mithalten. In den meisten afrikanischen Ländern ist der Eingriff gesetzlich verboten. Die Verbote werden jedoch häufig nicht umgesetzt. In Liberia, Somalia, Sierra Leone und dem Sudan ist die Praxis bislang nicht illegal.
Die Genitalverstümmelung soll der Tradition zufolge Schönheit, Keuschheit und die Heiratschancen der Mädchen und Frauen steigern. Die WHO betonte am Freitag, dass Genitalverstümmelung keinerlei Nutzen für die Opfer habe. Sie sei im Gegenteil eine massive Verletzung des Menschenrechts auf körperliche Unversehrtheit.
Es werde höchste Zeit, diese gravierende Menschenrechtsverletzung zu beenden und Mädchen und Frauen vor unfassbarem Leid zu bewahren, sagte die Geschäftsführerin der „Stiftung Weltbevölkerung“, Renate Bähr, in Hannover. Gesetze alleine reichten dazu nicht aus. „Entscheidend ist, Mädchen und Frauen gleiche Rechte einzuräumen. Wenn die Menschen in den Gemeinden nicht einsehen, dass die Genitalverstümmelung schwerwiegende Folgen für Mädchen hat, wird diese grausame Tradition fortgesetzt.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen