Geldhilfe für das Neonazi-Trio: Verfassungsschutz angezeigt
Die Staatsanwaltschaft prüft Vorwürfe gegen den Thüringer Verfassungsschutz. Mit Geld von der Behörde sollten die Neonazis neue Pässe bekommen.
HAMBURG taz | Gegen den Thüringer Verfassungsschutz liegt nun eine Anzeige vor, weil das Amt versuchte, dem Neonazitrio aus Zwickau mit Geld zu helfen. Das bestätigte Michael Lehmann von der Staatsanwaltschaft Erfurt. Eine Privatperson habe die Anzeige wegen Strafvereitelung im Amt erstattet.
"Der Sachverhalt wird überprüft", sagt der Oberstaatsanwalt der taz. Unterdessen räumte eine Sprecherin des Amtes ein, dass der Verfassungsschutz tatsächlich versucht habe, über einen V-Mann Geld an das Neonazitrio weiter zu leiten.
Nach dem Abtauchen der drei mutmaßlichen Terroristen 1998 hatte der Leiter des Neonazi-Netzwerks „Thüringer Heimatschutz“ Tino Brandt für sie Spenden gesammelt. Das Geld will er Kameraden aus Jena, Ralf Wohlleben und André Kapke, übergeben haben, doch nicht jede Spende kam bei dem Trio an.
Wohlleben, der mittlerweile in Haft ist, weil er den Dreien eine Waffe und Munition zu kommen ließ, behauptet, Kapke hätte Geld unterschlagen. Aus abgehörten Telefonaten des Unterstützerkreises in Chemnitz erfuhr der Verfassungsschutz dann, dass bei den Untergetauchten das Geld knapp wurde.
So wurde die Idee geboren, ihnen Geld „zur Beschaffung falscher Ausweispapiere 2000 DM" zuzuleiten. Das Geld sollte über Brandt, der zugleich V-Mann des Verfassungsschutzes war, fließen. Der Verfassungsschutz habe so Kenntnis über Tarnidentitäten erhalten wollen, sagt nun die Sprecherin der taz, doch "direkt sei kein Geld geflossen".
Allerdings nur weil der Mittelsmann das Geld für sich verwendet habe, räumt selbst die Sprecherin ein. Mit neuen Pässen gelang es dem Trio weiter unterzutauchen. Der Verfassungsschutz hatte die Meldeämter in Sachsen nicht unterrichtet. Im selben Jahr begann das Trio mit ihrer Mordserie.
Verfassungsschutz in Frage stellen
Die Rollen von V-Mann Brandt und Verfassungsschutz werden derweil immer obskurer. Nach dem Abtauchen von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe sollen sowohl das Landeskriminalamt (LKA) als auch der Verfassungsschutz Zielfahndungen eingeleitet haben. Doch der Verfassungsschutz habe seinen V-Mann Brandt über dessen Überwachung durch das LKA ständig unterrichtet, berichtet die Berliner Zeitung. Dies bestätigt auch Brandt. So kommt der Verdacht auf, dass der Verfassungsschutz die Arbeit des LKA behinderte.
Auch die Linke will nun eine Anzeige gegen den Verfassungsschutz stellen. "Die Vorfälle zeigen eine neue Qualität der Verstrickungen von braunen Terror und staatlicher Behörde", sagt Martina Renner, Innenpolitikerin der Landtagsfraktion der Linken in Thüringen. Die Bereitstellung von Geld für Pässe müsste als Beihilfe zur Flucht gewertet werden.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Uwe Höhn sagt: "Eine umfassende Aufklärung der damaligen Arbeit der Thüringer Sicherheitsbehörden, wie sie vom Thüringer Innenminister Geibert vollmundig angekündigt wurde, sieht anders aus". Und er betont: "Sollte sich bewahrheiten, dass die Terrorzelle oder ihre Unterstützer ihre Aktivitäten zum Teil auch durch Gelder des Staates finanzieren konnten, ist das gesamte System des Verfassungsschutzes in Frage zu stellen".
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