Generalabrechnung in der Ukraine: Rache an Poroschenko
Derzeit häufen sich Ermittlungsverfahren gegen das Umfeld des ehemaligen Präsidenten. Dessen Nachfolger Selenski begleicht offene Rechnungen.

Dieser Befehl, so Omeljan auf seiner Facebook-Seite, habe sich auf einen Vorbesitzer des Hauses bezogen. Die Hausdurchsuchung selbst sei korrekt verlaufen, gegen ihn selbst seien keine Vorwürfe erhoben worden. Auch hätten die Beamten nichts von seinem Besitz mitgenommen. Gegenüber dem Internetportal Ukrainska Prawda erklärte ein Sprecher des Staatlichen Ermittlungsbüros, die Hausdurchsuchung habe sich nicht gegen Omeljan selbst gerichtet.
Das Haus gehört Switlana Bobowa, Ehefrau des früheren Abgeordneten der „Partei der Regionen“, Gennadij Bobow. Dieser, so die Ukrajinska Prawda unter Berufung auf das Staatliche Ermittlungsbüro, sei mutmaßlicher Organisator und Geldgeber einer kriminellen Vereinigung.
Das Staatliche Ermittlungsbüro habe vermutet, dass sich im Haus Beweismaterial zu dem Mord an dem Journalisten und Maidan-Aktivisten Vassili Sergijenko 2014 befinde. Kollegen und Angehörige des Ermordeten verdächtigen Gennadij Bobow, diesen Mord beauftragt zu haben. Bobow war Abgeordneter der „Partei der Regionen“ und Gegner der Maidan-Bewegung.
Den Nationalisten nahe
Nicht so der Mann, der mit seiner Familie im Haus von Bobows Ehefrau Switlana Bobowa lebt. Omeljan, der unter Präsident Petro Poroschenko Minister für Infrastruktur war, steht den Nationalisten nahe. Anfang 2019 postete er ein Foto, das ihn auf einem Marsch zu Ehren von Nationalistenführer Stepan Bandera zeigt.
Omeljan selbst sieht die Hausdurchsuchung als Angriff auf seine Person und vermutet die neuen Machthaber dahinter. „Wolodimir Selenski, ich habe Ihren Gruß erhalten. Aber ich werde nicht schweigen. Meine Kinder und meine Frau richten Ihrer Familie herzliche Grüße aus. Sie sind ein Sowjetekel. Sogar gegen die Familien Ihrer politischen Gegner kämpfen Sie“, schreibt er auf Facebook.
Nicht nur Omeljan, der noch im vergangenen Jahr für Poroschenko Wahlkampf gemacht hatte, sieht einen politischen Hintergrund in der Hausdurchsuchung. Für den Kiewer Politologen Pawlo Nuss fügt sich diese in eine Reihe von Einschüchterungen Andersdenkender durch die neuen Machthaber ein. „Alle Einrichtungen gegen Korruption und die Rechtsschutzorgane wurden von Selenski und seinem Umfeld in staatliche Straforgane umgewandelt.“ Deren Aufgabe sei es, „politische Kritik an der derzeitigen antiukrainischen Exekutive zu vernichten“, so Nuss.
Mordvorwurf gegen rechtsradikalen Aktivisten
In ähnlichem Licht sehen national gesinnte Regierungskritiker:innen auch die jüngste Mordbeschuldigung des Inlandsgeheimdienstes SBU gegen den aus Odessa stammenden rechtsradikalen Aktivisten Serhij Sternenko. Nach Angaben des ukrainischen Portals von BBC war Sternenko 2018 bei einem Überfall auf ihn einem Angreifer hinterhergelaufen und hatte ihn dann mit dem Messer getötet.
Am Mittwoch hatte Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa gegen Poroschenko ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Dem Ex-Präsidenten werden rechtswidrige Handlungen bei der Ernennung von Serhij Semotschko zum stellvertretenden Chef des militärischen Auslandsgeheimdienstes vorgeworfen. Poroschenko, der noch 2018 von der renommierten Zeitschrift Nowoje Wremja als sechstreichster Oligarch der Ukraine gehandelt wurde, droht eine mehrjährige Haftstrafe.
Selbst bei einem Freispruch in dieser Sache sieht sich Poroschenko mit einer Reihe weiterer Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung, Hochverrats, Überschreitung seiner Kompetenzen und Korruption konfrontiert. Rückendeckung von der Macht hat er keine zu erwarten. Alles, was Poroschenko gesagt habe, sei eine Lüge, zitiert die Kyiv Post Präsident Wolodimir Selenski.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
Frieden in der Ukraine
Europa ist falsch aufgestellt
Die Neuen in der Linkspartei
Jung, links und entschlossen
Gentrifizierung in Großstädten
Meckern auf hohem Niveau