Geleaktes Verfassungschutz-Gutachten: Lächerlich, wer das lächerlich findet
Das AfD-Gutachten des Verfassungsschutzes wurde offenbar an rechte Medien durchgestochen. Dort prahlt die Partei damit, wie breit sie zitiert wird.
E s ist eine riskante Strategie und erneut ein Beleg dafür, wie weit sich der öffentliche Diskurs nach rechts verschoben hat: Die AfD hat das Verfassungsschutz-Gutachten zur Hochstufung als „gesichert rechtsextrem“ wohl an Rechtsaußen-Medien durchgestochen.
Nun fluten ihre Abgeordneten die sozialen Medien mit Postings, wie lächerlich die Einstufung doch sei. AfD-Politiker wiederholen ihre rassistischen Aussagen, prahlen damit, wie breit sie zitiert werden, bezeichnen den Verfassungsschutz als Stasi. Selbst der Hauptaccount der AfD ist sich nicht zu schade, an verbotene SA-Parolen angelehnte Wahlkampfslogans erneut wiederzukäuen. Die AfD hofft wohl darauf, dass das in ihrer Anhängerschaft verfängt.
Es bleibt jedoch riskant: Wer sich über das rechte Getöse in den sozialen Medien hinaus die über 1.108 Seiten voller Belege durchliest, bekommt ein recht eindeutiges Bild einer zutiefst rassistischen und rechtsextremen Partei, die insbesondere mit ihrem ethnischen Volksverständnis und der Islamfeindlichkeit den Verfassungsbogen verlassen hat. Der Rechtsstaat sieht das ähnlich, wie auch das Oberverwaltungsgericht Münster in seinem Gerichtsurteil ausführlich festhielt. Schon damals sprach viel für eine Hochstufung und immer mehr für ein Verbotsverfahren. Die AfD hat sich dennoch weiter radikalisiert.

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Im Wahlkampf übernahm sie rechtsextreme Kampfbegriffe, umarmte Autokraten, hetzte mit widerwärtigsten rassistischen KI-Bildern gegen Minderheiten. Damit greift die Partei auf allen Ebenen schon den ersten Artikel des Grundgesetzes an und tritt die darin verbriefte Menschenwürde mit Füßen. Ihre Radikalisierung vollzog sich in den vergangenen zehn Jahren offen – weswegen der Verfassungsschutz (VS) sich hauptsächlich auf öffentliche Quellen stützt.
Die Partei ist stolz auf ihre Radikalität, wie sie nun breit zur Schau stellt. Sie beweist damit einmal mehr einen Befund aus dem VS-Gutachten: Es ist nicht davon auszugehen, dass diese Partei sich deradikalisiert. Wer die Einstufung als „gesichert rechtsextrem“ trotzdem lächerlich findet, verrät vor allem viel über den eigenen Standpunkt.
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