Gemeinschaftlich Wohnen: Kollektive Bauprojekte bedroht
Hamburger Baugemeinschaften schlagen Alarm, weil sie am Förderwesen zu scheitern drohen. Dabei will der rot-grüne Senat diese Art des Bauens stärken.
Jetzt haben drei kleine Genossenschaften gewarnt, sie drohten zu scheitern, obwohl ihre Projekte schon recht weit gediehen sind. Der rot-grüne Senat habe sich in seinem Koalitionsvertrag klar zu Baugemeinschaften und insbesondere Kleingenossenschaften bekannt, sagt Tilo Schmidtsdorff von der Baugemeinschaft Mesterkamp.
Die Gefährdung der drei Projekte, allesamt mehrgeschossige Wohnhäuser, sieht er als Warnsignal. „Wenn das schiefgeht, ist ein Teil des Koalitionsvertrages gescheitert“, sagt Schmidtsdorff, der selbst den Grünen angehört.
Die drei Genossenschaften haben sich kürzlich mit einem Offenen Brief an den Hamburger Senat gewandt, um auf ihre Schwierigkeiten hinzuweisen. Mal geht es um eine schwierige Grundstückserschließung, mal um gestiegene Baukosten in Verbindung mit Gestaltungsauflagen, mal um die Fördermodalitäten.
Hamburg ist Vorreiterin
Die Projekte nehmen für sich in Anspruch, gemeinnützig zu sein. So plant etwa die Baugemeinschaft Baumhaus Altona ein Mehrgenerationenhaus aus massivem Holz. Es sollen 22 sozial geförderte Wohnungen entstehen, zusätzlich zwei Wohnungen für geflüchtete Familien, die von den Genossenschaftsmitgliedern solidarisch mitfinanziert werden.
In ihrem Koalitionsvertrag weisen SPD und Grüne darauf hin, dass Hamburg „bundesweit Vorreiterin bei der Entwicklung von Baugemeinschaften“ gewesen sei. Seit den 1980er-Jahren seien 137 Baugemeinschaftsprojekte mit 3.200 Wohnungen realisiert worden, steht in einem Bürgerschaftsantrag vom März vergangenen Jahres.
„Das Bedürfnis nach Gemeinschaft und sozial verantwortlichem Handeln veranlasst immer mehr Menschen und vor allem Familien, sich zu Baugemeinschaften zusammenzuschließen, um sich ein gemeinsames Zuhause zu kreieren, das im Hamburger Stadtgebiet für diese Gruppierungen bezahlbar ist“, heißt es in dem Antrag. Klarheit darüber, wer in diesem Rahmen wie zusammenlebt und wie das gefördert werden kann, soll deshalb eine von den Grünen initiierte Studie bringen, deren Ergebnis im Herbst vorliegen soll.
Klar ist, dass der Senat sein Ziel verfehlt hat, die Hälfte der Baugemeinschaftsgrundstücke möglichst an kleinere Genossenschaften zu vergeben. Zwar sollen in den großen Stadtentwicklungsgebieten bis zu zwanzig Prozent der Grundstücke an Baugemeinschaften gehen und kleine Genossenschaften bei Ausschreibungen bevorteilt werden.
Senat passt Förderprogramme an
Dennoch wurden zwischen Anfang 2015 und September 2019 lediglich knapp zwölf Prozent der Baugemeinschaftsprojekte von kleinen Genossenschaften realisiert. Die übrigen entstanden im Rahmen von Wohnungseigentümergemeinschaften oder im Schoß traditioneller Genossenschaften.
„Dem Senat ist die aktuelle Lage der Kleingenossenschaften bewusst“, teilt die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) mit. Die Baukostenentwicklung, der Stopp der Bundesförderung für effiziente Gebäude und die beschleunigte Inflation wirkten sich aus. Kleingenossenschaften würden dabei besonders getroffen, da sie knapp kalkulieren müssten.
Deshalb passe der Senat seine Förderprogramme regelmäßig an die Baukostenentwicklungen an, so auch 2022, heißt es aus der BSW. Gerade Kleingenossenschaften profitierten von einem neuen Förderbaustein, der Sonderkosten aufgrund der Grundstückslage ausgleichen solle. Seit 2021 gebe es auch Extra-Geld bei Gestaltungsauflagen, etwa wenn eine Backsteinfassade vorgeschrieben wird.
Für die gestoppte Bundesförderung für energieeffiziente Gebäude gebe es jetzt einen Zuschuss der Hamburgischen Investitions- und Förderbank für Sozialwohnungen mit bereits geplanten energetisch anspruchsvollen Standards.
Hohe Baukosten
Helfen werde auch, dass der Preisdeckel bei städtischen Grundstücken jetzt auch für geförderte Genossenschaften gelte. Zudem verringere die Vergabe im Erbbaurecht deren Finanzierungsbedarf.
Aus Sicht Tilo Schmidtsdorffs von der Baugemeinschaft Mesterkamp reichen die Maßnahmen des Senats jedoch nicht aus. „Das Problem ist das Eigenkapital“, sagt er. Wegen der hohen Baukosten müssten die Genossenschaftsmitglieder, die ja eben nicht wohlhabend seien, Beträge vorhalten, die sie überforderten. „Man muss alles dafür tun, von planerischer Seite die Baukosten nicht in die Höhe zu treiben“, sagt er deshalb, also auf besonders ehrgeizige Auflagen zu verzichten.
Um das Problem zu lösen, müsse sich die Stadt zur Not an den Kleingenossenschaften beteiligen, etwa über die Hamburgische Investitions- und Förderbank. Auch die Idee, Stiftungskapital zu mobilisieren, wie es im Koalitionsvertrag angedacht ist, hält er für verfolgenswert.
„Wir haben 800.000 Euro in die Planung investiert“, sagt er. Demnächst sollte der Bauantrag für das Projekt Mesterkamp mit 40 Wohnungen, davon vier mit Paragraph-Fünf-Schein, eingereicht werden. „Im Moment können wir uns nicht vorstellen, wie es weitergehen kann“, sagt Schmidtsdorff.
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